30. September 2005 • Prognose für 2005 und 2006: Wirtschaftswachstum durch Erdölpreishausse gebremst, aber höher als im Euro-Raum • Markus Marterbauer

Das Wirtschaftswachstum wird heuer nur 1,7% erreichen, für das kommende Jahr wird eine geringfügig höhere Rate erwartet. Die hohen Energiepreise beeinträchtigen die verfügbaren Realeinkommen der privaten Haushalte und damit die Konsumnachfrage. Jüngst zeigte sich eine Aufhellung der Stimmung in der Industrie, die eine Erholung der schwachen Ausrüstungsinvestitionen nach sich ziehen könnte. Die Ausweitung der öffentlichen Ausgaben für Infrastruktur, Forschung und Qualifizierung hat ein positives Wachstumsdifferential gegenüber dem Euro-Raum zur Folge. Sie bewirkt allerdings auch einen leichten Anstieg des Budgetdefizits.

Die österreichische Wirtschaft ist auf einen Pfad mäßigen Wachstums eingeschwenkt. Das reale BIP stieg im II. Quartal gegenüber der Vorperiode saisonbereinigt um 0,4%, in ähnlichem Ausmaß könnte es im 2. Halbjahr zunehmen. Die Konjunktur wird vor allem von den hohen Energiekosten gebremst, deren direkter Anteil an den Konsumausgaben 7% beträgt. Daraus ergibt sich ein Beitrag zum Anstieg der Verbraucherpreise von etwa ½ Prozentpunkt. Unter der Annahme, dass die Überwälzung der hohen Energiepreise auf die Preise anderer Güter und Dienstleistungen so verhalten bleibt wie bislang, wird die Inflationsrate heuer 2,4% und 2006 2,1% betragen. Das Wachstum der verfügbaren Realeinkommen der privaten Haushalte beträgt nur gut 1½% pro Jahr und bedeutet eine Ausweitung des privaten Konsums um real 1,4%. Der Anstieg ist damit höher als im Vorjahr, aber zum fünften Mal in Folge merklich niedriger als im langfristigen Durchschnitt. Dies beeinträchtigt die Konjunktur im Handel und in anderen Dienstleistungsbereichen.

Der Sektor der exportorientierten Industrie wächst rascher als die von der Binnennachfrage abhängigen Wirtschaftsbereiche. Die heimischen Exportbetriebe erweisen sich als recht wettbewerbsfähig, sie steigern ihre Warenausfuhr nach dem besonders erfolgreichen Jahr 2004 (real +12,9%) heuer neuerlich um 4,2%. Besonders kräftig steigt dabei die Nachfrage der erdölexportierenden Länder, deren Einkommen sich merklich erhöht hat. Die Auftragseingänge aus dem Euro-Raum entwickeln sich weniger günstig, hier fehlen nach wie vor Impulse für die Binnennachfrage. Die Unternehmen der Sachgütererzeugung zeigten sich im WIFO-Konjunkturtest bislang unsicher über die weitere Entwicklung der Produktion; jüngst hellte sich das Geschäftsklima allerdings auf. Sofern sich dieses Signal für eine Besserung der Industriekonjunktur bestätigt, kann heuer mit einem Wachstum der Wertschöpfung in der Sachgütererzeugung von real 2,7% gerechnet werden.

Eine Ausweitung der Produktion und eine Verbesserung der mittelfristigen Absatzerwartungen sind die Voraussetzung für eine Belebung der Ausrüstungsinvestitionen. Bislang blieb die Investitionstätigkeit trotz guter Gewinnlage sehr verhalten, im Jahresdurchschnitt 2005 zeichnet sich ein Rückgang ab (real –1%). Ein Großteil der Investitionsgüter (vor allem Maschinen und Fahrzeuge) wird importiert. Die Investitionsschwäche dämpft so in Verbindung mit der Zurückhaltung der Konsumenten in der Anschaffung von Pkw auch die Entwicklung der Warenimporte (2005 real +1,7%). Deshalb wird die Handelsbilanz trotz der hohen Energierechnung heuer einen leichten Überschuss aufweisen.

Übersicht 1: Hauptergebnisse der Prognose

 200120022003200420052006
 Veränderung gegen das Vorjahr in %
Bruttoinlandsprodukt      
  Real

+0,8

+1,0

+1,4

+2,4

+1,7

+1,8

  Nominell

+2,6

+2,2

+2,8

+4,4

+3,5

+3,7

Sachgütererzeugung1), real

+2,3

+0,4

–0,1

+4,6

+2,7

+3,0

Handel, real

+2,0

+2,0

+0,3

+1,9

+1,2

+1,5

Private Konsumausgaben, real

+1,0

+0,3

+1,6

+0,8

+1,4

+1,7

Bruttoanlageinvestitionen, real

–1,5

–5,0

+6,1

+0,6

+0,4

+2,4

  Ausrüstungen2)

