14. März 2007 • Einhebung und Gestaltung der Entgelte für die Straßenbenutzung • Wilfried Puwein

In der aktuellen verkehrspolitischen Diskussion geht es um die Einführung einer Streckenmaut anstelle der Vignette für Pkw, primär zwecks Erhöhung der Mauteinnahmen für den Straßenbau. Vorgeschlagen wurde auch die Anhebung der Mineralölsteuer um einen für die ASFINAG zweckgebundenen Betrag. Eine Anhebung des Mineralölsteuersatzes würde viele kurz- und längerfristige Anpassungsprozesse auslösen, die nicht nur den Kraftstoffverbrauch, sondern auch die Umweltkosten (Emissionen von CO2, Schadstoffen und Lärm) sowie generelle Staukosten, aber auch Unfallkosten beeinflussen; die Kosten der Einhebung und Kontrolle sind für die Mineralölsteuer unerheblich. Um die Nachhaltigkeit des Verkehrs zu verbessern, erscheint deshalb als die günstigste Lösung die Einhebung des Straßenbenutzungsentgeltes in Form der Mineralölsteuer. Zu diesem Ergebnis kommt das WIFO in seinem jüngsten Monatsbericht.

Derzeit ist in Österreich für die Benutzung des Autobahn- und Schnellstraßennetzes mit Fahrzeugen mit einem höchstzulässigen Gesamtgewicht bis 3,5 t ein Entgelt in Form von Zeitpauschalen ("Vignette") und von fahrtleistungsabhängigen Mauten für die Sonderstrecken (alpenquerende Autobahnen und Tunnels) zu leisten. Für Fahrzeuge mit höherem Gesamtgewicht wird auf diesem Netz eine fahrleistungsabhängige Maut eingehoben ("Lkw-Maut" für Lkw und Busse). Der Kfz-Verkehr wird zusätzlich durch verschiedene spezifische Abgaben belastet, die als allgemeine Einnahmen an den Bund fließen. Diesen Abgaben kann u. a. die Funktion einer Abgeltung der Kosten des niedrigrangigen Straßennetzes und der externen Kosten des Kfz-Verkehrs (Umwelt- und Unfallkosten) zugesprochen werden. Im Sinne eines leistungsfähigen, effizienten und nachhaltigen Verkehrsangebotes sollten die Benutzerentgelte so gestaltet werden, dass

  • das Straßennetz bedarfsgerecht ausgebaut und betrieben und

  • die Nachhaltigkeit verbessert werden kann (Anreiz zur Senkung der Lärm- und Schadstoffemissionen sowie der Unfallzahlen).

Die Einhebungs- und Kontrollkosten sollten möglichst gering, die Akzeptanz bei den Autofahrern hoch sein.

In Österreich sind zurzeit nur die Mauteinnahmen der ASFINAG für die Finanzierung des (hochrangigen) Straßennetzes zweckgebunden. Sie erreichten 2006 1,25 Mrd. Euro (Übersicht 1). 34% aller Mauten kamen von Fahrzeugen mit einem höchstzulässigen Gesamtgewicht bis 3,5 t (im Wesentlichen Pkw).

Übersicht 1: Einnahmen der ASFINAG aus Sondermaut, Lkw-Maut und Vignette

 SondermautLkw-MautVignetteInsgesamt
 Mio. Euro
     
1993155,7  155,7
1994171,1  171,1
1995190,8  190,8
1996228,5  228,5
1997225,3 191,9417,2
1998237,6 188,6426,2
1999237,4 191,0428,4
2000255,7 200,0455,7
2001256,3 307,2563,5
2002260,6 310,1570,7
2003256,3 314,4570,7
2004111,61)750,52)296,61.158,7
2005113,41)775,2²)303,51.192,1
2006³)115,0¹)825,0²)308,01.248,0

Q: ASFINAG-Geschäftsberichte. –  1) Nur Fahrzeuge mit einem Gesamtgewicht bis 3,5 t. –  2) Einschließlich Sondermautstrecken. – ³) Vorläufig.

Übersicht 2: Einnahmen aus Kfz-spezifischen Abgaben

 MineralölsteuerKfz-Steuer und motorbezogene VersicherungssteuerNormverbrauchs­abgabeInsgesamt
 Mio. Euro
     
1990

1.425,7

453,3

 

1.879,0

1991

1.504,3

471,8

 

1.976,1

1992

1.830,4

484,0

320,1

2.634,5

1993

1.840,4

465,1

343,5

2.649,0

1994

1.969,3

606,7

334,8

2.910,7

1995

2.286,2

662,7

344,6

3.293,6

1996

2.632,9

700,5

399,9

3.733,3

1997

2.516,6

754,1

388,3

3.659,0

1998

2.590,6

834,5

391,2

3.816,2

1999

2.695,0

848,0

438,9

3.982,0

2000

2.725,7

1.107,3

433,4

4.266,4

2001

2.880,5

1.283,8

422,5

4.586,8

2002

3.108,7

1.386,1

414,5

4.909,3

2003

3.310,0

1.424,7

449,7

5.184,4

2004

3.594,0

1.417,1

477,0

5.488,1

2005

3.565,0

1.468,0

486,1

5.519,1

2006¹)

3.552,7

1.517,1

490,2

5.560,0

Q: Bundesministerium für Finanzen, Bundesrechnungsabschluss. – ¹) Vorläufig.

