25. Februar 2005 • Verschärfung der Arbeitsmarktprobleme von Randgruppen in Grenzregionen im Gefolge der Ostöffnung. Das Beispiel der Roma in Oberwart • Gudrun Biffl, Julia Bock-Schappelwein

Vom Aufschwung der burgenländischen Wirtschaft im Gefolge der Ostöffnung profitierten nicht alle Bevölkerungsgruppen im gleichen Ausmaß. Oberwart war eine der Regionen, die von Betriebsabsiedlungen und Produktionsverlagerungen besonders betroffen waren, während neue Arbeitsplätze vor allem im Nordburgenland geschaffen wurden. Wegen des Überangebotes an Arbeitskräften mit einfacher Qualifikation wird es für ethnische Minderheiten immer schwieriger, einen Arbeitsplatz zu finden. Die Beschäftigungs- und Einkommenssituation der Roma in Oberwart, einem ihrer traditionellen Siedlungsgebiete, hat sich deshalb in den neunziger Jahren verschlechtert. Um in der Folge eine Gefährdung des sozialen Zusammenhalts der Gesellschaft zu verhindern, muss die Beschäftigungs- und Integrationspolitik neue Wege finden.

Die Ostöffnung löste im Burgenland einen wirtschaftlichen Boom aus, an dem aber nicht alle Regionen und nicht alle Gruppen von Arbeitskräften gleichermaßen teilhatten. Die Strukturprobleme des Burgenlandes spiegeln sich u. a. in der regionalen Bevölkerungsentwicklung – während sich die Einwohnerzahl in den neunziger Jahren in den nördlichen Bezirken erhöhte (+6,3%), schrumpfte sie im Mittel- (–1,0%) und im Südburgenland (–1,3%). Vom Bevölkerungsrückgang besonders betroffen war der Industriestandort Oberwart (–0,8%), der bevölkerungsstärkste Bezirk im Südburgenland (2001 19,2% der Bevölkerung des Burgenlandes).

Auch ein erhebliches Nord-Süd-Gefälle der Wirtschaftsentwicklung belegt die anhaltenden Strukturprobleme. Das Südburgenland ist mit 56% des durchschnittlichen BIP je Einwohner eine der ärmsten Regionen Österreichs. In Oberwart ist die Situation dank des größeren Gewichts der Industrie etwas günstiger; dennoch bleibt das Bruttoregionalprodukt je Einwohner mit 60% des Österreich-Wertes (1995) deutlich unter dem Wert für das Nordburgenland (77%).

Im Gegensatz zum Nordburgenland, das schon ab 1989 eine merkliche Ausweitung der Beschäftigung verzeichnete, nahm die Nachfrage nach Arbeitskräften in Oberwart erst nach einer schwierigen Umstrukturierungsphase gegen Ende der neunziger Jahre zu. Der Strukturwandel von der industriell-gewerblichen Produktion zum Dienstleistungssektor wurde zwar in der Region Oberwart erfolgreich bewältigt; davon profitierten aber nicht alle Personengruppen, vor allem nicht die ethnische Minderheit der Roma.

Da Roma vorwiegend in der industriell-gewerblichen Produktion beschäftigt waren – Frauen in einfachen Tätigkeiten in der Textil-, Bekleidungs-, Leder- und Elektroindustrie, Männer insbesondere in der Metallindustrie und in der Bauwirtschaft –, zählen sie zu den großen Verlieren des Strukturwandels von verlängerten Werkbänken zu spezialisierter Fertigung und Dienstleistungen. Obschon in Oberwart Arbeitsplätze geschaffen wurden, wurden Roma häufig nicht berücksichtigt.

Ein schwerwiegendes Handikap der Roma ist ihr geringer Bildungsgrad, ein Resultat der Versäumnisse der regionalen Bildungspolitik. Zwar besuchen seit den achtziger Jahren Roma-Kinder nicht mehr jedenfalls die Sonderschule, doch ist der Bildungsgrad der Jugend weiterhin deutlich unterdurchschnittlich. Erschwert wird die Arbeitssuche zudem durch den häufig schlechten Gesundheitszustand vor allem älterer Roma.

Eine Kombination von Faktoren war für die überdurchschnittliche Verschlechterung der Beschäftigungsmöglichkeiten der Roma verantwortlich: der Rückgang der Nachfrage nach Hilfs- und Anlernarbeitern, Verdrängungsprozesse zwischen Roma und ausländischen Arbeitskräften sowie die gesellschaftliche Stigmatisierung der Roma. Sowohl der geringe Bildungsgrad als auch die schwache Gesundheit Älterer sind ein Hinweis auf die gesellschaftliche Isolation der Roma, die nicht mit traditionellen arbeitsmarktpolitischen Integrationsmaßnahmen allein bekämpft werden kann.

Eine Kombination von Integrations- und Fördermaßnahmen ist notwendig sowie ein Umdenken in der Bevölkerung, damit sich das volle Potential der Roma entfalten und ihre sozio-ökonomische Einbindung gelingen kann.

Anhand von "Mri Buti", einem von der EU und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit kofinanzierten Projekt, kann gezeigt werden, dass ein holistischer Ansatz der Integrationspolitik, in dem bildungs-, gesundheits- und arbeitsmarktpolitische Maßnahmen kombiniert werden, die Roma aus ihrer sozial-ökonomischen Isolation führen kann. Ähnliche Maßnahmen könnten in Zukunft auch in anderen Bundesländern gesetzt werden, in denen der Strukturwandel der Wirtschaft den Verlust von Hilfs- und Anlernarbeitertätigkeiten zur Folge hat und wo es eine vergleichsweise große Zahl von Roma gibt, nämlich in Wien, Niederösterreich und Oberösterreich.

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem WIFO-Monatsbericht 2/2005!