22. Dezember 2005 • Prognose für 2006 und 2007: Erholung der Investitionskonjunktur • Markus Marterbauer

Österreichs Wirtschaft wird im Jahr 2006 real um 2,4% wachsen. Export und Investitionen tragen die Konjunkturerholung. Hingegen kann sich die Konsumnachfrage der privaten Haushalte kaum aus ihrer Schwäche lösen. Der Preisauftrieb verlangsamt sich, das ermöglicht eine mäßige Ausweitung der Realeinkommen. Die Aufstockung der Mittel für aktive Arbeitsmarktpolitik verhindert eine weitere Zunahme der Arbeitslosigkeit, trägt zusammen mit anderen Ausgabensteigerungen allerdings auch zu einem Anstieg des Budgetdefizits bei.

Die heimische Exportwirtschaft belebt sich seit dem Sommer 2005 merklich. Österreich ist vor allem als Zulieferer zur Industrie in Deutschland und den anderen europäischen Ländern begünstigt, die bei anhaltend starker Weltkonjunktur von steigenden Auftragseingängen aus den erdölproduzierenden Ländern und der Abwertung des Euro gegenüber dem Dollar profitiert. Das Wachstum des Warenexports sollte sich im Jahr 2006 aufgrund zusätzlicher Impulse aus Deutschland weiter beschleunigen und real +6½% erreichen. Die Anhebung des allgemeinen Satzes der Mehrwertsteuer von 16% auf 19% mit 1. Jänner 2007 wird umfangreiche Vorziehkäufe an dauerhaften Konsumgütern, vor allem an Pkw, auslösen. Wegen des Booms der deutschen Autohersteller wird Österreichs erfolgreiche Zulieferindustrie wesentlich höhere Auftragseingänge verzeichnen. Somit könnte die Wertschöpfung der heimischen Sachgütererzeugung im Jahr 2006 um real 4,3% steigen.

Für den weiteren Konjunkturverlauf ist entscheidend, ob sich die Gewinne der Exportunternehmen in einer Ausweitung der Investitionstätigkeit niederschlagen. Für diese Entwicklung sind erste Anzeichen zu beobachten: Gemäß dem WIFO-Investitionstest vom Herbst 2005 hat sich in der Kfz- und Stahlindustrie ebenso wie im Maschinen- und Anlagenbau die Stimmung gedreht, die Unternehmen schieben Investitionsprojekte nicht weiter auf, sondern planen deren Umsetzung. Die Ausrüstungsinvestitionen könnten im Jahr 2006 um 3% höher sein als im Vorjahr. Auch die Bauwirtschaft beurteilt ihre Auftragslage optimistisch, die Bauinvestitionen dürften im Jahr 2006 um 2,5% zunehmen.

Die gegenwärtige Konjunkturerholung kann in einen Konjunkturaufschwung übergehen, wenn auch Einkommen und Konsumnachfrage der privaten Haushalte von der Aufwärtstendenz erfasst werden. Dafür gibt es aber bislang noch keine Anzeichen, wenngleich das Weihnachtsgeschäft im Einzelhandel günstig verlaufen sein dürfte. Der reale Konsum der privaten Haushalte wuchs seit dem Jahr 2000 um nur 1% pro Jahr, halb so rasch wie im langfristigen Durchschnitt. Das war vor allem auf schwache Reallohnsteigerungen und den Anstieg der Sparquote zurückzuführen – sie erreichte im Jahr 2005 9,4% der verfügbaren Einkommen. In den Jahren 2006 und 2007 dürfte die Konsumnachfrage um knapp 2% über dem Vorjahreswert liegen – zu wenig, um einen kräftigen Beitrag zum Wirtschaftswachstum zu leisten. Begünstigt wird die leichte Verbesserung im Konsum von etwas höheren Lohnabschlüssen und einer Verlangsamung des Preisauftriebs. Die Inflationsrate wird 2006 und 2007 bei jeweils 1,9% liegen, sofern sich die Rohölnotierungen auf den Weltmärkten wie erwartet beruhigen. Eine Übertragung des Anstiegs der Energiepreise auf die Preise anderer Güter und Dienstleistungen ist bislang nicht zu verzeichnen.

Übersicht 1: Hauptergebnisse der Prognose

 200220032004200520062007
 Veränderung gegen das Vorjahr in %
Bruttoinlandsprodukt      
  Real

+1,0

+1,4

+2,4

+1,9

+2,4

+2,0

  Nominell

+2,2

+2,8

+4,4

+3,7

+4,3

+3,9

Sachgütererzeugung1), real

+0,4

–0,1

+4,6

+3,3

+4,3

+3,7

Handel, real

+2,0

+0,3

+1,9

+0,9

+1,8

+1,9

Private Konsumausgaben, real

+0,3

+1,6

+0,8

+1,4

+1,8

+2,0

Bruttoanlageinvestitionen, real

–5,0

+6,1

+0,6

+0,8

+2,7

+2,4

  Ausrüstungen2)

–8,2

+7,7

+0,8

±0,0

+3,0

+3,0

  Bauten

–2,3

+4,8

+0,5

+1,5

+2,5

+2,0

Warenexporte3)

 

 

 

 

 

 

  Real

+4,3

+2,6

+12,9

+3,5

+6,5

+5,7

  Nominell

+4,2

+1,9

+13,9

+4,8

+7,4

+6,2

Warenimporte3)