+1,9

–8,2

+7,7

+0,8

–1,0

+3,0

  Bauten

–4,2

–2,3

+4,8

+0,5

+1,5

+2,0

Warenexporte3)

 

 

 

 

 

 

  Real

+6,3

+4,3

+2,6

+12,9

+4,2

+5,2

  Nominell

+6,5

+4,2

+1,9

+13,9

+5,6

+6,0

Warenimporte3)

 

 

 

 

 

 

  Real

+5,5

+0,3

+6,5

+11,4

+1,7

+4,1

  Nominell

+5,0

–2,0

+5,0

+12,5

+4,6

+5,7

Leistungsbilanzsaldo

 

 

 

 

 

 

  Mrd. Euro

–4,13

+0,75

–1,17

+0,75

+1,24

+1,07

  In % des BIP

–1,9

+0,3

–0,5

+0,3

+0,5

+0,4

Sekundärmarktrendite4), in %

5,1

5,0

4,2

4,2

3,4

3,6

Verbraucherpreise

+2,7

+1,8

+1,3

+2,1

+2,4

+2,1

Arbeitslosenquote

 

 

 

 

 

 

  In % der Erwerbspersonen (Eurostat)5)

3,6

4,2

4,3

4,8

5,1

5,1

  In % der unselbständigen Erwerbspersonen6)

6,1

6,9

7,0

7,1

7,2

7,2

Unselbständig aktiv Beschäftigte7)

+0,4

–0,5

+0,2

+0,7

+0,9

+0,9

Finanzierungssaldo des Staates
(laut Maastricht-Definition), in % des BIP

+0,1

–0,4

–1,2

–1,0

–1,9

–2,0

Q: WIFO-Konjunkturprognose. –  1) Nettoproduktionswert, einschließlich Bergbau. –  2) Einschließlich sonstiger Anlagen. –  3) Laut Statistik Austria. –  4) Bundesanleihen mit einer Laufzeit von 10 Jahren (Benchmark). –  5) Labour Force Survey. –  6) Laut Arbeitsmarktservice. –  7) Ohne Bezug von Karenz- bzw. Kinderbetreuungsgeld, ohne Präsenzdienst, ohne in der Beschäftigungsstatistik erfasste arbeitslose Schulungsteilnehmer.

Die Bundesregierung hat seit dem 1. Mai eine Reihe von Maßnahmen gesetzt, die das schleppende Wirtschaftswachstum beleben und den starken Anstieg der Arbeitslosigkeit dämpfen sollen. So wurden die außerbudgetären Mittel für die Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur und die Ausgaben für Forschung ausgeweitet sowie die Mittel für aktive Arbeitsmarktpolitik aufgestockt. Vor allem die öffentlichen Investitionen bringen einen Konjunkturimpuls mit sich, die Unternehmen des Tiefbaus melden eine deutliche Verbesserung der Auftragslage. Weil die Nachfrage auch im Wohnbau anzieht, sollte die Wertschöpfung in der Bauwirtschaft heuer real um 1,5% und 2006 um 2% zunehmen.

Dem Arbeitsmarktservice stehen 2006 um etwa ein Drittel höhere Mittel für Qualifizierungsprogramme und Eingliederungsbeihilfen zur Verfügung. Der Schwerpunkt soll auf die Unterstützung von Wiedereinsteigerinnen und Jugendlichen gesetzt werden – jene Problemgruppen auf dem Arbeitsmarkt, für die sich die Lage in den letzten Jahren besonders verschlechtert hat. Das WIFO erwartet, dass aufgrund dieser Maßnahmen im Jahr 2006 ein weiterer Anstieg der Arbeitslosenquote verhindert werden kann. Die Zahl der Arbeitslosen wird dann mehr als 250.000 erreichen. Dies entspricht einer Arbeitslosenquote von 7,2% der unselbständig aktiv Beschäftigten bzw. 5,1% der Erwerbspersonen laut Eurostat. Das generelle Muster der Arbeitsmarktentwicklung verändert sich nicht: Die Beschäftigung steigt trotz mäßigen Wirtschaftswachstums um etwa 1%; gleichzeitig erhöht sich das Arbeitskräfteangebot viel rascher als in der Vergangenheit.

Die seit Mai 2005 gesetzten Maßnahmen expansiver Budgetpolitik dürften überwiegend im kommenden Jahr wirksam werden und einen Wachstumsimpuls von etwa 0,3% des BIP mit sich bringen. Deshalb expandiert die heimische Wirtschaft etwas rascher als im Durchschnitt des Euro-Raums. Gleichzeitig bedeuten die Mehrausgaben einen leichten Anstieg des Budgetdefizits. Es wird 2006 2% des BIP erreichen und damit höher sein als im Bundesvoranschlag und im Stabilitätsprogramm erwartet.

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem WIFO-Monatsbericht 10/2005!