27. September 2007 • Automatische Stabilisatoren und Reduzierung von Unsicherheit als Gegenstrategie zu kurz- und mittelfristigen Schwankungen. Ergebnisse der "Conference on the Interrelation of Cycles and Growth" von WIFO und Kommunalkredit • Sandra Steindl

Das WIFO und die Kommunalkredit veranstalteten diese Woche – mit Unterstützung der OeNB – eine internationale Tagung über den Zusammenhang von Wachstum und Konjunktur. Die Konferenz wurde zu Ehren des 70. Geburtstags von Professor Gunther Tichy, einem langjährigen Mitarbeiter und heutigen Konsulenten des WIFO ausgerichtet. Ziel der Tagung war, die Wechselwirkungen von langfristigem Wirtschaftswachstum und Konjunkturschwankungen zu beleuchten. Da die kurz- und mittelfristigen Schwankungen zumindest teilweise ähnliche Ursachen haben und auch nicht einfach zu trennen sind, sollten wirtschaftspolitische Maßnahmen getroffen werden, die nicht nur kurzfristig stabilisierend wirken, sondern zugleich auch das langfristige Wirtschaftswachstum fördern.

Die Konferenz widmete sich der gemeinsamen Erklärung von Wirtschaftswachstum und Konjunkturzyklen. Neben dem internationalen wissenschaftlichen Austausch standen wirtschaftspolitische Schlussfolgerungen im Mittelpunkt.

Nach der Begrüßung durch Reinhard Platzer, Direktor der Kommunalkredit, unterstrich WIFO-Leiter Karl Aiginger in seiner Eröffnungsansprache die Notwendigkeit einer gemeinsamen Konjunktur- und Wachstumspolitik. Besonders in langen Schwächephasen mit hoher Arbeitslosigkeit, wie sie in Europa in den Jahren 2001 bis 2006 vorherrschte, sei die Trennung der Wirtschaftspolitik zur Stabilisierung kurzfristiger Schwankungen einerseits und zur Bekämpfung mittelfristiger Schwächephasen andererseits nicht förderlich.

Die Hauptreferenten entstammten vorwiegend dem internationalen akademischen Kreis, darunter Robert Hall von der Stanford University und Diego Comin von der Harvard University. Mit Vorträgen und Diskussionen beteiligten sich Persönlichkeiten aus Wirtschaftsforschungsinstituten, österreichischen Universitäten sowie der heimischen Wirtschaftspolitik. Die Konferenzbeiträge behandelten die integrative Erklärung von langfristigem Wachstum und Konjunkturschwankungen sowohl aus theoretischer als auch aus empirischer Sicht. Die Wechselwirkungen ermöglichen wirtschaftspolitische Maßnahmen, welche kurzfristig stabilisierend wirken, aber auch mittelfristig das Wirtschaftswachstum beeinflussen.

Den Abschluss der Tagung bildete eine prominent besetzte Paneldiskussion über die wirtschaftspolitischen Schlussfolgerungen. Sie brachte folgende Hauptergebnisse:

Mittelfristige Schwankungen sind heute stärker als kurzfristige Schwankungen. Kurzfristige Schwankungen sind besonders durch die gemeinsame Geldpolitik in der Eurozone und durch niedrigere (und nach Ländern weniger unterschiedliche) Inflationsraten geringer geworden.

Kurzfristige und mittelfristige Schwankungen werden durch ähnliche Faktoren verursacht. Technologische Entwicklungen, Innovationen, Veränderung der Präferenzen sowie Investitionen in Sachkapital, aber zunehmend auch in Forschung und Ausbildung sind zentral sowohl in der Verursachung der Schwankungen als auch in ihrer Gegensteuerung. Kurzfristige Schwankungen werden durch psychologische Faktoren, Unsicherheiten und Nachfrageveränderungen ausgelöst.

Die Frage, ob wirtschaftliche Schwankungen Vor- oder Nachteile haben, ist theoretisch und empirisch nicht eindeutig zu beantworten. Kleinere Schwankungen haben durchaus auch Vorteile, sie ermöglichen eine Neuorientierung und das Ausscheiden ineffizienter Unternehmen. Größere Schwanken bringen erhebliche Nachteile: größere Unsicherheit, unterschiedliche Auslastung im Zyklus sowie Verlust von Qualifikationen. Das optimale Ausmaß an wirtschaftlichen Schwankungen zu bestimmen ist schwierig, die empirische Forschung ist hier zu verstärken.

Grundsätzlich soll die Wirtschaftspolitik versuchen, Schwankungen auszugleichen. Überwiegend zeigt sich, dass eine Volkswirtschaft mit geringen Schwankungen mittelfristig ein höheres Wachstum und niedrigere Arbeitslosigkeit aufweist. Es wäre generell besser und billiger, Schocks zu vermeiden als ihnen entgegenzusteuern

Da der Ausgleich besonders kurzfristiger Schwankungen aufgrund von Informationsdefiziten, Handlungs- und Wirkungsverzögerungen nicht einfach ist, soll er primär mit Maßnahmen erfolgen, die automatisch wirken und auch längerfristig vorteilhaft sind. In einer Rezession sollten ausgabenseitige Maßnahmen mit externen Effekten forciert werden, in der Hochkonjunktur sind Liberalisierungsmaßnahmen mit anfänglich restriktivem Effekt geeignet. Die Stabilisierungswirkung ist in einem größeren wirtschaftspolitischen Raum – dem europäischen Wirtschaftsraum – deutlich stärker als in kleinen Ländern.

Das Wirken von automatischen Stabilisatoren soll verstärkt werden, d. h. die Staatsausgaben sollen ohne Gesetzesänderung steigen, wenn die Wirtschaftsdynamik nachlässt, und sie sollen sinken, wenn die Konjunktur besser ist.

Mit dieser Konferenz würdigte das WIFO die jahrzehntelange Arbeit von Professor Gunther Tichy, welcher vor allem im Bereich der Konjunkturforschung in Österreich eine Vorreiterrolle innehat. Als ehemaliger Mitarbeiter blieb Gunther Tichy stets in Kontakt mit dem WIFO und übernahm bei der Verfassung des WIFO-Weißbuches im Herbst 2006 die Rolle des wissenschaftlichen Koordinators.

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem WIFO-Monatsbericht 10/2007!