1. April 2005 • Prognose für 2005 und 2006: Erhöhte Konjunkturrisken • Marcus Scheiblecker, Ewald Walterskirchen

Bezüglich des weiteren Konjunkturverlaufs im Euro-Raum bestehen große Unsicherheiten. Die Export- und Gewinnsteigerungen lösten bisher noch keine entsprechende Ausweitung von Investitionen und privatem Konsum aus. Einen weiteren Risikofaktor bildet der hohe Erdölpreis. In Österreich entwickelt sich die Wirtschaft dank positiver Impulse von der Steuerreform günstiger als im Euro-Raum. Sie wird 2005 und 2006 um jeweils etwa 2¼% wachsen. Die Arbeitslosenquote dürfte jedoch nicht zurückgehen, da das Arbeitskräfteangebot außerordentlich stark steigt.

Das Wachstum der österreichischen Wirtschaft wird sich 2005 geringfügig auf etwa 2¼% beschleunigen und 2006 mit derselben Rate fortsetzen. Ausschlaggebend dafür sind der private Konsum und die Bauwirtschaft. Die privaten Haushalte profitieren heuer von der Einkommensteuersenkung und der Beschäftigungsausweitung, sie werden das zusätzliche Nettoeinkommen zumindest teilweise für Konsumgüter ausgeben. Die Bautätigkeit wird ebenfalls deutlich rascher expandieren als im vergangenen Jahr. Darauf deuten vor allem die hohen Auftragsbestände im Tiefbau, aber auch in einigen Sparten des Hochbaus hin. Die Impulse von der Auslandsnachfrage werden dagegen nachlassen, da sich das Wachstum der Weltwirtschaft verlangsamt. Zudem werden die Investitionen in Maschinen und Fahrzeuge schwächer steigen als im vergangenen Jahr, als Anschaffungen vor dem Auslaufen der Investitionszuwachsprämie vorgezogen wurden. Insgesamt wird die Wirtschaft in Österreich heuer und im nächsten Jahr rascher wachsen als im Euro-Raum.

Die Konjunkturrisken haben im Euro-Raum in den letzten Monaten wesentlich zugenommen. Die bereits abklingende außenwirtschaftliche Dynamik übertrug sich bisher nur wenig auf die Binnennachfrage. Trotz hoher Gewinnsteigerungen kommt die Investitionsnachfrage im Euro-Raum nicht in Schwung. Die Großunternehmen bauen Schuldenstände und Beschäftigung ab, die privaten Haushalte zeigen sich vor allem in Deutschland verunsichert und schränken ihre Ausgaben für Wohnbau und Konsum ein. Darin liegt der Hauptgrund für die Konjunkturschwäche im Euro-Raum.

Der hohe Euro-Kurs ist nicht das entscheidende Hemmnis für die Konjunktur in Europa: Der Export entwickelt sich sehr günstig, und die Schwäche der Inlandsnachfrage hängt nicht mit dem Euro-Kurs zusammen. Auch der hohe Rohölpreis kann nicht als zentrales Hindernis angesehen werden – trotz hoher Erdölpreise wächst die Wirtschaft in den USA und in Asien sehr rasch. Kein Hemmschuh ist auch die Geldpolitik im Euro-Raum, sie wirkt seit 2001 expansiv, wenngleich nicht so stark wie in den USA. Große Unterschiede bestehen in der Fiskalpolitik und in der Entwicklung der Immobilienpreise: In den USA und in Großbritannien trug die sehr expansive Budgetpolitik – gemeinsam mit einem beträchtlichen Anstieg der Immobilienpreise – entscheidend zur Ausweitung der Inlandsnachfrage bei. In den Euro-Ländern war die budgetpolitische Linie überwiegend konjunkturneutral, steigende Budgetdefizite wurden hier bei anhaltend schwacher Konjunktur "erlitten". Die Immobilienpreise stagnierten in den meisten Euro-Ländern, sodass im Gegensatz zum angelsächsischen Raum von dieser Seite kein Stimulus für Wohnbau und Konsum kam.

Übersicht 1: Hauptergebnisse der Prognose

 200120022003200420052006
 Veränderung gegen das Vorjahr in %
Bruttoinlandsprodukt      
  Real

+0,7

+1,2

+0,8

+2,0

+2,2

+2,3

  Nominell

+2,5

+2,5

+2,3

+3,9

+4,5

+3,9

Sachgütererzeugung1), real

+2,2

+0,5

+0,2

+4,8

+4,0

+3,7

Handel, real

+2,4

+2,2

+0,4

+1,2

+2,2

+2,4

Private Konsumausgaben, real

+1,0

–0,1

+0,6

+1,5

+2,0

+2,2

Bruttoanlageinvestitionen, real

–2,1

–3,4

+6,2

+3,8

+1,8

+2,7

  Ausrüstungen2)

+1,6

–6,5

+5,1

+7,1

+1,5

+3,5

  Bauten

–5,0

–0,8

+7,0

+1,1

+2,0

+2,0

Warenexporte3)

 

 

 