 

 

 

 

 

 

  Real

+0,3

+6,5

+11,4

+1,8

+5,3

+5,2

  Nominell

–2,0

+5,0

+12,5

+4,8

+6,6

+6,0

Leistungsbilanzsaldo, Mrd. Euro

+0,75

–0,48

+0,58

–0,17

+0,70

+0,67

  In % des BIP

+0,3

–0,2

+0,2

–0,1

+0,3

+0,3

Sekundärmarktrendite4), in %

5,0

4,2

4,2

3,4

3,7

4,0

Verbraucherpreise

+1,8

+1,3

+2,1

+2,3

+1,9

+1,9

Arbeitslosenquote

 

 

 

 

 

 

  In % der Erwerbspersonen (Eurostat)5)

4,2

4,3

4,8

5,2

5,2

5,2

  In % der unselbständigen Erwerbspersonen6)

6,9

7,0

7,1

7,2

7,2

7,2

Unselbständig aktiv Beschäftigte7)

–0,5

+0,2

+0,7

+1,0

+1,1

+0,9

Finanzierungssaldo des Staates
(laut Maastricht-Definition), in % des BIP

–0,4

–1,2

–1,0

–1,7

–1,9

–1,5

Q: WIFO-Konjunkturprognose. –  1) Nettoproduktionswert, einschließlich Bergbau. –  2) Einschließlich sonstiger Anlagen. –  3) Laut Statistik Austria. –  4) Bundesanleihen mit einer Laufzeit von 10 Jahren (Benchmark). –  5) Labour Force Survey. –  6) Laut Arbeitsmarktservice. –  7) Ohne Bezug von Karenz- bzw. Kinderbetreuungsgeld, ohne Präsenzdienst, ohne in der Beschäftigungsstatistik erfasste arbeitslose Schulungsteilnehmer.

Die Zahl der unselbständig aktiv Beschäftigten erhöht sich weiter kräftig (2006 +34.000). Die Hälfte des Zuwachses entfällt auf ausländische Arbeitskräfte. Weiterhin steigt vor allem die Zahl der Arbeitsplätze für Frauen in Dienstleistungsbranchen, überwiegend in Teilzeitform. Allerdings entwickelt sich die Beschäftigung auch in typischen Männerbranchen mit Vollzeitarbeitsplätzen günstiger: In der Bauwirtschaft nimmt die Beschäftigung erstmals seit 1997 zu. In der Sachgütererzeugung werden im Jahr 2006 nur wenige Arbeitsplätze verloren gehen, der beträchtliche Produktionszuwachs wird mit einer starken Steigerung der Stundenproduktivität (+4½% pro Jahr) bewältigt. Für das Jahr 2006 ist eine Aufstockung der Mittel für aktive Arbeitsmarktpolitik um ein Drittel vorgesehen. In der Folge wird sich die Zahl der Schulungsteilnahmen um etwa 10.000 im Jahresdurchschnitt erhöhen. Die verbesserte Qualifizierung von Arbeitslosen, vor allem der Problemgruppen Wiedereinsteigerinnen und Jugendliche, ist wichtig und sollte über das Jahr 2006 hinaus fortgeführt werden. Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Schulungen werden nicht als arbeitslos gezählt, deshalb wird die Arbeitslosenquote nicht weiter steigen. Sie verharrt auf dem hohen Niveau von 7,2% der unselbständigen Erwerbspersonen laut traditioneller österreichischer Berechnung bzw. 5,2% der Erwerbspersonen laut Eurostat.

Das Defizit der öffentlichen Haushalte dürfte im Jahr 2006 unter der Schwelle von 2% des BIP bleiben. Einerseits entwickeln sich die Einnahmen an Gewinnsteuern günstiger als angenommen, und die Verwaltungsreform bringt eine Entlastung; andererseits werden zusätzliche Ausgaben für Personalkosten, Pensionen, Arbeitsmarkt-, Forschungs- und Bildungspolitik wirksam. Für das Jahr 2007 liegt noch kein Bundesvoranschlag vor. Unter den konjunkturellen Rahmenbedingungen und der Annahme einer restriktiven Gestaltung der öffentlichen Ausgaben würde sich ein Abgang von etwa 1½% des BIP ergeben.

Kurzfristige Risken für die WIFO-Prognose gehen von der Volatilität der Erdölpreise und des Wechselkurses zwischen Euro und Dollar aus. Vorzieheffekte in Deutschland und Einmalereignisse in Österreich (wie etwa der Vorsitz im Europäischen Rat) beleben das heimische BIP im Jahr 2006. 2007 könnte sich dagegen ein leichter Rückschlag ergeben, der durch den notwendigen Abbau des hohen Defizits der öffentlichen Haushalte verstärkt wird. Der Ausblick auf das Wirtschaftswachstum im Jahr 2007 muss derzeit noch vage bleiben, es könnte bei real etwa +2% liegen. Die Konjunkturdynamik könnte stärker ausfallen als hier unterstellt, wenn die Investitionen kräftig anziehen, Qualifizierungs- und Forschungsimpulse anhalten, die verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte merklich zunehmen und die Konsumnachfrage ihre langjährige Schwächephase überwindet.

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem WIFO-Monatsbericht 1/2006!