7. September 2007 • Naturgefahren und die Effizienz des Risikomanagements – Der Einfluss von staatlichen Entschädigungen • Franz Sinabell, Thomas Url

Österreich ist Naturgefahren in besonderem Maß ausgesetzt. Neben der natürlichen Gefährdung tragen aber auch Fehler im Risikomanagement zum hohen Schadensausmaß bei. Mängel in der Raumplanung haben zur Folge, dass 12% des Gebäudebestands durch Hochwasser potentiell gefährdet sind, fast 9% gelten als potentiell hochgefährdet. Änderungen der Klimabedingungen steigern möglicherweise das derzeitige Gefährdungspotential. Die Stärkung der privaten Vorsorge ist ein Schlüssel zur Bewältigung dieser Herausforderungen. Eine effiziente Risikoteilung umfasst den Rückzug des Staates aus der laufenden Schadensabdeckung, einen breiten (oft verpflichtenden) Versicherungsschutz potentiell Betroffener und eine starke Beteiligung des Staates in der Vorsorge, im Katastrophenschutz und in der Krisenbewältigung während des Eintritts von Extremereignissen.

Aufgrund der topographischen Gegebenheiten ist Österreich Naturgefahren besonders ausgesetzt. In den letzten Jahren verursachten große Hochwasserereignisse beträchtliche Schäden (2002 etwa 2,9 Mrd. Euro, 2005 etwa 0,6 Mrd. Euro). Das Ausmaß der volkswirtschaftlichen Schäden übersteigt meist die direkten Sachschäden, weil die Wiederherstellung von Infrastruktur Ressourcen bindet und Ökoschäden eine regelmäßige Begleiterscheinung von Naturereignissen sind. Ein verbessertes Risikomanagement verringert die wirtschaftlichen Folgen von Naturereignissen.

Die Effizienz des Risikomanagements hängt von der Koordination dreier Gruppen von Akteuren (potentiell Geschädigte, öffentliche Einrichtungen, Versicherungswirtschaft) in den drei Phasen von Elementarereignissen ab: Schadenprävention im Vorfeld von Elementarereignissen, eine rasche Umsetzung schadenmindernder Maßnahmen während des Ereignisses und eine umgehende Entschädigung der Betroffenen zu vorhersehbaren Konditionen nach dem Schadeneintritt tragen zur Minimierung des Schadenausmaßes bei.

Die Analyse der Ereignisse von 2002 deckte in allen drei Phasen Mängel auf. Durch Koordinationsprobleme von Gebietskörperschaften wurden Flächen mit hohem Gefahrenpotential zur Verbauung gewidmet. Fast 9% des Gebäudebestands befinden sich auf Flächen mit potentiell hoher Gefährdung (Abbildung 1 und Übersicht 1). In diesen Zonen wurden zu wenige Maßnahmen zur Schadenprävention an Bauten umgesetzt. Das Fehlen von Informationen über schadenminderndes Verhalten während der Ereignisse hatte die Ausweitung der Schäden zur Folge. Trotz großer Aufwendungen des Staates und hoher Leistungen der privaten Versicherungswirtschaft trugen private Haushalte und Unternehmen annähernd 20% der gesamten Schadensumme selbst. In vielen Einzelfällen war dieser Anteil deutlich höher.

In Österreich spielt der Staat in allen drei Phasen des Risikomanagements eine bedeutende Rolle. In der Phase vor Schadeneintritt umfasst dies die Ausweisung der Gefahrenzonen, die Errichtung von Dämmen und anderen Bauwerken, die zu einer Minderung des Schadenrisikos beitragen. Das Betreiben von Informationssystemen und Warndiensten zählt ebenso dazu wie die vorsorgende Unterstützung von Feuerwehren und Katastrophendiensten. Der Staat beteiligt sich auch am Risikotransfer, also der Entschädigung Betroffener. Eine unerwünschte Folge des Nebeneinanders staatlicher und privater Risikotransfermechanismen ist, dass Schäden von Naturgefahren nur unzureichend versichert werden. Risikoadäquate Prämien lösen Anreize zur Vorsorge aus (z. B. Meidung von Gefahrenzonen und risikoangepasstes Bauen). Da nur wenige Haushalte spezielle Versicherungen gegen Naturgefahren abschließen, kommen diese Anreize nicht zum Tragen.

