1. Oktober 2008 • Budgetpolitische Ansatzpunkte zur Kompensation der Inflation • Margit Schratzenstaller-Altzinger

Da seit Ende 2007 auch in Österreich ein überdurchschnittlicher Anstieg des Preisniveaus zu verzeichnen ist, stehen derzeit Maßnahmen zur Inflationsbekämpfung im Mittelpunkt der wirtschaftspolitischen Diskussion, wobei ein starker Fokus auf der Budgetpolitik liegt. Der aktuelle Preisschub hat auch eine verteilungspolitische Dimension: Zum einen werden Transferzahlungen des Staates an die privaten Haushalte real entwertet, zum anderen trifft der preissteigerungsbedingte reale Kaufkraftverlust von Markt- und Transfereinkommen vor allem die unteren Einkommenschichten, die ihr verfügbares Einkommen ganz oder überwiegend für den Konsum ausgeben. Der Handlungsspielraum der Budgetpolitik beschränkt sich darauf, solche preissteigerungsbedingten Verteilungswirkungen (teilweise) zu neutralisieren; zur Beseitigung der Inflationsursachen kann sie keinen Beitrag leisten.

Kriterien zur Beurteilung einzelner budgetpolitischer Maßnahmen zur Kompensation der Inflationsfolgen sind soziale Treffsicherheit, der Zielerreichungsgrad, Verträglichkeit mit anderen wirtschaftspolitischen Zielen sowie europarechtliche Vorgaben. Auf der Einnahmenseite können solche Maßnahmen bestehen in einer Variation von Steuern, Sozialversicherungsbeiträgen und Gebühren, auf der Ausgabenseite in staatlichen Transferzahlungen sowie in Ausgaben zur Bereitstellung öffentlicher Leistungen, die als Substitutionsgüter für besonders von der Teuerung betroffene Güter dienen können.

Da die Budgetpolitik lediglich an Symptomen ansetzen, nicht jedoch die Ursachen der Inflation beseitigen kann, kommt sie erst dann zum Einsatz, wenn der Preisschub auftritt. Die dann zur Verfügung stehenden Maßnahmen binden (teilweise erhebliche) Budgetmittel; wesentlich effizienter ist es daher, die Entstehungsgründe der Inflation zu beseitigen. Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass eine weitgehende Abfederung der Inflationsfolgen den Druck von der Wirtschaftspolitik nimmt, entschieden gegen die Inflationsursachen vorzugehen, zumal Letzteres vielfach auf Widerstand der Betroffenen stoßen wird. Dies gilt besonders für automatische Anpassungen (z. B. Indexierung von Sozialleistungen), da diese ohne eine öffentliche wirtschaftspolitische Diskussion in Kraft treten. Daraus ergibt sich eine Hierarchisierung wirtschaftspolitischer Maßnahmen zur Inflationsbekämpfung. Erste Priorität muss sein, Maßnahmen zur Prävention bzw. zur Beseitigung von Inflation zu ergreifen, die an den Wurzeln eines Preisschubes ansetzen. Eine effektive Beseitigung der Inflationsursachen macht budgetpolitische Maßnahmen zur Kompensation der Inflationsfolgen überflüssig.

Die derzeit in Österreich diskutierten bzw. bereits umgesetzten Schritte bilden ein Bündel unkoordinierter Maßnahmen, die nicht in ein Gesamtkonzept eingebunden sind: weder in ein abgestimmtes Gesamtkonzept zur Kompensation der Verteilungswirkungen der Inflation noch – was die Maßnahmen im Bereich der Abgaben anbelangt – in ein Gesamtkonzept der für das Jahr 2010 geplanten großen Steuerreform. Es besteht daher erstens die Gefahr mangelnder Effektivität der umgesetzten bzw. noch geplanten Maßnahmen zur Inflationsbekämpfung. Zweitens werden bereits jetzt beträchtliche finanzielle Mittel gebunden, die für die im Jahr 2010 vorgesehene Abgabenreform "in einem Guss" fehlen. Drittens bewirken die meisten der vorgeschlagenen und implementierten Maßnahmen dauerhafte Entlastungen: Aus budgetären, aber auch aus Effizienzgründen ist allerdings grundsätzlich die Frage zu stellen, ob einem temporären Phänomen mit dauerhaften Entlastungsmaßnahmen begegnet werden soll.

Es erscheint daher sinnvoller, im Rahmen des beschränkten Spielraums der Budgetpolitik auf Maßnahmen zu setzen, die spezifisch die Folgen der Inflationsbeschleunigung kompensieren und nur im Falle ihres Auftretens einsetzen. Priorität haben hier die regelmäßige Kompensation der kalten Progression sowie die regelmäßige Valorisierung von Sozialleistungen, die einen zielgerichteten Ausgleich der Inflationsfolgen für die privaten Haushalte bewirken. Sie wären zu ergänzen um spezifische Transferleistungen bzw. Ausgaben für die öffentliche Bereitstellung von Substitutionsgütern, die auf einzelne von Preissteigerungen besonders betroffene Teilmärkte fokussieren: etwa Heizkostenzuschüsse sowie Ausgaben für den öffentlichen Verkehr im Falle einer starken Verteuerung von Treibstoffen und Heizmaterial. Ein weiteres Maßnahmenbündel ist aus budget- und lenkungspolitischen Gründen angezeigt: die regelmäßige Valorisierung der mengenabhängigen Steuern.

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem WIFO-Monatsbericht 9/2008 (http://www.wifo.ac.at/wwa/jsp/index.jsp?fid=23923&id=33661&typeid=8&display_mode=2)!