28. August 2008 • Internationale Bankenkrise und die Rolle von Finanzaufsicht und Finanzinnovationen • Franz R. Hahn

Eine breites Angebot von innovativen Finanzinstrumenten, hohe Liquidität auf den Kapital- und Finanzmärkten und umfassende Überwachungs- und Steuerungskompetenz der Finanzaufsichtsbehörden in den OECD-Ländern galten als Garanten für Stabilität und Effizienz des internationalen Finanzsystems. Die jüngste internationale Finanzkrise erschütterte, ausgehend vom Immobilienmarkt der USA, jedoch weltweit das Vertrauen in die Funktionsfähigkeit des modernen Banken- und Finanzsystems. Angesichts dieses massiven Systemversagens wächst in Wissenschaft und Politik die Überzeugung, dass die Rolle von Finanzinnovationen sowie der Regulierungsrahmen für Banken und die ordnungspolitischen Grundlagen der Finanzmarktaufsicht grundlegend neu bewertet werden sollten.

Seit Ausbruch der aktuellen Bankenkrise wurden viele Vorschläge zur Verbesserung des Finanzsystems entwickelt. In der akademischen Diskussion haben sich jedoch drei Stränge einer Neuorientierung herausgebildet, die auch den politischen Diskurs über eine künftige Reform der Bankenregulierung bestimmen werden.

Angesichts der Erfahrungen aus der aktuellen Krise wird allgemein gefordert, den bestehenden Regulierungsrahmen durch leistungsfähige makro-orientierte Kontroll- und Steuerungselemente zu verstärken. Dabei kommt einer differenzierten aufsichtsrechtlichen Behandlung der weltweit agierenden Großbanken besondere Bedeutung zu. International tätige Großbanken spielen u. a. eine wichtige Rolle im Handel mit modernen Finanzprodukten. Sie übernehmen vor allem die Rolle von Market-Makers und setzen sich damit Basisrisken aus, die erhebliche Anforderungen an das Risikomanagement von Banken stellen. Die hohe Konzentration und die Übernahme von Marktrisken machen jedoch diese Institute zur Quelle von systemischen Gefahren – Leistungsstörungen bei einigen wenigen dieser Großbanken können systemische Liquiditätsverknappungen auslösen, wie die aktuelle Krise deutlich gezeigt hat. Eine Größenbegrenzung von international tätigen Banken erscheint angesichts von deren gesamtwirtschaftlich positiver Funktion als suboptimale Lösung. Aus aufsichtsrechtlicher Sicht kann das systemische Risiko, das von international tätigen Banken ausgeht, dadurch wirkungsvoller gesteuert werden, dass das Mindesteigenkapitalerfordernis deutlich höher angesetzt wird als für national tätige Banken. Dies entspricht auch den ursprünglichen Intentionen des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht, der anfänglich nur für international tätige Großbanken eine regulatorische Mindesteigenkapitalausstattung von 8% forderte. Durch das höhere regulatorische Eigenkapitalerfordernis ist sichergestellt, das Großbanken zumindest einen Teil der Systemrisken, die sie verursachen, selbst tragen.

Eine bedeutende Rolle in der Neuorientierung der Bankenaufsicht wird auch der systemischen Stabilitätspolitik zukommen. Die modernen Techniken des Risikomanagements verleiten den Bankensektor dazu, noch stärker als früher prozyklisch zu agieren. Sie verstärken damit nicht nur Boomphasen und Blasenbildung, sondern begünstigen gleichgerichtetes Verhalten der Banken über den gesamten Konjunkturzyklus. Herdenverhalten der Banken ist deshalb häufig Ursache von systemischen Störungen, die nicht auf den Finanzsektor beschränkt bleiben, sondern oft auch die Realwirtschaft schwächen. Es erschwert vor allem auch die Stabilitätspolitik von Notenbank und Regierung. Eine stärkere Einbindung einer vorausschauenden strategischen Bankenaufsichts- und Bankenüberwachungspolitik in die Stabilitätsstrategien der Geldpolitik würde die Wirkungseffizienz von Notenbanken und Bankenaufsicht deutlich erhöhen. Ein über den Konjunkturzyklus variables regulatorisches Mindesteigenkapitalerfordernis für Banken könnte ein wirkungsvoller integraler Bestandteil einer übergreifenden vorausschauenden Stabilitätspolitik von Geld- und Bankenaufsichtsbehörden sein. Das höhere regulatorische Eigenkapital in Boomphasen unterstützt die Stabilitätswirkung einer restriktiven Zinspolitik, indem Bankkredite teurer werden. Das niedrigere regulatorische Eigenkapital in Abschwungphasen stärkt die stimulierende Wirkung einer expansiven Geldpolitik durch Erleichterung der Kreditvergabe.

Die Begrenzung von Systemstörungen, die durch Informationsasymmetrie erzeugt werden, gehört zum Kernbereich der Finanzmarkt- und Bankenregulierung. Dass Kreditderivate durch ungleiche Informationsverteilung sehr anfällig für Bewertungsprobleme sind, sollte nicht zum Anlass genommen werden, die Entwicklung und den Handel mit Kreditderivaten regulatorisch zu behindern oder zu erschweren. Die jüngsten Aktivitäten des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht in diesem Zusammenhang deuten darauf hin, dass keine restriktiven, sondern systemkonforme Lösungen angestrebt werden. Ein hoher regulatorischer Eigenbesitz der emittierenden Banken ist ein sehr wirksames Mittel zur Minderung von informationsbedingten Marktverzerrungen.

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem WIFO-Monatsbericht 8/2008!