3. Juni 2008 • Privater Konsum wird dank Steuerentlastung und Nachlassen der Inflation zur Wachstumsstütze. Mittelfristige Prognose der österreichischen Wirtschaft bis 2012 • Josef Baumgartner, Serguei Kaniovski, Ewald Walterskirchen

Das Bruttoinlandsprodukt wird in Österreich von 2008 bis 2012 real um durchschnittlich 2,3% pro Jahr zunehmen. Wegen der internationalen Konjunkturabschwächung fällt das Wachstum damit etwas geringer aus als in den letzten fünf Jahren. Der Vorsprung gegenüber dem Durchschnitt des Euro-Raums bleibt jedoch erhalten. Im Jahr 2010 wird die Steuerreform dem privaten Konsum positive Impulse geben. Ab 2010 ist im Euro-Raum mit einer Beschleunigung des mittelfristigen Wachstums zu rechnen. Die österreichische Wirtschaft wird davon dank ihrer hohen Wettbewerbsfähigkeit profitieren.

Die österreichische Wirtschaft wird bis 2012 mit +2,3% pro Jahr schwächer expandieren als bisher erwartet. Die reale BIP-Steigerung fällt auch etwas geringer aus als in der Periode 2002 bis 2007 (+2,4% p. a.).

In der zweiten Jahreshälfte 2008 und im Jahr 2009 wird die aktuelle Abschwächung der Konjunktur in den USA auf den Euro-Raum ausstrahlen. Dieser Abwärtstendenz wirken jedoch die Expansionschancen in den neuen EU-Ländern entgegen. Ab 2010 ist mit einer Erholung der Konjunktur im Euro-Raum zu rechnen. Aufgrund ihrer hohen Wettbewerbsfähigkeit werden die heimischen Exportunternehmen davon besonders profitieren. Sie sind in den neuen EU-Ländern und in Südosteuropa besonders gut positioniert und im Euro-Raum durch die vorteilhafte Entwicklung der Lohnstückkosten in der Sachgüterproduktion begünstigt.

Derzeit plant die Bundesregierung für das Jahr 2010 eine Steuerreform. In der vorliegenden mittelfristigen Prognose wird eine Entlastung der verfügbaren Einkommen um insgesamt 3 Mrd. Euro angenommen. Über eine Steigerung der verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte wird der private Konsum gestärkt. Insgesamt wird dadurch das Bruttoinlandsprodukt 2010 um gut ½ Prozentpunkt stärker wachsen. Detailliertere Berechnungen sind erst möglich, wenn die Maßnahmen der Steuerreform im Detail bekannt sind.

Die Investitionstätigkeit der Unternehmen wird zunächst schwach bleiben. Sobald die Belebung von Exportdynamik und privatem Konsum die Kapazitätsauslastung steigen lässt, werden die Investitionen jedoch wieder stärker expandieren (+2% bis +3% pro Jahr). Die Bauwirtschaft wird nicht mehr so hohe Wachstumsraten erzielen wie in den letzten fünf Jahren, als der Tiefbau dank der umfangreichen Investitionen in den Straßen- und Schienenbau rasch expandierte. Im Wohnbau ist eine Erholung zu erwarten. Die rege Immigration und die zunehmende Knappheit an Wohnungen werden diese Entwicklung akzentuieren.

Dank der geplanten Steuerreform wird sich das Wachstum des privaten Konsums beschleunigen. Es wird unterstellt, dass die Sparquote der privaten Haushalte – nach dem deutlichen Anstieg der letzten Jahre – bedingt durch die Steuerreform auch 2010 noch steigen, danach aber merklich zurückgehen wird. Das impliziert eine Stabilisierung des Konsumentenvertrauens.

