6. Juni 2006 • Wirtschaftswachstum mittelfristig mehr als 2%. Prognose der österreichischen Wirtschaft bis 2010 • Ewald Walterskirchen, Josef Baumgartner, Serguei Kaniovski

Die österreichische Wirtschaft wird bis 2010 um 2,1% pro Jahr und damit rascher als im Durchschnitt des Euro-Raums wachsen. Die Steigerung der internationalen Nachfrage und die hohe Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Unternehmen begünstigen in den kommenden Jahren den Export. Der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur und die erwartete Erholung des Wohnbaus schlagen sich in einer Ausweitung der Bauproduktion nieder. Auch der Konsum der privaten Haushalte wird seine lange Schwächephase allmählich überwinden. Die Wachstumsdynamik wird jedoch nicht ausreichen, um die Arbeitslosenquote zu verringern. Die Preis- und Lohnsteigerungen bleiben vor diesem Hintergrund mäßig. Nach dem Abklingen der Effekte der Steuerreform 2005 schrumpft das Defizit der öffentlichen Haushalte kontinuierlich, sofern der strikte Konsolidierungspfad auf der Ausgabenseite fortgesetzt wird.

Das Bruttoinlandsprodukt wird in Österreich von 2006 bis 2010 real um durchschnittlich 2,1% pro Jahr zunehmen. Damit fällt das Wachstum deutlich höher aus als in den Jahren 2001/2005 (+1,5% p. a.), als die Entwicklung der österreichischen Wirtschaft durch die Schwäche der europäischen Konjunktur gebremst wurde. In den kommenden Jahren wird es infolge der erwarteten Verbesserung der europäischen Konjunktur den langfristigen Durchschnitt erreichen. Die Ausweitung des Arbeitskräfteangebotes bietet dafür hinreichend Spielraum.

Mehrere Faktoren sprechen dafür, dass das mittelfristige Wirtschaftswachstum in Österreich über dem Durchschnitt des Euro-Raums liegen wird:

  • Die preisliche Wettbewerbsfähigkeit Österreichs wird sich – gemessen an den Lohnstückkosten – weiter verbessern und die Exportwirtschaft stärken.

  • Zusätzlich profitieren die österreichischen Unternehmen von der jüngsten EU-Erweiterung in besonderem Maße – Österreich ist einer der wichtigsten Handelspartner dieser rasch wachsenden Volkswirtschaften.

  • Die schwache Performance Deutschlands zog die österreichische Wirtschaft in den letzten Jahren in Mitleidenschaft. In den kommenden Jahren sollte der Wachstumsrückstand Deutschlands kleiner werden, die neue Dynamik sollte sich auch auf die österreichische Wirtschaft günstig auswirken.

  • Das Arbeitskräfteangebot – insbesondere an ausländischen Arbeitskräften – wird in den nächsten Jahren weiter kräftig steigen. Das stimuliert mittelfristig die Wirtschafts- und Beschäftigungsentwicklung in Branchen mit Arbeitskräfteknappheit, vermindert aber gleichzeitig die Chancen auf eine Verringerung der Arbeitslosigkeit.

  • Die Bemühungen der österreichischen Wirtschaftspolitik zur verstärkten Förderung von Forschung und Entwicklung sollten sich mittelfristig positiv auswirken. Zudem begünstigen die Auswirkungen der Steuerreform das Wachstum in den Jahren 2006 und 2007. Von der heimischen Fiskalpolitik gehen kräftigere Wachstumsimpulse aus als in jenen europäischen Ländern, in denen wegen eines hohen Defizits größerer Konsolidierungsbedarf besteht (insbesondere Deutschland, Frankreich und Italien).

Der relativ hohe Lebensstandard wird sich in Österreich im internationalen Strukturwettbewerb nur halten bzw. ausbauen lassen, wenn mehr in die Zukunftsbereiche – Forschung und Entwicklung, Bildung, Infrastruktur, Informations- und Kommunikationstechnologien – investiert wird. Hier werden wichtige Grundpfeiler für die künftige Performance einer Volkswirtschaft gesetzt.

