20. Dezember 2007 12:00 • Prognose für 2008 und 2009: Wirtschaftswachstum verlangsamt sich • Markus Marterbauer

Das Wachstum der österreichischen Wirtschaft schwächt sich von real 3,4% im Jahr 2007 auf 2,2% im Jahr 2008 ab. Ein erster Ausblick auf das Jahr 2009 lässt eine Rate von etwa +2% erwarten. Dies geht überwiegend auf eine Verschlechterung der internationalen Rahmenbedingungen – den Konjunktureinbruch in den USA, die Krise auf den Finanzmärkten sowie die Aufwertung des Euro – zurück. Zudem verlangsamt sich in Österreich die Ausweitung der Investitionen, und der private Konsum kann aufgrund der geringen Steigerung der Realeinkommen keine tragende Rolle für die Konjunktur übernehmen. Dazu trägt auch die markante Erhöhung der Inflationsrate bei – sie erreicht im Jahr 2008 2,6%. Aufgrund der Verlangsamung des Wirtschaftswachstums verharrt die Arbeitslosenquote bei 6¼% der Erwerbspersonen (bzw. 4¼% laut Eurostat).

Österreichs Exportindustrie verzeichnete in den Jahren 2006 und 2007 einen Boom. Sie profitierte von der günstigen Lage der Weltwirtschaft, ihrer guten Marktposition in den rasch wachsenden Volkswirtschaften Ost- und Südosteuropas sowie ihrer hohen preislichen Wettbewerbsfähigkeit. Warenexport und Sachgütererzeugung wurden real um 7% bis 8% ausgeweitet – so stark, dass sogar die Zahl der Industriebeschäftigten stieg. Der Höhepunkt der Konjunktur wurde im 1. Halbjahr 2007 überschritten. Frühindikatoren wie der WIFO-Konjunkturtest kündigen eine allmähliche Abschwächung dieses Booms an, vor allem weil sich seit dem Sommer 2007 die internationalen Rahmenbedingungen verschlechtern:

  • Ausgehend von einem Einbruch der Wohnbauinvestitionen und der Hauspreise lassen die Konsumnachfrage und das Wirtschaftswachstum in den USA nach, das BIP wird 2008 und 2009 real um nur gut 1½% pro Jahr wachsen; damit verliert ein wichtiger Wachstumsmotor der Weltwirtschaft merklich an Kraft.

  • Die Vertrauens- und Kreditkrise auf den internationalen Finanzmärkten hält an, Kredite werden knapper, die Finanzierungsbedingungen verschlechtern sich, und die Unsicherheit steigt – dies bremst die Investitionen.

  • Die markante Aufwertung des Euro beeinträchtigt die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie und schwächt damit das wichtigste Standbein der Konjunktur im Euro-Raum; die Wachstums- und Zinsdifferenzen zwischen den USA und Europa machen eine Fortsetzung der Dollarabwertung wahrscheinlich. Die Wirtschaft dürfte im Euro-Raum im Jahr 2008 real um nur noch 1,9% und im Jahr 2009 um 1,7% wachsen.

  • Allerdings treffen diese dämpfenden Effekte die Weltwirtschaft in einer Phase robuster Expansion, die vor allem von den asiatischen Schwellenländern getragen wird. Das Wachstum der Weltwirtschaft dürfte sich von real gut 5% (2007) auf etwa 4½% abschwächen.

Übersicht 1: Hauptergebnisse der Prognose

 200420052006200720082009
 Veränderung gegen das Vorjahr in %
Bruttoinlandsprodukt      
  Real

+2,3

+2,0

+3,3

+3,4

+2,2

+2,0

  Nominell

+4,4

+3,9

+5,1

+5,8

+4,6

+4,0

Sachgütererzeugung1), real

+2,4

+3,1

+8,8

+7,8

+3,3

+3,0

Handel, real

+1,1

+0,2

+1,0

+1,3

+1,8

+1,8

Private Konsumausgaben, real

+1,8

+2,0

+2,1

+1,6

+1,9

+1,9

Bruttoanlageinvestitionen, real

+0,1

+0,3

+3,8

+5,0

+2,5

+1,9

  Ausrüstungen2)

–1,4

+0,7

+2,1

+5,0

+2,5

+1,0

  Bauten

+1,3

+0,1

+5,1

+5,0

+2,5

+2,5

Warenexporte3)

 

 

 

 

 

 

  Real

+12,5

+3,2

+6,8

+8,0

+6,3

+6,0

  Nominell

+13,9

+5,4

+9,5

+9,8

+7,3

+6,5

Warenimporte3)

 

 

 

 

 

 

  Real

+11,7

+2,8

+3,8

+7,1

+6,2

+5,9

  Nominell

+12,5

+5,9

+8,0

+8,4

+7,5

+6,6

Leistungsbilanzsaldo4)Mrd. Euro

+3,99

+5,16

+7,11

+9,32

+9,37

+10,11

in % des BIP

+1,7

+2,1

+2,8

+3,4

+3,3

+3,4

Sekundärmarktrendite5)in %

4,2

3,4

3,8

4,3

4,1

4,4

Verbraucherpreise

+2,1

+2,3

+1,5

+2,1

+2,6

+2,1

Arbeitslosenquote

 

 

 

 

 

 

  In % der Erwerbspersonen (Eurostat)6)

4,8

5,2

4,8

4,3

4,2

4,3

  In % der unselbständigen Erwerbspersonen7)

7,1

7,3

6,8

6,2

6,2

6,3

Unselbständig aktiv Beschäftigte8)

+0,7

+1,0

+1,7

+2,0

+0,9

+0,7

Finanzierungssaldo des Staates
(laut Maastricht-Definition)in % des BIP

–1,2

–1,6

–1,4

–0,6

–0,7

–0,6

Q: WIFO-Konjunkturprognose. –  1) Nettoproduktionswert, einschließlich Bergbau. –  2) Einschließlich sonstiger Anlagen. –  3) Laut Statistik Austria. –  4) Neue Berechnungsmethode. –  5) Bundesanleihen mit einer Laufzeit von 10 Jahren (Benchmark). –  6) Labour Force Survey. –  7) Laut Arbeitsmarktservice. –  8) Ohne Bezug von Karenz- bzw. Kinderbetreuungsgeld, ohne Präsenzdienst, ohne in der Beschäftigungsstatistik erfasste arbeitslose Personen in Schulung.

