7. Dezember 2006 • Boom in der Industrieproduktion, verhaltene Konsumnachfrage • Markus Marterbauer

Die Hochkonjunktur in der exportorientierten Industrie und der Bauwirtschaft trägt die Wirtschaftsentwicklung. Die monatlichen Konjunkturumfragen des WIFO lassen für die nächsten Monate eine Stabilisierung, aber keine Dämpfung erkennen. Schwach entwickeln sich hingegen weiterhin Konsum und Handel, ohne deren Belebung eine tragfähige Hochkonjunktur nicht in Schwung kommen kann. Der merkliche Rückgang der Arbeitslosigkeit ist das Ergebnis der anziehenden Konjunktur, des milden Wetters und der hohen Zahl an Schulungsteilnehmern.

Die österreichische Wirtschaft wuchs im III. Quartal 2006 gemäß der revidierten Quartalsrechnung des WIFO real gegenüber dem Vorjahr um 3,2%, gegenüber dem Vorquartal (bereinigt um Saison- und Arbeitstagseffekte) um 0,9%. Träger der Expansion ist die exportorientierte Industrie, die sich in einer Hochkonjunktur befindet. Die Sachgütererzeugung produzierte real um 2,3% mehr als im Vorquartal, um fast 9% mehr als im Vorjahr. Die Produktion wächst so rasch, dass trotz des kräftigen Anstiegs der Stundenproduktivität die Zahl der Beschäftigten und die geleistete Arbeitszeit zunehmen. Bei guter Gewinnsituation haben sich Kapazitätsauslastung und Absatzerwartungen erheblich verbessert, sodass nun die Unternehmen Investitionsprojekte verwirklichen und die Anschaffung von Maschinen, Elektrogeräten und Fahrzeugen vorantreiben. Die Ausrüstungsinvestitionen waren im III. Quartal real um 3,9% höher als ein Jahr zuvor.

Zum Boom in der Industrie trägt vor allem die rege Auslandsnachfrage bei. Der reale Güterexport übertraf das Niveau des Vorjahres im III. Quartal um 8,3%. Die Unternehmen beurteilen den Bestand an Auslandsaufträgen nach wie vor als sehr hoch und weit über dem langfristigen Durchschnitt. Gemäß dem WIFO-Konjunkturtest vom November gehen die Unternehmen für die nächsten Monate zwar von einer Konsolidierung der Konjunktur, aber nicht von einer merklichen Abschwächung aus. Produktionserwartungen und Beurteilung der künftigen Geschäftslage sind nur geringfügig vorsichtiger als die Einschätzung der aktuellen Situation.

Die internationalen Rahmenbedingungen sind derzeit günstig. Im Euro-Raum lag das BIP im III. Quartal um 2,7% über dem Wert des Vorjahres. Motor der Konjunktur ist auch hier die Industrie. Aufgrund der steigenden Kapazitätsauslastung setzen die Unternehmen zunehmend ihre Investitionspläne in die Realität um. Allerdings zeigen die aktuellen Daten auch einige Risken für den weiteren Konjunkturverlauf. Dies betrifft zunächst die nach wie vor mäßige Expansion der Konsumnachfrage der privaten Haushalte, ohne deren Beschleunigung in der Gesamtwirtschaft keine Hochkonjunktur in Gang kommen kann. Dazu kommen die erhebliche Wachstumsabschwächung in den USA, die vom Rückgang privater Bauinvestitionen und einer Dämpfung der Industrieproduktion ausgelöst wird, sowie die Verschlechterung der monetären Rahmenbedingungen für die Konjunktur im Euro-Raum infolge der merklichen Anhebung der kurzfristigen Zinssätze und der zuletzt raschen Verteuerung des Euro auf den Devisenmärkten.

Übersicht 1: Ergebnisse der vierteljährlichen Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung

 2004200520052006
   II. QuartalIII. QuartalIV. QuartalI. QuartalII. QuartalIII. Quartal
   Veränderung gegen das Vorquartal in %
Real, saison- und arbeitstägig bereinigt

 

 

 

 

 

 

Konsumausgaben insgesamt

 

 

+0,6

+0,6

+0,4

+0,3

+0,4

+0,4

  Private Haushalte1)

 

 

+0,6

+0,6

+0,5

+0,3

+0,4

+0,4

  Staat

 

 

+0,6

+0,4

+0,3

+0,3

–0,0

+0,1

Bruttoinvestitionen

 

 

–0,1

+0,3

+0,7

+1,1

+1,3

+1,6

  Bruttoanlageinvestitionen

 

 

+0,4

+0,6

+0,8

+1,1

+1,4

+1,5

    Ausrüstungen

 

 

+0,1

+1,0

+1,0

+0,6

+0,6

+1,4

    Bauten

 

 

+0,3

+0,5

+0,8

+1,1

+1,3

+1,3

Exporte

 

 

+1,8

+2,0

+1,8

+1,8

+1,8

+1,4

  Waren

 

 