Unter den sonstigen Kfz-spezifischen Abgaben ist die Mineralölsteuer mit Einnahmen von 3,55 Mrd. Euro am ergiebigsten (Übersicht 2). Die Mineralölsteuer war in Österreich von 1950 bis 1987 großteils für den Straßenbau zweckgebunden.

Die Kosten der Einhebung und Kontrolle sind für die Mineralölsteuer unerheblich. Produktion und Import von Kraftstoff – dem wichtigsten Betriebsmittel für Kfz – konzentrieren sich auf einige wenige, einfach zu überprüfende Unternehmen. Die Einhebungskosten erreichen für die Vignette 8%, für die Lkw-Streckenmaut 13% der Mauteinnahmen (laut ASFINAG).

Die Anhebung des Mineralölsteuersatzes löst viele kurz- und längerfristige Anpassungsprozesse aus, die den Kraftstoffverbrauch senken:

  • kraftstoffsparende Fahrweise,

  • Verringerung der Fahrleistung,

  • Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel,

  • Anschaffung von Fahrzeugen mit geringerem Kraftstoffverbrauch,

  • Entwicklung von kraftstoffsparenden Verkehrstechniken (Kraftfahrzeuge und Verkehrssteuerung).

Das Arbitragetanken ("Tanktourismus") engt den Spielraum der Kraftstoffbesteuerung in einer kleinen offenen Volkswirtschaft ein. Um das Arbitragetanken zu vermeiden, müsste europaweit ein einheitlicher Mineralölsteuersatz gelten.

Die Anhebung der Mautsätze verringert das Verkehrsaufkommen auf den mautpflichtigen Autobahnen und Schnellstraßen. Die "Mautflucht" verlagert aber den Verkehr auf mautfreie Bundes- und Landesstraßen und erhöht in Siedlungsbereichen die Lärm-, Abgas- und Unfallkosten. Die Erfahrungen in Österreich zeigen, dass die Vignette für Pkw von Inländern in hohem Maße angenommen wird, es also kaum zur Mautflucht kommt. Lkw-Fahrer, die die Streckenmaut zu vermeiden versuchen, können durch gezielte straßenpolizeiliche Maßnahmen (Gewichtsbeschränkungen, Fahrverbote mit Ausnahmen für den lokalen Quell-Zielverkehr) auf das bemautete höherrangige Straßennetz zurückgeführt werden; für Pkw ist dies kaum möglich.

In der Mautgestaltung würden sich einige Möglichkeiten anbieten, die externen Kosten des Kfz-Verkehrs zu senken. Das Vignettensystem könnte relativ einfach nach ökologischen Kriterien (Kraftstoffverbrauch, Lärm- und Schadstoffemission gemäß Pkw-Typenschein) sowie unter Umständen nach dem Unfallrisiko des Fahrzeugeigentümers (Bonus-Malus-Situation gemäß Haftpflichtversicherung) gestaltet werden. Unfallhäufigkeit und Fahrleistung sind miteinander korreliert; damit würden nicht nur Personen höher belastet, die häufig Staukosten nach Unfällen verursachen, sondern auch jene, die viel fahren. Dies wäre über die Ausgabe der Jahresvignetten durch die Versicherungsgesellschaften einfach zu administrieren. Damit bietet die Zeitpauschale einen Anreiz, weniger umweltbelastende Fahrzeuge anzuschaffen und diese "defensiver" zu benutzen. Vignetten für kürzere Perioden könnten wie bisher zu einem höheren Preis (also überproportional zur Gültigkeitsdauer) vertrieben werden.

Auch die Streckenmaut ließe sich nach den fahrzeugspezifischen Verbrauchs- und Emissionswerten dimensionieren. Für Lkw wurde dies in einigen Ländern bereits verwirklicht.

Zeitmauten werden als "ungerecht" empfunden, weil jene, die viel fahren, ein ebenso hohes Benutzungsentgelt leisten wie jene, die wenig fahren. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass Pkw kaum variable Kosten im Sinne von Straßenabnutzung verursachen und die fixen Vorhaltekosten für das Straßennetz (Bau-, Finanzierungs-, verkehrsunabhängige Erhaltungs- und Betriebskosten) allen Benutzern, also auch den Wenigfahrern, gleichermaßen fix anzulasten sind. Der Lkw verursacht hingegen eine starke Straßenabnutzung – in diesem Sinne sollte die Lkw-Streckenmaut auch die hohen Erneuerungskosten der Infrastruktur decken.

Insgesamt erscheint bezüglich der Zielsetzung eines nachhaltigen Verkehrs die Einhebung des Straßenbenutzungsentgeltes in Form der Mineralölsteuer als die günstigste Lösung.

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem WIFO-Monatsbericht 2/2007!