30. November 2006 • WIFO-Weißbuch: Qualität der öffentlichen Finanzen verbessern • Margit Schratzenstaller

Die Abgabenquote geht, nach einem Anstieg bis Anfang dieses Jahrzehnts, in Österreich kontinuierlich zurück. Sie liegt mit etwa 42% des BIP immer noch leicht über dem EU-Durchschnitt (rund 40%), allerdings verringert sich der Abstand zu den EU-15-Ländern allmählich. Die Gesamtabgabenstruktur weist einige Auffälligkeiten auf: Während die lohnsummenbezogenen Abgaben weit überdurchschnittlich zum Gesamtabgabenaufkommen beitragen (etwa 40% gegenüber 30% in der EU 15), haben die vermögensbezogenen Steuern entgegen dem internationalen Trend deutlich an Gewicht verloren (1,3% der Gesamtabgaben gegenüber 5,2% in der EU 15). Die Grenzabgabensätze für unselbständig Beschäftigte steigen tendenziell, vor allem im unteren Einkommensbereich, und liegen deutlich über dem Durchschnitt der EU 15.

Der Wachstumsbeitrag der Staatsausgaben liegt einerseits in der Stabilisierungsfunktion (Stützung der Nachfrage in der Rezession) und andererseits in der Unterstützung der Aktivitäten, die das Wachstum direkt beeinflussen: materielle und immaterielle Infrastruktur, Forschung, Ausbildung und Weiterbildung. Aber auch durch eine geeignete (Re-)Organisation der staatlichen Ausgaben selbst können gesamtwirtschaftliche Effizienz- und Wachstumspotentiale realisiert werden. Die öffentlichen Aufgaben sollen von jener staatlichen Ebene erfüllt werden, die am besten geeignet ist, wobei wegen der Heterogenisierung der Präferenzen und der Technologien eine gewisse Tendenz zur Dezentralisierung besteht. Auf allen staatlichen Ebenen sind Aufgaben-, Ausgaben- und Einnahmenverantwortung stärker zusammenzuführen. Alte Aufgaben sollten reduziert, neue aufgenommen werden. Die Ausgaben sollten mehrjährig geplant werden, und Outputziele sollten Inputziele ersetzen. Neue Formen der Budgettechnik und des Public-Sector-Managements sollten eingeführt werden. Der Staat sollte den Marktzutritt neuer Unternehmen und den Wettbewerb forcieren.

Die Abgabenstruktur sollte den Wettbewerb wenig verzerren und bessere Anreize zur Steigerung von Beschäftigung sowie materiellen und immateriellen Investitionen bieten. Steuern, die Investitionsentscheidungen oder das Arbeitsangebot betreffen, müssen niedrig sein, Aktivitäten mit negativen externen Effekten sollen verteuert werden (Umweltbelastung), und solche, die Wachstum schaffen (und positive externe Effekte haben), begünstigt werden. In Österreich sind die Steuern und Abgaben auf die Arbeitsleistung relativ hoch, auf Vermögen relativ gering, Verbrauchssteuern liegen im europäischen Durchschnitt, die Energiebesteuerung knapp darunter. Die Differenz zwischen Brutto- und Nettolohn ist relativ hoch, besonders für niedrige Einkommen. Der Unterschied zwischen den Personalkosten für das Unternehmen und den Nettolöhnen der Beschäftigten ist auch hier höher als in den skandinavischen Ländern, obwohl diese eine höhere Gesamtsteuerquote aufweisen.

Das WIFO-Weißbuch entwirft keine Strategie für eine große Steuer- und Abgabenreform. Maßnahmen im Bereich der Steuern (einschließlich Sozialversicherungsabgaben) werden eher dann angesprochen, wenn sie auch kurzfristig erfolgen können und wenn die Zielsetzung aus Sicht der Schaffung von Arbeitsplätzen eindeutig ist (z. B. Entlastung des Faktors Arbeit). Das Weißbuch empfiehlt, einen ersten Schritt zur Senkung der Lohnnebenkosten für Monatseinkommen zwischen der Geringfügigkeitsgrenze und 1.000 Euro vorzunehmen. In der nächsten Steuerreform ist eine grundsätzliche, fundierte Neuorganisation anzustreben, die die Wirkung der Steuern und der Ausgaben zur Erhöhung von Wachstum und Beschäftigung in den Mittelpunkt stellt.

