14. August 2007 • Anhaltende Hochkonjunktur, aber zunehmende Risken • Ewald Walterskirchen

Laut aktueller WIFO-Schnellschätzung wuchs die österreichische Wirtschaft im II. Quartal gegenüber dem Vorquartal um 1% und gegenüber dem Vorjahr um 3,8%. Die Dynamik war damit noch höher als im I. Quartal. Warenexport und Investitionen sind weiterhin die tragenden Säulen des Konjunkturaufschwungs, der private Konsum zeigt dagegen kaum Anzeichen einer Belebung. Für das 2. Halbjahr deuten die Turbulenzen auf den Finanzmärkten auf erhöhte Risken hin.

Der WIFO-Konjunkturtest vom Juli zeigt eine anhaltende Hochstimmung in Industrie und Gewerbe. 41% der befragten Unternehmen beurteilen ihre derzeitige Geschäftslage als gut, nur 10% sind damit nicht zufrieden. In den letzten Monaten hat sich diese Beurteilung allerdings nicht mehr weiter verbessert.

Die Konsumenten erwarten zwar eine Verbesserung der Wirtschaftslage, sie schätzen jedoch ihre aktuelle finanzielle Situation ungünstiger ein als je zuvor in den letzten fünfzehn Jahren. Bei größeren Anschaffungen wollen sie deshalb sparen. Die Unzufriedenheit lässt sich damit erklären, dass die privaten Nettoeinkommen der Beschäftigten trotz des Konjunkturaufschwungs weiterhin stagnieren. Die Inflationsrate ist infolge der Verteuerung von Energie und Nahrungsmitteln gestiegen, sie erreichte im Mai und Juni die 2%-Marke. Angesichts einer Tariflohnsteigerung von lediglich 2,4% und hoher Grenzsteuersätze erhöht sich die Kaufkraft eines Privathaushalts nur dann, wenn ein zusätzliches Familienmitglied eine Beschäftigung aufnimmt.

Die Belebung der Wirtschaft schlug sich in einem kräftigen Zuwachs der Zahl der Arbeitsplätze nieder (Juli +60.700 gegenüber dem Vorjahr). Davon wird aber nur etwa ein Drittel mit Arbeitslosen besetzt. Der Rückgang der Arbeitslosigkeit (Juli –11.300) fällt deshalb, gemessen am Beschäftigungsboom, relativ gering aus. Teilweise geht dies auch auf den Abbau von Schulungsmaßnahmen – bei unverändertem Mitteleinsatz für die Arbeitsmarktpolitik – zurück.

Laut aktueller WIFO-Schnellschätzung hat sich der Aufschwung im Frühjahr neuerlich beschleunigt. Um Saison- und Arbeitstagseffekte bereinigt erhöhte sich das Bruttoinlandsprodukt in Österreich im II. Quartal gegenüber der Vorperiode real um 1%. So dynamisch hatte es sich zuletzt im Jahr 1999 entwickelt. Gegenüber dem Vorjahr betrug der Anstieg real 3,8%, nach +3,5% im I. Quartal.

Die Hauptimpulse für diese deutliche Expansion gingen abermals vom Export aus (gegenüber der Vorperiode real +1,5%); dabei wuchs sowohl die Ausfuhr von Waren (+1,4%) als auch von Dienstleistungen (+1,6%) kräftig. Die lebhafte Konjunktur ließ auch den Import weiter steigen (real +1%). Hier expandierte die Wareneinfuhr (+1,2%) stärker als der Dienstleistungsimport (+0,7%).

Die um Saison- und Arbeitstagseffekte bereinigten Bruttoanlageinvestitionen erhöhten sich im II. Quartal mit real +0,8% gegenüber der Vorperiode langsamer als im I. Quartal (+1,5%). Dabei spielte das milde Wetter zu Jahresanfang eine entscheidende Rolle, es begünstigte vor allem die Bauinvestitionen im I. Quartal. Diese expandierten im II. Quartal mit real +0,6% wesentlich langsamer als in der Vorperiode (+1,4%). Die Ausrüstungsinvestitionen stiegen im II. Quartal mit real +1,5% abermals kräftig. Allerdings war das Wachstum in dieser Investitionsgüterkategorie für einen Konjunkturaufschwung relativ schwach. In den kommenden Quartalen ist mit einer deutlichen Beschleunigung zu rechnen, wie auch die Ergebnisse des WIFO-Investitionstests erwarten lassen.

