3. September 2008 • Auswirkungen der Finanz- und Immobilienkrise auf die Realwirtschaft • Marcus Scheiblecker

Die lockere Geldpolitik, der massive Zustrom finanzieller Mittel aus dem Ausland und Innovationen auf dem Finanzmarkt haben in den USA in den letzten Jahren die Finanzierungsbedingungen für Immobilienkäufe durch die privaten Haushalte erheblich erleichtert. In der Folge stiegen die Immobilienpreise deutlich. Im Jahr 2006 platzte die entstandene Spekulationsblase, und die Preise verfielen seither um 20%. Der damit einhergehende Vermögensverlust vermindert die Besicherungsgrundlage von Banken im In- und Ausland und löste in den USA eine Finanzmarktkrise aus, deren Ende derzeit noch nicht absehbar ist. Je länger die Immobilienpreise sinken, desto größer ist die Gefahr, dass die Finanzmarktkrise eine eigene Dynamik entfaltet. Die Sub-Prime-Krise weitet sich mehr und mehr auf den Prime-Markt aus.

Die Verminderung des Immobilien- und Aktienvermögens durch den Verfall der Immobilienpreise verschlechtert zudem die Situation der privaten Haushalte in den USA. Zurückhaltung in Konsumausgaben und Investitionen sind die Folge. Dies trifft aber nicht nur die Wirtschaft der USA, sondern auch deren Handelspartner in Europa und Asien. Die Turbulenzen in den USA übertragen sich über verschiedene Transmissionskanäle auf andere Volkswirtschaften:

  • Über den Finanzmarktkanal verspüren aufgrund der engen Integration der internationalen Finanzmärkte auch die europäischen Banken die Folgen der Finanzmarktkrise in den USA. Ihre Verluste aus riskanten Anlagen vermindern ihre Kapitalbasis und lassen sie in der Kreditvergabe vorsichtiger werden.

  • Die Verringerung der Konsum- und Investitionsdynamik in den USA belastet über den Handelskanal die Importnachfrage der USA und damit die Exportwirtschaft Europas und Asiens.

  • Das Platzen der Preisblase in den USA verursachte auch einen Rückgang der Immobilienpreise in anderen Ländern. Neben dem dadurch entstandenen Vermögensverlust für europäische Haushalte verringerte sich hier gleichzeitig das Aktienvermögen. Dies beeinträchtigt die Entwicklung des Konsums und der Bauinvestitionen.

  • Einen weiteren Übertragungskanal bildet die Präsenz multinationaler Konzerne. Wirtschaftliche Probleme in den Herkunftsländern bewirken üblicherweise auch Sparprogramme in den Niederlassungen im Ausland. Investitionskürzungen und Entlassungen können daraus resultieren.

  • Schließlich kommt auch der internationalen Übertragung von Vertrauensverlusten eine gewisse Bedeutung zu. Dies hat weniger mit einer psychischen "Ansteckung" durch die Stimmung der Marktteilnehmer zu tun als vielmehr mit der Tatsache, dass das theoretische Wissen und die empirischen Erfahrungen der Marktteilnehmer über ökonomische Zusammenhänge deren Erwartungsbildung beeinflussen.

Die realwirtschaftlichen Auswirkungen solcher Übertragungen dürften aber sowohl in Europa als auch in der Gruppe der Schwellenländer zumindest mittel- und langfristig weniger schwerwiegend ausfallen als in den USA. Im Euro-Raum wirken die Dollarschwäche und die starke Verteuerung von Rohstoffen und Agrarprodukten jedoch zusätzlich wachstumsdämpfend. Einzelne Länder, etwa Spanien, Irland und Großbritannien, werden überdurchschnittlich betroffen sein, weil ihr eigener Immobilienmarkt durch das Platzen von Spekulationsblasen beeinträchtigt ist.

Im Gegensatz zu den USA blieben expansive wirtschaftspolitische Maßnahmen im Euro-Raum in den meisten Ländern bislang aus. Neben den fehlenden fiskalpolitischen Impulsen verschärfte die EZB, zur Eindämmung der trotz des schwierigen ökonomischen Umfeldes steigenden Inflation, sogar ihre Geldpolitik.

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem WIFO-Monatsbericht 8/2008 (http://www.wifo.ac.at/wwa/jsp/index.jsp?fid=23923&id=33283&typeid=8&display_mode=2)!