Die Vorschläge des Weißbuchs für Reformansätze im öffentlichen Sektor umfassen die folgenden Teilbereiche:

  • Budgetziel und Abgabenquote: Mittelfristig – nach Erfüllung der Erfordernisse bezüglich der Zukunftsausgaben – soll die Abgabenquote schrittweise leicht sinken bei gleichzeitiger Erhöhung des Wachstumsbeitrags der Staatsausgaben und Verbesserung der Steuer- und Abgabenstruktur. Die Verwaltungsreform soll fortgeführt werden. Ein Steuerwettlauf mit den Erweiterungsländern soll vermieden werden. Weitere Ansätze sind eine Überprüfung der öffentlichen Aufgaben und eine Durchforstung der Subventionen.

  • Die Zukunftsinvestitionen sollen gesteigert und qualitativ verbessert werden. Forciert wäre die Infrastruktur auszubauen (besonders die Verkehrslinien zu den Erweiterungsländern). Schwerpunkte sind erforderlich in den Bereichen Telekommunikation und immaterielle Infrastruktur.

  • Aufgabenverteilung und budgetäre Institutionen: Auf allen staatlichen Ebenen wäre eine Aufgabenüberprüfung und -revision vorzusehen, Doppelgleisigkeiten wären zu beseitigen. Die Haushaltsrechtsreform und die Bundesstaatsreform sollen umgesetzt werden. Das Auseinanderfallen von Aufgaben und Ausgaben ist zu vermeiden.

  • Steuerliche Anreize: Durch Senkung des Sozialversicherungsbeitrags und des Eingangssteuersatzes kann der Steuerkeil in den unteren Einkommensgruppen verringert werden. Vor der nächsten großen Steuerreform müssten eine langfristige Strukturanalyse und eine Reform des Steuersystems vorgenommen werden. Die Abgabenbelastung der Arbeit kann durch Kompensation der Senkung der Kommunalsteuer durch eine Grundsteuer (mit niedrigem Satz, realistischer Bewertung von Liegenschaften und Befreiungen) verringert werden. Wenn energie- und verkehrsbezogene sowie emissionsorientierte Steuern schrittweise und unter Berücksichtigung der Konkurrenzfähigkeit erhöht werden, kann die Lohnsteuer stärker gesenkt werden. In der Erbschafts- und Schenkungssteuer wäre durch Besteuerung von Grund und Immobilien mit realistischer Bewertung ein Minimalelement beizubehalten (gleichzeitig Ausnahmen für Eigenheime); Betriebsübergaben müssten grundsätzlich erbschafts- und schenkungssteuerpflichtig bleiben, wenn auch abgefedert durch hohe Freibeträge und weitere Entlastungsmöglichkeiten. Die Mindestpreisregelung für Tabakwaren sollte durch eine höhere Besteuerung ersetzt werden. Zu überprüfen wäre die Einführung eines dualen Steuersystems mit einheitlicher Unternehmensbesteuerung.

Margit Schratzenstaller, WIFO-Weißbuch: Mehr Beschäftigung durch Wachstum auf Basis von Innovation und Qualifikation. Teilstudie 12: Wachstumsimpulse durch die öffentliche Hand, WIFO-Studie im Auftrag von Wirtschaftskammer Österreich, Bundesarbeitskammer, Österreichischem Gewerkschaftsbund und Landwirtschaftskammer Österreich, mit finanzieller Unterstützung von Oesterreichischer Nationalbank, Androsch International Consulting, Investkredit, Gewerkschaft Metall – Textil, Raiffeisenlandesbank Oberösterreich, Oberbank AG, D. Swarovski & Co, Rauch Fruchtsäfte Ges.m.b.H., November 2006, 64 Seiten, 40 Euro, Download 32 Euro: http://publikationen.wifo.ac.at/pls/wifosite/wifosite.wifo_search. get_abstract_type?p_language=1&pubid=27451