Nach der vorliegenden mittelfristigen Prognose dürfte das reale BIP 2006 bis 2010 in Österreich (+2,1% p. a.) stärker wachsen als im Durchschnitt der EU 15 (+2,0%) und des Euro-Raums (+1,8%).

Übersicht 1: Hauptergebnisse

 Ø 1995/
2000
Ø 2000/
2005

Ø 2005/
2010

2005 2006 2007 2008 2009 2010
 Jährliche Veränderung in %
Bruttoinlandsprodukt         
  Real

+2,9

+1,5

+2,1

+1,9

+2,4

+2,0

+1,9

+2,2

+2,1

  Nominell

+3,7

+3,2

+4,1

+4,0

+4,3

+4,0

+3,8

+4,1

+4,0

Verbraucherpreise

+1,4

+2,0

+1,9

+2,3

+1,7

+1,9

+1,9

+2,0

+2,0

Lohn- und Gehaltssumme pro Kopf1)

+1,8

+2,0

+2,6

+2,4

+2,8

+2,5

+2,5

+2,7

+2,7

Unselbständig aktiv Beschäftigte2)

+0,6

+0,4

+0,9

+1,0

+1,1

+0,9

+0,7

+0,8

+0,9

          
 Ø 1996/
2000
Ø 2001/
2005

Ø 2006/
2010

2005 2006 2007 2008 2009 2010
 In %
Arbeitslosenquote         
  In % der Erwerbspersonen3)

.

.

5,3

5,2

5,2

5,2

5,3

5,3

5,4

  In % der unselbständigen Erwerbspersonen4)

6,8

6,9

7,3

7,2

7,1

7,2

7,3

7,3

7,4

          
 In % des BIP
          
Außenbeitrag

0,8

4,2

6,0

5,3

5,7

5,8

5,9

6,1

6,3

Finanzierungssaldo des Staates laut Maastricht-Definition

–2,3

–0,9

–1,2

–1,5

–1,9

–1,5

–1,3

–0,9

–0,5

          
 In % des verfügbaren Einkommens
          
Sparquote der privaten Haushalte

8,2

8,4

9,3

9,5

9,6

9,5

9,3

9,2

9,0

Q: Statistik Austria, WIFO-Berechnungen. –  1) Brutto, ohne Arbeitgeberbeiträge, je Beschäftigungsverhältnis laut VGR. –  2) Ohne Bezug von Karenz- bzw. Kinderbetreuungsgeld, ohne Präsenzdienst, ohne in der Beschäftigungsstatistik erfasste Arbeitslose in Schulungen. –  3) Laut Eurostat (Labour Force Survey). Aufgrund von Änderungen der Erhebungsmethode im Mikrozensus ab 2004 sind die Werte vor 2004 nicht vergleichbar und werden deshalb nicht ausgewiesen. –  4) Laut Arbeitsmarktservice.

Die Wachstumsdynamik reicht aber nicht aus, um die Arbeitslosenquote zu verringern, zumal das Angebot an in- und ausländischen Arbeitskräften kräftig steigt. Die Zahl der Beschäftigten wird zwar deutlich zunehmen (+0,9% p. a.), die Arbeitslosenquote wird jedoch bis zum Ende des Prognosezeitraums hoch bleiben: 5,4% gemäß Eurostat bzw. 7,4% nach nationaler Definition.

Dies und die geringe Auslastung der Kapazitäten dämpfen weiterhin den Lohn- und Preisauftrieb. Bezüglich der Rohöl- und Energiepreise wird ein mäßiger Anstieg unterstellt. Die Inflationsrate dürfte deshalb in der Prognoseperiode unter der 2%-Marke bleiben.

Die Entwicklung der öffentlichen Haushalte ist mittelfristig nur sehr schwierig zu schätzen, da keine Voranschläge vorliegen und das österreichische Stabilitätsprogramm nur bis zum Jahr 2008 reicht. Unter plausiblen Annahmen über die Staatsausgaben ist aufgrund der Entwicklung der Staatseinnahmen, die weitgehend vom Wirtschaftswachstum bestimmt ist, ein Rückgang des Defizits der öffentlichen Haushalte auf ½% des BIP im Jahr 2010 zu erwarten. Dabei wird strikte Ausgabendisziplin unterstellt.

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem WIFO-Monatsbericht 5/2006!