In Österreich sollte der Staat weiterhin eine zentrale Rolle in der Schadensvorbeugung und der Krisenintervention wahrnehmen. Auch die zügige Wiederherstellung der Infrastruktur nach Naturkatastrophen ist eine wichtige Staatsaufgabe. Der Staat sollte sich aber aus der Beihilfeleistung nach Naturereignissen zurückziehen, ohne dabei die soziale Dimension von Katastrophenschäden zu vernachlässigen. Für Elementarrisken kann der Markt Versicherungsschutz anbieten, wenn eine ausreichende Nachfrage zustande kommt. Dazu müssen alle Anreize, die die private Vorsorge schwächen, wie z. B. die Auszahlungen des Katastrophenfonds, aufgehoben werden.

Abbildung 1: Anteil der gemäß HORA durch Hochwasser gefährdete Objekte je Gemeinde

Q: HORA; Land-, forst- und wasserwirtschaftliches Rechenzentrum GmbH; Adress. Certified (AC) Geo Daten 2005; WIFO-Berechnungen. Anmerkungen siehe Übersicht 1.

Vor dem Hintergrund der spezifischen Situation Österreichs kann folgende Lösung für Risken aus Naturgefahren eine Verbesserung gegenüber der Ist-Situation bringen: Die öffentliche Hand sollte sich aus der direkten Schadenkompensation an Privathaushalte zurückziehen, gleichzeitig sollte eine verpflichtende Versicherung für gefährdete Privathaushalte mit risikoadäquaten Prämien eingerichtet werden. Dadurch wird eine Umverteilung zwischen Risikogruppen vermieden. An einkommenschwache Haushalte sollten Gemeinden einen Zuschuss zur Versicherungsprämie auszahlen. Damit bleiben Versicherungen auch in Hochrisikozonen leistbar, und die Gemeinden haben über die risikoadäquate Umsetzung von Bebauungsvorschriften eine Mitverantwortung für das hohe Gefährdungspotential in einzelnen Gebieten. In Zukunft bestünde somit für Gemeinden ein finanzieller Anreiz zur Bedachtnahme auf Naturgefahren bei der Widmung von Flächen zu Bauland. Die Kenntnis über die Lage der versicherten Werte könnte in weiterer Folge dazu beitragen, dass öffentliche Vorsorgemaßnahmen bevorzugt dort gesetzt werden, wo ihr Nutzen, also der vermiedene Schaden, am höchsten ist.

Übersicht 1: Investitionen in Schutzmaßnahmen gegen Hochwasser und öffentliche Beihilfen an Katastrophengeschädigte

Durchschnitt 2001/2005, zu Preisen von 2005

 

Investitionen in Hochwasserschutzbauten1)Öffentliche Entschädigungen an Private2)

 

Je Haushalt insgesamtJe potentiell gefährdetes Objekt3)Je Haushalt insgesamtJe potentiell gefährdetes Objekt3)
LandJährliche öffentliche Ausgaben in Euro

 

 

 

 

 

Wien

25

779

>1

9

Niederösterreich

39

315

48

386

Burgenland

177

2.214

2

29

Steiermark

36

621

13

216

Kärnten

50

699

9

133

Oberösterreich

43

642

56

798

Salzburg

43

452

30

308

Tirol

53

622

26

297

Vorarlberg

78

664

31

269

 

 

 

 

 

Österreich

44

596

25

339

 1) Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, Elektronische Daten zu den Ausgaben des Bundes für Schutzwasserbaumaßnahmen von Bundesflüssen und Interessentengewässern, Stand 5. 10. 2006, Abteilung VII/5, Wien, 2006 (mimeo), Abteilung VII/5 Hochwasserschutz; Landesrechnungsabschlüsse der einzelnen Bundesländer (Budget-Ansatz 1/63); Bundeswasserbauverwaltung (2007). –  2) Mitteilungen des Bundesministeriums für Finanzen zu Ausgaben des Katastrophenfonds (veschiedene Jahrgänge) und Landesrechnungsabschlüsse. Entschädigungen an Private wurden neben Haushalten auch an Unternehmen ausgezahlt. Entschädigungen werden nicht nur an Opfer von Hochwasserereignissen gewährt. –  3) Zonen potentieller Gefährdung gemäß HORA (Definition siehe http://www.hochwasserrisiko.at).

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem WIFO-Monatsbericht 6/2007: Franz Sinabell, Thomas Url, "Effizientes Risikomanagement für Naturgefahren am Beispiel von Hochwasser", Download 15 Euro: http://www.wifo.ac.at/wwa/jsp/index.jsp?fid=23923&id=29322&typeid=8&display_mode=2!