Übersicht 1: Hauptergebnisse

 Ø 1997/
2002
Ø 2002/
2007
Ø 2007/
2012
2007 2008 2009 201020112012
 Jährliche Veränderung in %
          
Bruttoinlandsprodukt         
  Real

+2,4

+2,4

+2,3

+3,4

+2,1

+1,7

+2,5

+2,6

+2,3

  Nominell

+3,6

+4,3

+4,3

+5,8

+4,8

+3,9

+4,5

+4,4

+3,9

Verbraucherpreise

+1,6

+1,9

+2,3

+2,2

+2,9

+2,3

+2,1

+2,1

+2,0

Lohn- und Gehaltssumme je Beschäftigten1)

+2,2

+2,3

+2,8

+2,7

+3,3

+3,0

+2,8

+2,7

+2,3

Unselbständig aktiv Beschäftigte2)

+0,6

+1,1

+1,1

+2,1

+1,8

+0,7

+1,0

+1,2

+1,0

          
 Ø 1998/
2002
Ø 2003/
2007
Ø 2008/
2012
2007 2008 2009 201020112012
 In %
          
Arbeitslosenquote         
  In % der Erwerbspersonen3)

4,0

4,7

4,1

4,4

4,2

4,3

4,2

4,0

3,8

  In % der unselbständigen Erwerbspersonen4)

6,5

6,9

6,0

6,2

5,9

6,2

6,1

5,9

5,9

          
 In % des BIP
          
Außenbeitrag

2,3

5,0

6,4

6,8

6,7

6,6

6,3

6,2

6,4

Finanzierungssaldo des Staates

 

 

 

 

 

 

 

 

 

  Laut Maastricht-Definition

–1,4

–1,7

–0,6

–0,5

–0,7

–0,7

–0,9

–0,4

–0,1

          
 In % des verfügbaren Einkommens
          
Sparquote der privaten Haushalte

8,1

9,4

9,7

10,3

10,1

9,8

10,1

9,4

9,2

Q: Statistik Austria, WIFO-Berechnungen. –  1) Brutto, ohne Arbeitgeberbeiträge, je Beschäftigungsverhältnis laut VGR. –  2) Ohne Bezug von Karenz- bzw. Kinderbetreuungsgeld, ohne Präsenzdienst, ohne in der Beschäftigungsstatistik erfasste arbeitslose Personen in Schulung. –  3) Laut Eurostat (Labour Force Survey). –  4) Laut Arbeitsmarktservice.

Die Wachstumsdynamik wird eine Ausweitung der Beschäftigung mit sich bringen, die mit +1% pro Jahr etwa jener der letzten fünf Jahre entsprechen wird. Der freie Zustrom von Fachkräften aus den neuen EU-Ländern ab dem Jahr 2009 und das Ende der Übergangsfristen im Jahr 2011 werden die Pendler- und Zuwanderungsströme erhöhen. Obwohl auch das inländische Arbeitskräfteangebot steigt, wird die Arbeitslosenquote ab dem Jahr 2010 durch den Wachstumsimpuls der Steuersenkung auf 5,9% im Jahr 2012 zurückgehen. Das impliziert noch erhebliche Beschäftigungsreserven im Bereich geringer Qualifikationen und ungünstige Wiedereinstellungschancen für (geringqualifizierte) Ältere.

Die starke Verteuerung von Nahrungsmitteln und Energie im Jahr 2008 schlägt sich in einer steigenden Inflationsrate und höheren Lohnforderungen nieder. Im Prognosezeitraum 2008 bis 2012 werden die Pro-Kopf-Einkommen nominell um knapp 3% pro Jahr zunehmen – nach +2,3% in den fünf Jahren davor. Bezüglich der Rohölpreise wird ein mäßiger Anstieg von 95 $ je Barrel (2008) auf 104 $ im Jahr 2012 unterstellt. Unter diesen Annahmen wird sich der Preisauftrieb in den kommenden Jahren allmählich beruhigen. Die Inflationsrate wird im Durchschnitt der Jahre 2008 bis 2012 bei 2¼% liegen.

Die Steuerreform im Jahr 2010 wird das Budgetdefizit auf knapp 1% des BIP steigen lassen. Dabei ergibt sich ein Selbstfinanzierungsgrad (durch Steigerung der Steuereinnahmen aufgrund der verstärkten Wirtschaftsdynamik) von etwa einem Drittel bis zum Ende des Prognosehorizonts. Nach dem Abklingen der Effekte der Steuerreform wird das Budgetdefizit kontinuierlich abnehmen. Für die vorliegende Prognose wird weiters angenommen, dass wirtschaftspolitische Maßnahmen im Bereich von Forschung, Bildung und Infrastruktur die mittel- und langfristigen Wachstumsaussichten Österreichs verbessern werden.

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem WIFO-Monatsbericht 5/2008!