20. Dezember 2006 • Ausgabenprioritäten im EU-Budget 2007-2013: Die Perspektive des Fiskalföderalismus • Hans Pitlik

Nach schwierigen Verhandlungen wurde im Mai 2006 der neue Finanzrahmen der Europäischen Union für die Jahre 2007 bis 2013 verabschiedet. In einer Zusatzerklärung wird die Kommission aufgefordert, bis 2008/09 eine grundlegende Überprüfung sämtlicher Aspekte der EU-Ausgaben und der Eigenmittel vorzunehmen und darüber Bericht zu erstatten. Überlegungen zur Reform der Ausgabenstruktur des Budgets schließen damit auch die Frage ein, welche Aufgaben die Union wahrnehmen und welche Politikfelder auf Basis des Subsidiaritätsprinzips den Mitgliedsländern überlassen bleiben sollten. Zur Überprüfung dieser Fragestellung greift das WIFO in einer aktuellen Untersuchung auf die ökonomische Theorie des Fiskalföderalismus zurück.

Der Finanzrahmen sieht für sieben Planjahre Verpflichtungsermächtigungen von 864,3 Mrd. Euro (zu Preisen von 2004) vor. Gemessen an dem für 2007 bis 2013 geschätzten Bruttonationaleinkommen der EU betragen die Verpflichtungen knapp über 1%. Dominierende Ausgabenbereiche sind die Agrarpolitik mit rund 43% der Gesamtmittel und die Kohäsionspolitik mit durchschnittlich 36%. Zunehmende Bedeutung erhalten die Mittel für "Wettbewerbsfähigkeit für Wachstum und Beschäftigung", deren Anteil an den Ausgaben zwischen 2007 und 2013 im Mittel etwa 8% beträgt und dabei von 7% auf 10,2% anwächst. Sie betreffen verschiedenste Politikbereiche von der Forschungs-, Bildungs- und Technologieförderung bis zu sozialpolitischen Maßnahmen. Andere Rubriken, wie etwa die EU-Außenbeziehungen und Verwaltungsausgaben, machen insgesamt knapp 13% der Verpflichtungen aus.

Die Theorie des Fiskalföderalismus versucht, anhand von Kosten-Nutzen-Überlegungen für jeden Politikbereich die optimale politische Entscheidungsebene zu finden. Dahinter steht die Idee, dass sowohl Zentralisierung als auch Dezentralisierung spezifische Vor- und Nachteile aufweisen, die sich für einzelne staatliche Funktionen unterscheiden. Bei einer Abwägung von Nutzen und Kosten einer (De-)Zentralisierung von Verantwortlichkeiten wird im Sinne des Subsidiaritätsprinzips eine zweckmäßige Kompetenzaufteilung verschiedener Politikfelder auf die EU und die Mitgliedsländer abgeleitet. EU-Kompetenzen sind sinnvoll, wenn erhebliche Größenvorteile und europaweite Nutzenreichweiten einzelner Politiken die Nachteile einer möglichen Verletzung unterschiedlicher Präferenzen zwischen den Mitgliedsländern durch Politikvereinheitlichung überkompensieren.

Folgt man diesen Überlegungen, sind EU-Kompetenzen unstreitig in den Bereichen Sicherung der Grundfreiheiten, Wettbewerbskontrolle, einschließlich Kontrolle der Beihilfenpolitik der Mitgliedstaaten, und gemeinsame Außenhandelspolitik. Für die Bereiche Außen- und Sicherheitspolitik, Erweiterungs- und Entwicklungshilfepolitik, internationale und globale (im Gegensatz zu regionaler und lokaler) Umweltpolitik, transeuropäische Netze für Energie und Verkehr, Grundlagenforschung und (mit gewissen Einschränkungen) Bildung kann eine (Mit-)Verantwortlichkeit der Union ebenfalls bejaht werden. Hingegen finden sich im fiskalföderalistischen Ansatz kaum überzeugende Argumente für industrie-, beschäftigungs- und sozialpolitische Kompetenzen der EU.

Die Rechtfertigung einer europäischen Regionalpolitik stützt sich vorwiegend auf das Argument einer interregionalen Umverteilung zur Förderung der unionsinternen Kohäsion. Dahinter steht auch die Überlegung, dass eine zwischenstaatliche Redistribution zugunsten von ökonomisch schwächeren Ländern deren Bereitschaft fördert, einer Öffnung der Märkte zuzustimmen. Dies impliziert jedoch die Abkehr von der projektbezogenen Förderung, wie sie gegenwärtig praktiziert wird, hin zu nicht zweckgebundenen Finanztransfers zwischen reichen und armen Ländern.

Aus dem Blickwinkel des Fiskalföderalismus ist die Ansiedlung der Agrarpolitik auf der EU-Ebene (GAP) vorwiegend als Agrarumweltpolitik und, eher eingeschränkt, als Strukturanpassungshilfe in ländlichen Gebieten gerechtfertigt. Historisch war die GAP allokativ ausgerichtet, mittlerweile hat sie aber zu großen Teilen den Charakter einer Einkommenssicherungspolitik zugunsten landwirtschaftlicher Produzenten. Nach den Prinzipien des fiskalischen Föderalismus sollten für interpersonale Redistributionsmaßnahmen jedoch die Mitgliedsländer verantwortlich sein. Forderungen nach einer Renationalisierung müssen aber insofern relativiert werden, als die GAP als politische Voraussetzung (quasi als "ein Preis") für Liberalisierungs- und Marktintegrationsfortschritte angesehen werden kann.

Die auf der Theorie des Fiskalföderalismus basierenden Überlegungen deuten darauf hin, dass fast die Hälfte des Unionsbudgets für Ausgaben angesetzt wird, für die eine EU-Zuständigkeit im Lichte des Fiskalföderalismus nur schwer begründet werden kann. Aus normativer Sicht wäre eine Umwidmung der Finanzmittel auf Politikbereiche anzustreben, für die eine europäische Kompetenz auch theoretisch zu rechtfertigen ist.

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem WIFO-Monatsbericht 12/2006!