+2,1

+2,4

+2,1

+2,6

+2,3

+1,6

  Dienstleistungen

 

 

+1,8

+1,8

+1,7

+1,2

+1,5

+1,3

Importe

 

 

+1,1

+1,5

+1,3

+1,6

+1,6

+0,8

  Waren

 

 

+1,0

+1,7

+1,4

+1,5

+1,5

+0,8

  Dienstleistungen

 

 

+0,7

+1,0

+1,0

+1,6

+0,7

+0,8

Bruttoinlandsprodukt

 

 

+0,7

+0,9

+0,8

+0,7

+0,9

+0,9

Sachgütererzeugung

 

 

+2,7

+2,6

+2,0

+1,9

+2,0

+2,3

         
 Veränderung gegen das Vorjahr in %
Real, berechnet auf Basis von Vorjahrespreisen

 

 

 

 

 

 

Konsumausgaben insgesamt

+1,8

+1,8

+1,1

+1,9

+2,3

+1,4

+1,9

+1,6

  Private Haushalte1)

+1,9

+1,7

+0,8

+2,0

+2,5

+1,3

+2,3

+1,9

  Staat

+1,4

+1,9

+2,1

+1,8

+1,8

+1,8

+0,8

+0,5

Bruttoinvestitionen

+0,5

–0,4

+6,4

+1,1

–2,7

+6,2

+3,8

+3,6

  Bruttoanlageinvestitionen

+0,6

+0,3

+3,1

+0,2

–0,6

+5,6

+2,6

+4,5

    Ausrüstungen

–1,6

+0,2

+2,8

+0,7

–2,6

+7,7

+2,0

+3,9

    Bauten

+1,6

+0,4

+3,5

–0,1

+0,8

+4,4

+3,1

+5,1

Exporte

+10,0

+6,4

+6,3

+6,4

+6,6

+10,5

+7,6

+6,7

  Waren

+12,7

+5,8

+6,9

+5,3

+5,7

+14,1

+7,1

+8,3

  Dienstleistungen

+2,7

+8,1

+4,5

+9,2

+9,6

+1,7

+9,0

+2,6

Importe

+8,7

+5,2

+8,1

+5,5

+1,9

+9,7

+5,2

+4,8

  Waren

+10,9

+5,9

+9,4

+6,4

+1,7

+10,1

+4,9

+4,7

  Dienstleistungen

+1,4

+2,6

+3,2

+2,5

+2,9

+7,9

+6,5

+5,4

Bruttoinlandsprodukt

+2,4

+2,0

+2,3

+2,1

+2,6

+2,9

+3,3

+3,2

Sachgütererzeugung

+2,3

+2,6

+2,8

+3,9

+7,0

+6,1

+6,1

+8,7

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Bruttoinlandsprodukt, nominell

+4,2

+3,9

+4,1

+3,9

+4,2

+3,8

+4,9

+4,4

Q: WIFO. –  1) Einschließlich privater Organisationen ohne Erwerbszweck.

Auch in Österreich bleibt die verhaltene Binnennachfrage das wichtigste Problem der Konjunktur. Zwar zeigen sich die Bauunternehmen angesichts anziehender Investitionen und guter Auftragslage im Infrastruktur- und Wohnungsbau optimistisch – die Wertschöpfung war im III. Quartal real um 5½% höher als im Vorjahr, doch die Konsumausgaben der privaten Haushalte wachsen weiterhin schwächer als im langfristigen Durchschnitt (III. Quartal real +1,9% gegenüber dem Vorjahr). Die Konsumnachfrage ist demnach seit sechs Jahren sehr zurückhaltend. Im Handel nahm die Wertschöpfung neuerlich nur wenig zu (+0,8% gegenüber dem Vorjahr und +0,3% gegenüber dem Vorquartal), wobei vor allem der Großhandel und der Kfz-Handel dämpfend wirkten. Zwar hat sich in den letzten Monaten die Verbraucherstimmung aufgehellt, doch die Entwicklung der verfügbaren Realeinkommen lässt keinen großen Spielraum für zusätzliche Ausgaben, und die Sparneigung tendiert anhaltend nach oben.

Abbildung 1: Entwicklung des realen Bruttoinlandsproduktes

Veränderung gegen das Vorjahr bzw. Vorquartal in %

Q: WIFO.

Die gute Konjunktur in Industrie und Bauwirtschaft trägt entscheidend dazu bei, dass die Vollzeitbeschäftigung wieder expandiert und die Arbeitslosigkeit zurückgeht. Überwiegend werden allerdings nach wie vor Teilzeitarbeitsplätze geschaffen, etwa im Handel trotz des schwachen Geschäftsgangs. Der Anstieg der Zahl der Schulungsteilnehmer war im November nur noch für gut ein Fünftel des Rückgangs der gemeldeten Arbeitslosenzahl um 26.000 bestimmend. Positiv trug dazu neben der guten Konjunktur auch das milde Wetter bei.

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem WIFO-Monatsbericht 12/2006!