21. Dezember 2007 • Die Verteuerung von Nahrungsmitteln – Ursachen und Handlungsoptionen • Josef Baumgarnter, Franz Sinabell

Im Laufe des Jahres 2007 verteuerten sich Getreide und Milch auf dem Weltmarkt und auf dem EU-Binnenmarkt stark. In der Folge stiegen die Preise von Nahrungsmitteln, und ihr Beitrag zur allgemeinen Inflation erhöhte sich. Die Verteuerung wurde durch die Steigerung der Nachfrage und dürrebedingte Ertragsausfälle verursacht. Im Jahr 2008 dürfte das Preisniveau von Nahrungsmitteln hoch bleiben. Durch wirtschafts- und agrarpolitische Maßnahmen kann der Preisauftrieb gedämpft werden, und durch Verhaltensänderungen können die privaten Haushalte die Auswirkungen auf ihre Konsumausgaben abschwächen.

Ausgelöst wurde die Verteuerung durch das Zusammentreffen folgender Faktoren auf den internationalen Märkten für agrarische Rohstoffe:

  • Das starke Wirtschaftswachstum und die Veränderung der Konsumgewohnheiten in bevölkerungsreichen Schwellenländern sowie die zunehmende Verwendung von Pflanzen als Energieträger bewirken eine Ausweitung der Nachfrage.

  • Neben Ernteausfällen hatten auch der Rückzug der Agrarpolitik aus direkten Markteingriffen und der daraus in den Vorjahren resultierende Abbau von öffentlich finanzierten Lagern eine Verknappung des Angebotes zur Folge.

Die Angebotseffekte waren die Hauptursache des starken Anstiegs der Weltmarktpreise von Getreide und Milch im Jahr 2007. Die mittel- bis langfristige Preisentwicklung der Agrarprodukte wird durch den Trend der Nachfrage und die Entwicklung der Produktivität der weltweiten Agrarproduktion bestimmt. Jahrzehntelang stieg die Agrarproduktion rascher als die Nachfrage nach Agrargütern. Nun zeichnet sich eine Umkehr dieser Entwicklung ab.

Die Preise von Nahrungsmitteln (Verbraucherpreise)

Im Allgemeinen ist der Zusammenhang zwischen der Entwicklung von Verbraucherpreisen und Erzeugerpreisen statistisch nicht signifikant. In der aktuellen Situation gilt dies jedoch nicht, da zugleich eine große Zahl von agrarischen Produkten von Preiserhöhungen betroffen war und die Erzeugerpreise sehr stark stiegen.

Für die privaten Haushalte wird sich 2008 die Preissituation aber nicht entspannen – Produkte, die sich bereits verteuert haben (z. B. Milchprodukte, Getreideprodukte), werden voraussichtlich im kommenden Jahr nicht billiger werden. Da Getreide auch als Futtermittel eingesetzt wird, dürfte Fleisch etwas verzögert ebenfalls vom Preisauftrieb erfasst werden. Eine im Jahresabstand niedrigere Inflationsrate ist frühestens im 2. Halbjahr 2008 zu erwarten.

Konsequenzen und Handlungsoptionen

Hohe Preise von Agrarprodukten stimulieren das Angebot dadurch, dass es sich lohnt, mehr von kurzfristig variablen Inputs (z. B. Dünger) einzusetzen. Mittelfristig werden auch Investitionen lohnender (z. B. die Züchtung von leistungsfähigerem Saatgut). Höhere Energiepreise lenken den technischen Fortschritt in Richtung energieeffizienterer Verfahren (z. B. gezieltere Düngung, biologische Wirtschaftsweise und Minimalbodenbearbeitung). Höhere Weltmarktpreise dürften eine Angleichung von Erträgen und Leistungen in den verschiedenen Weltregionen bewirken. Das Potential zur Produktionsausweitung ist beträchtlich (z. B. durchschnittliche Jahresmilchleistung je Kuh 2005: Neuseeland 3,8 t, EU 15 6,5 t).

Im globalen Maßstab spielt die Produktion von Lebensmitteln im eigenen Haushalt (in den Entwicklungs-, aber auch in den Schwellenländern) noch eine wichtige Rolle. Hohe Marktpreise erhöhen tendenziell die Eigenversorgung. Auch in Industrieländern können die Auswirkungen der Lebensmittelverteuerung auf die Haushaltsausgaben abgeschwächt werden. Dazu sind allerdings Konsum- und Verhaltensänderungen nötig. Aufgrund von unsachgemäßer Lagerung und Verschwendung werden nicht alle nachgefragten Nahrungsmittel tatsächlich verbraucht. Die Verteuerung dürfte ein höheres Maß an Sorgfalt auslösen. Eine Änderung der Ernährungsgewohnheiten in den westlichen Industrieländern, durch welche die Nachfrage nach Eiern, Schweine- und Geflügelfleisch gesenkt wird, könnte die Nachfrage nach Agrarrohstoffen deutlich senken, da die in der Fütterung verwendeten Eiweiß- und Stärketräger vielfach auch für den menschlichen Verzehr geeignet sind.

Bereits durch kurzfristige Maßnahmen kann die Wirtschaftspolitik das Preisniveau unmittelbar beeinflussen (z. B. durch Zollsenkungen). Maßnahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik (etwa die Abschaffung der Verpflichtung zur Flächenstilllegung, die Beseitigung von Milchquoten) dürften bereits ab dem Jahr 2008 eine leichte Zunahme der Produktion in der EU bewirken. Im Programm der ländlichen Entwicklung (der "zweiten Säule" der Gemeinsamen Agrarpolitik) werden darüber hinaus beträchtliche Mittel zur Steigerung der Produktivität eingesetzt. In den laufenden Verhandlungen zur Liberalisierung des Handels ist die Beseitigung von Handelsbarrieren für Agrargüter ein wichtiges Thema. Sie dürfte zur Steigerung der Effizienz des globalen Ressourceneinsatzes beitragen und damit tendenziell Agrargüter verbilligen. Auch im Bereich der Bereitstellung von biogenen Rohstoffen zur Energieerzeugung könnten die Wechselwirkungen mit den Märkten für Nahrungsmittel geringer gehalten werden (z. B. durch den vermehrten Einsatz von Stroh zur Wärmegewinnung).

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem WIFO-Monatsbericht 12/2007!