Übersicht 1: Ergebnisse der WIFO-Schnellschätzung der vierteljährlichen Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung

 20062007
 I. QuartalII. QuartalIII. QuartalIV. QuartalI. QuartalII. Quartal
 Saison- und arbeitstagsbereinigt, Veränderung gegen das Vorquartal in %, real
Verwendung des Bruttoinlandsproduktes      
Konsumausgaben      
  Private Haushalte1)

+0,5

+0,4

+0,4

+0,3

+0,3

+0,6

  Staat

+0,6

+0,5

+0,5

+0,3

+0,1

+0,2

Bruttoinvestitionen

+0,2

+0,5

+1,1

+1,2

+1,2

+0,9

Exporte

+1,6

+1,7

+1,9

+2,1

+1,7

+1,5

Importe

+1,1

+1,3

+1,6

+1,7

+1,3

+1,0

Bruttoinlandsprodukt

+0,7

+0,8

+0,9

+0,8

+0,9

+1,0

 

 

 

 

 

 

 

Bruttoinlandsprodukt nach Wirtschaftsbereichen

 

 

 

 

 

 

Land- und Forstwirtschaft

–0,3

–0,2

+0,0

+0,0

–0,5

–0,8

Produzierender Bereich2)

+1,9

+1,6

+1,6

+2,4

+2,5

+2,5

Bauwesen

+1,0

+1,7

+2,3

+1,8

+0,7

+0,2

Handel, Gastgewerbe und Verkehr

+0,6

+0,5

+0,4

+0,5

+0,4

+0,3

Vermögens- und Unternehmensdienstleistungen3)

+0,5

+0,6

+0,6

+0,8

+1,0

+1,0

Sonstige Dienstleistungen4)

+0,6

+0,1

+0,3

+0,0

–0,3

+0,1

Gütersteuern

+0,0

+0,1

+0,3

+0,6

+0,8

+0,6

Gütersubventionen

+3,1

+2,1

+1,1

+0,3

–0,6

–0,0

       
 Veränderung gegen das Vorjahr in %
       
Bruttoinlandsprodukt, real

+4,1

+2,8

+3,0

+3,4

+3,5

+3,8

Q: WIFO. –  1) Einschließlich privater Organisationen ohne Erwerbszweck. –  2) Bergbau, Sachgütererzeugung, Energie- und Wasserversorgung. –  3) Kreditinstitute und Versicherungen, Grundstücks- und Wohnungswesen. –  4) Öffentliche Verwaltung, Landesverteidigung, Sozialversicherung, private Dienstleistungen.

Nach wie vor weist der Konsum der privaten Haushalte nur wenig Dynamik auf. Das Wachstum lag zwar im II. Quartal bei 0,6% gegenüber der Vorperiode, das I. Quartal war jedoch durch den im milden Winter geringen Energieverbrauch nach unten verzerrt. Während in einigen Konsumgüterkategorien sehr wohl konjunkturtypische Steigerungen zu beobachten waren, zeigten sich für die Anschaffungen von Fahrzeugen noch keinerlei Auftriebstendenzen. Der öffentliche Konsum expandierte mit +0,2% schwächer als der private.

Entsprechend der regen Entwicklung im Außenhandel profitierte vom Aufschwung vor allem die Sachgütererzeugung. Mit real +2,6% (saison- und arbeitstagsbereinigt) war das zweite Mal in Folge das höchste Wertschöpfungswachstum seit Beginn der Quartalsrechnung (1988) zu beobachten. Ebenfalls kräftig (+1,5%) expandierte das Realitätenwesen, welches die sehr konjunkturabhängigen unternehmensnahen Dienstleistungen umfasst. In der Bauwirtschaft fiel das Wachstum schwächer aus (+0,2%) als in dem vom milden Winterwetter begünstigten I. Quartal (+0,7%). Die Baukonjunktur scheint allmählich an Kraft zu verlieren.

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem WIFO-Monatsbericht 8/2007!