Das WIFO nimmt deshalb an, dass sich das Wachstum der österreichischen Ausfuhr im Prognosezeitraum etwas verlangsamt. Der Export von Gütern und Dienstleistungen dürfte real um 5½% pro Jahr zunehmen. In der Folge wird auch der Boom in der Sachgütererzeugung abflauen, das Wachstum der Wertschöpfung verringert sich auf etwa 3% pro Jahr. Die gute Exportkonjunktur übertrug sich schon im Jahr 2007 weniger als erwartet auf die Ausrüstungsinvestitionen, die trotz hoher Unternehmensgewinne real um nur 5% zunahmen. Die ersten Ergebnisse des WIFO-Investitionstests vom Herbst 2007 lassen bereits für das Jahr 2008 eine Verlangsamung des Wachstums der Investitionsaktivitäten erkennen. Dies gilt auch für die Bauwirtschaft, deren Boom 2006 und 2007 nicht nur eine kräftige Ausweitung der Beschäftigung, sondern auch starke Preiserhöhungen auslöste. Tiefbau und Wohnbau werden im Prognosezeitraum zwar weiter stetig expandieren, im Industrie- und Geschäftsbau lässt hingegen die Dynamik etwas nach. Die Wertschöpfung der gesamten Bauwirtschaft dürfte real um etwa 2½% zunehmen.

Im Gegensatz zur Hochkonjunktur der Jahre 1998 bis 2000 hat sich im Aufschwung 2006 und 2007 die Konjunktur nie auf die Konsumnachfrage der privaten Haushalte übertragen, das Konsumwachstum schwächte sich zuletzt sogar auf nur noch 1,6% ab. Auch für 2008 kann trotz höherer Lohnrunden keine markante Ausweitung der Haushaltsausgaben erwartet werden. Die Einkommenszuwächse werden durch eine merkliche Beschleunigung des Preisauftriebs kompensiert – die Inflationsrate wird in den kommenden Monaten auf über 3% steigen und im Jahresdurchschnitt 2008 2,6% betragen. Der kräftige Preisauftrieb geht vor allem auf den starken Anstieg der Kosten von Nahrungsmitteln und Energie zurück. Dies wirkt deshalb besonders konsumdämpfend, weil diese Bereiche in den Haushaltsausgaben der unteren, konsumfreudigen Einkommenschichten außerordentlich großes Gewicht haben. Die Konsumnachfrage dürfte im Prognosezeitraum real um nur 1,9% zunehmen.

Die Abschwächung des Wirtschaftswachstums bringt eine Verlangsamung des Beschäftigungsanstiegs mit sich. Die Zahl der aktiv unselbständig Beschäftigten dürfte im Jahr 2008 um 30.000 und 2009 um 22.000 zunehmen. Dies ist zu wenig, um bei stetigem Wachstum der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter, steigenden Erwerbsquoten und anhaltendem Zustrom an ausländischen Arbeitskräften die Zahl der Arbeitslosen zu verringern. Das WIFO prognostiziert für den Jahresdurchschnitt 2008 und 2009 eine Arbeitslosenzahl von gut 220.000; das entspricht einer Arbeitslosenquote von 6¼% der unselbständigen Erwerbspersonen laut traditioneller österreichischer Berechnungsmethode bzw. 4¼% der Erwerbspersonen laut Eurostat.

Die Dämpfung des Beschäftigungs- und Gewinnwachstums bringt mit einer gewissen Verzögerung auch eine Verringerung der Dynamik der Staatseinnahmen mit sich. Gleichzeitig hat die Bundesregierung zusätzliche Ausgaben in den Bereichen Forschung, Bildung und soziale Absicherung beschlossen. Das WIFO erwartet, dass sich der Finanzierungssaldo der öffentlichen Haushalte laut Maastricht-Definition bei etwa –0,6% des BIP stabilisieren wird. Vor allem für das Jahr 2009 muss dieser Ausblick aber vage bleiben, da noch kein Budgetvoranschlag der Gebietskörperschaften vorliegt.

Die schwache Übertragung der ausgezeichneten Exportkonjunktur auf die Investitionstätigkeit, das Ausbleiben einer Beschleunigung der Konsumnachfrage der privaten Haushalte und die Auswirkungen der Krise auf den internationalen Finanzmärkten bremsen den heimischen Konjunkturaufschwung früher als erhofft. Das Wirtschaftswachstum wird zwar die Rate des Euro-Raums neuerlich übersteigen, aber bereits leicht unter den langjährigen österreichischen Durchschnitt sinken. Damit ist ein weiterer Abbau der Arbeitslosigkeit und des Budgetdefizits wenig wahrscheinlich. Sollten sich die externen Rahmenbedingungen noch deutlicher verschlechtern, dann besteht das Risiko einer stärkeren Konjunkturabschwächung als hier unterstellt.

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem WIFO-Monatsbericht 1/2008!