 

 

 

  Real

+6,3

+4,3

+2,5

+12,2

+6,0

+7,0

  Nominell

+6,5

+4,2

+1,9

+13,0

+6,5

+7,5

Warenimporte3)

 

 

 

 

 

 

  Real

+5,5

+0,3

+6,8

+8,4

+6,0

+7,1

  Nominell

+5,0

–2,0

+5,0

+10,4

+6,8

+7,8

Leistungsbilanzsaldo

 

 

 

 

 

 

  Mrd. Euro

–4,13

+0,75

–1,11

–1,25

–1,59

–1,09

  In % des BIP

–1,9

+0,3

–0,5

–0,5

–0,6

–0,4

Sekundärmarktrendite4), in %

5,1

5,0

4,2

4,2

3,9

4,3

Verbraucherpreise

+2,7

+1,8

+1,3

+2,1

+2,5

+1,8

Arbeitslosenquote

 

 

 

 

 

 

  In % der Erwerbspersonen (Eurostat)5)

3,6

4,2

4,3

4,5

4,5

4,5

  In % der unselbständigen Erwerbspersonen6)

6,1

6,9

7,0

7,1

7,1

7,1

Unselbständig aktiv Beschäftigte7)

+0,4

–0,5

+0,2

+0,7

+0,8

+0,9

Finanzierungssaldo des Staates
(laut Maastricht-Definition), in % des BIP

+0,3

–0,2

–1,1

–1,3

–2,0

–1,8

 1) Nettoproduktionswert, einschließlich Bergbau. –  2) Einschließlich sonstiger Anlagen. –  3) Laut Statistik Austria. –  4) Bundesanleihen mit einer Laufzeit von 10 Jahren (Benchmark). –  5) Labour Force Survey. –  6) Laut Arbeitsmarktservice. –  7) Unselbständig Beschäftigte ohne Bezug von Karenz- bzw. Kinderbetreuungsgeld, ohne Präsenzdienst, ohne in der Beschäftigungsstatistik erfasste arbeitslose Schulungsteilnehmer.

Zu den Risken und Unsicherheiten der aktuellen Prognose zählt eher der Rohölpreis als der Euro-Kurs. Die Inflationsentwicklung steht im Zeichen der Rohölpreise: Die Teuerungsrate erreichte in Österreich im Jahresdurchschnitt 2004 2,1%, davon entfiel etwa ½ Prozentpunkt auf die Energieverteuerung. Für heuer ist mit einer weiteren Beschleunigung der Inflation auf 2,5% zu rechnen. Die Preise von Energie, Mieten und Zigaretten sind primär dafür maßgebend. Dabei wird unterstellt, dass der Rohölpreis 2005 im Durchschnitt bei 44 $ je Barrel (Brent) liegt. Im kommenden Jahr ist mit einem spürbaren Rückgang der Inflationsrate auf 1,8% zu rechnen, da die Preise von Energieprodukten zurückgehen und die administrierten Preise relativ stabil bleiben dürften.

Die Beschäftigung reagierte bereits deutlich auf die Konjunkturverbesserung. Im Jahr 2004 erhöhte sich die Zahl der unselbständig aktiv Beschäftigten um 21.000. Für 2005 und 2006 wird ein Anstieg um jeweils mehr als 25.000 Personen erwartet, der überwiegend Vollzeitstellen betreffen wird. Der Zuwachs konzentriert sich auf unternehmensnahe Dienstleistungen, Gesundheitswesen und Handel. Trotz der kräftigen Beschäftigungssteigerung wird die Arbeitslosenquote voraussichtlich nicht zurückgehen, sie dürfte bei 7,1% (bzw. 4,5% laut Eurostat-Definition) verharren. Der Grund dafür liegt in der starken Ausweitung des Arbeitskräfteangebotes: Das inländische Arbeitskräfteangebot wächst aus demographischen Gründen, durch eine hohe Zahl von Einbürgerungen sowie infolge der Pensionsreform. Zusätzliche ausländische Arbeitskräfte kommen vor allem aus Deutschland, die Auswirkungen der Reformen des Sozialsystems ("Hartz IV") dürften den Zustrom noch verstärken. Gleichzeitig arbeiten immer weniger Österreicher in Deutschland.

Die zweite Etappe der Steuerreform wird das Defizit der öffentlichen Haushalte 2005 auf etwa 2% des BIP steigen lassen. Hohe Umsatz- und Körperschaftsteuereinnahmen zu Jahresbeginn sowie der verstärkte Preisauftrieb rücken das Ziel, das Defizit unter der 2%-Marke zu halten, in greifbare Nähe. Im Jahr 2006 dürfte die Nettokreditaufnahme des Staates, wie im Stabilitätsprogramm angenommen, leicht zurückgehen. Positiv wirkt sich das Auslaufen der Investitionszuwachsprämie auf den Staatshaushalt aus, andererseits ergeben sich infolge der Steuerreform Ausfälle an Einkommen- und Körperschaftsteuern.

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem WIFO-Monatsbericht 4/2005!