27. Juni 2006 • Risikotragung bei Naturgefahren. Optionen effizienter Lösungen für Österreich • Franz Sinabell

In Österreich ist die private Schadensvorsorge gegen Risiken von Naturgefahren unzureichend. Wenn Katastrophen auftreten, tragen die Betroffenen einen großen Teil der Schäden selbst. Internationale Beispiele zeigen, dass durch Versicherungslösungen solche Mängel überwunden werden können. Eine effiziente Risikoteilung bedeutet den Rückzug des Staates aus der laufenden Schadensabdeckung, einen breiten (oft verpflichtenden) Versicherungsschutz potentiell Betroffener und eine starke Beteiligung des Staates in der Vorsorge, im Katastrophenschutz und im Fall von Extremereignissen.

Aufgrund der topographischen Gegebenheiten ist Österreich Naturgefahren besonders ausgesetzt. In den letzten Jahren hinterließen große Hochwasserereignisse beträchtliche Schäden (laut Schätzungen der Bundesregierung 2002 etwa 2,9 Mrd. Euro und 2005 etwa 0,6 Mrd. Euro). Lawinenabgänge, Hangrutschungen und Vermurung verursachen ebenfalls häufig Schäden; in Österreich besteht auch die Gefahr seltener Ereignisse wie Erdbeben.

Das Ausmaß der volkswirtschaftlichen Schäden übersteigt die Schäden von Privatpersonen und der privaten Wirtschaft dabei meist, weil die Wiederherstellung von Infrastruktur Ressourcen bindet und Ökoschäden eine regelmäßige Folge von Naturereignissen sind.

Ein gut funktionierender Risikotransfer von den Betroffenen auf Versicherungen vermindert die wirtschaftliche Belastung durch Naturereignisse. Bereits vor dem Eintreten der Ereignissen geschieht dies durch Anreize zu Vorsorgemaßnahmen. Nach dem Eintritt tragen ein Risikoausgleich innerhalb einer Versichertengemeinschaft anstelle hoher Selbstbehalte sowie eine rasche und effektive Schadensabwicklung zur Begrenzung der wirtschaftlichen Folgen bei.

Wie ein internationaler Vergleich von Risikotransfersystemen zeigt, gibt es in der Praxis kein System, das die Anforderungen der Betroffenen, der Versicherungswirtschaft und des Staates gleichermaßen gut erfüllen würde. Je nach Gefährdungslage und institutionellen Voraussetzungen wurden in vielen Ländern im Detail zwar abweichende, aber grundsätzlich ähnliche Zugänge entwickelt, die sich folgendermaßen zusammenfassen lassen: Der Staat kann sich aus der Rolle eines Erstversicherers gegen Naturgefahren völlig zurückziehen, wenn sich ein ausreichend großes Versichertenkollektiv gegen solche Risken versichert – entweder durch Pflichtversicherungen (z. B. Schweiz, Spanien, Frankreich) oder durch Konventionen wie in England, wo traditionell die Risken von Naturgefahren in herkömmlichen Sachversicherungen gedeckt sind.

In Österreich besteht hingegen ein hybrides System, in dem ein großer Teil der Schäden durch die Betroffenen selbst getragen wird. Finanziert wird der Schadenersatz teils aus Steuermitteln (Katastrophenhilfe), teils aus Prämieneinnahmen (private Versicherer), teils durch private Spenden (nach großen Ereignissen). Nur ein Teil – häufig weniger als die Hälfte – der direkten Schäden am Vermögen Privater wird durch öffentliche Beihilfen nach Katastrophen ersetzt. Den Richtlinien entsprechend vermindern Leistungen privater Versicherer in fast allen Bundesländern die anrechenbare Schadenssumme. Auch private Versicherer decken in der Regel nach Abzug eines Selbstbehalts Schäden nur bis zu einer bestimmten Grenze.

Katastrophenversicherungen bieten hier einige Vorteile: Ein hoher Selbstbehalt der Betroffenen wird vermieden, nach dem Risiko differenzierte Prämien entfalten einen Anreiz zur Schadenprävention, und der Staat kann sich aus dieser Aufgabe weitgehend zurückziehen. Trotzdem verbleibt dem Staat in einer Versicherungslösung eine zentrale Rolle in den Bereichen der Informationsbereitstellung (z. B. HORA), der Durchführung von Vorbeugemaßnahmen, im direkten Katastrophenmanagement, in der Schaffung eines effizienten Versicherungsmarktes und in einer Rückversicherung, wenn die Schäden aus Großereignissen die Deckungskraft der Versicherungswirtschaft übersteigen.