1. Oktober 2004 • Prognose für 2004 und 2005: Export als Konjunkturmotor • Ewald Walterskirchen

Die europäische Wirtschaft wurde heuer von der Verbesserung der Weltwirtschaft erfasst. Die hohe Dynamik der Exporte hatte eine kräftige Steigerung der Sachgüterproduktion zur Folge. In Österreich wie im Euro-Raum wird das Wachstum des BIP heuer real 1,9% erreichen. Im Jahr 2005 wird die Zunahme des Welthandels an Schwung verlieren, in Europa dürfte jedoch die Inlandsnachfrage stärker zum Wachstum beitragen. Die zuletzt stark steigenden Rohölpreise bilden jedoch ein Risiko für den weiteren Konjunkturverlauf.

Die Konjunkturerholung hat sich im 1. Halbjahr beschleunigt. Dank der Belebung der Weltwirtschaft und der Stabilisierung des Euro-Kurses nahmen die Exporte kräftig zu. Die Wirtschaft wird deshalb heuer in Österreich – ebenso wie im Euro-Raum – um 1,9% wachsen. Im Jahr 2005 wird die Expansion wegen der Effekte der Steuerreform mit +2,5% höher sein als im Euro-Raum. Dabei wird angenommen, dass sich die Nachfrage zunehmend vom Export zu Investitionen und Konsum verlagert. Die Impulse von der Weltwirtschaft (insbesondere aus den USA) werden im nächsten Jahr nachlassen. Risken für den weiteren Konjunkturverlauf gehen vor allem vom weiteren Anstieg der Erdölpreise und einer möglichen unzureichenden Übertragung des Exportbooms auf die Investitions- und Konsumnachfrage aus.

Die Ausfuhr ist die einzige Stütze der verbesserten Wirtschaftslage, sie wächst heuer real um 8¼%. Dabei profitiert die österreichische Exportwirtschaft insbesondere von den engen Zulieferbeziehungen zu deutschen Unternehmen. Mittelfristig hat sich die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der Sachgüterproduktion deutlich verbessert. Dies erleichtert es den Unternehmen, in der Weltwirtschaft ihre Chancen zu nutzen. Die Wertschöpfung der Sachgütererzeugung steigt 2004 real um 4½%, gut doppelt so rasch wie jene der Gesamtwirtschaft. Im kommenden Jahr wird sich die Exportzunahme parallel zur Expansion des Welthandels abschwächen. Das Wirtschaftswachstum muss sich dann stärker auf die Inlandsnachfrage stützen.

Die Aufwärtstendenz der Exporte und der Kapazitätsauslastung sollte gemeinsam mit einer Steigerung der Gewinne die Investitionskonjunktur in Gang bringen. Der WIFO-Investitionstest deutet darauf hin, die verfügbaren Investitionsdaten für das 1. Halbjahr lassen ein Anspringen der Investitionstätigkeit jedoch noch nicht erkennen (abgesehen von aus steuerlichen Gründen vorgezogenen Fahrzeuginvestitionen). 2003 waren die Bauinvestitionen eine wichtige Stütze der Konjunktur. Dazu trug neben den öffentlichen Tiefbauprogrammen auch die beschleunigte Abwicklung von Bauprojekten vor dem Auslaufen der vorzeitigen Abschreibung Ende 2003 bei. Nach diesem Effekt nehmen die Bauinvestitionen heuer nur sehr mäßig und weniger als erwartet zu.

Der private Konsum wächst im Jahr 2004 mit +1½% wesentlich langsamer als im längerfristigen Durchschnitt. Einerseits wird die Realeinkommensentwicklung durch die Energieverteuerung gebremst, andererseits geht die Sparquote der privaten Haushalte trotz des "Zwangskonsums" teurer Energie nicht zurück. Der anhaltende Anstieg der Rohölpreise macht eine Revision der Inflationsprognose notwendig: Die Teuerungsrate wird 2004 2,1% erreichen und im nächsten Jahr nur geringfügig sinken. Die Energieverteuerung trägt heuer 0,3 Prozentpunkte zum Preisauftrieb bei. 2004 nehmen die Realeinkommen je Arbeitnehmer kaum zu. Im Jahr 2005 bringt jedoch die Senkung der Lohn- und Einkommensteuer eine merkliche Erhöhung der Nettorealeinkommen. Darüber hinaus trägt die erwartete deutliche Beschäftigungsausweitung zum Anstieg der verfügbaren Einkommen bei. Die Steigerung des privaten Konsums dürfte deshalb 2005 mit +2,5% dem mittelfristigen Trend nahe kommen.

Übersicht 1: Hauptergebnisse der Prognose

 200020012002200320042005
 Veränderung gegen das Vorjahr in %
       
Bruttoinlandsprodukt      
  Real

+3,4

+0,8

+1,4

+0,7

+1,9

+2,5

  Nominell

+4,9

+2,8

+2,7

+2,6

+3,3

+4,3

Sachgütererzeugung1), real

+6,4

+1,5

+0,5

–0,2

+4,5

+4,0

Handel, real

+3,7

–0,0

+1,2

+1,3

+1,3

+2,5

Private Konsumausgaben, real

+3,3

+1,4

+0,8

+1,3

+1,6

+2,5

Bruttoanlageinvestitionen, real

+6,2

–2,3

–2,8

+5,3

+2,2

+3,5

  Ausrüstungen2)

+11,8

–2,1

–5,2

+7,7

+4,0

+5,5

  Bauten

+1,9

–2,5

–0,7

+3,3

+0,7

+1,7

Warenexporte3)

 

 

 

 

 

 

  Real

+13,1

+7,5

+5,2

+2,7

+8,3

+6,8

  Nominell

+15,6

+6,5

+4,2

+1,9

+9,5

+7,5

Warenimporte3)

 

 

 

 

 

 

  Real

+10,9

+5,7

+0,8

+6,3

+5,3

+7,1

  Nominell

+14,7

+5,0

–2,0

+5,0

+7,5

+7,8

Leistungsbilanzsaldo

 

 

 

 

 

 

  Mrd. Euro

–5,36

–4,13

+0,36

–2,04

–1,62

–1,92

  In % des BIP

–2,6

–1,9

+0,2

–0,9

–0,7

–0,8

Sekundärmarktrendite4), in %

5,6

5,1

5,0

4,2

4,2

4,3

Verbraucherpreise

+2,3

+2,7

+1,8

+1,3

+2,1

+2,0

Arbeitslosenquote

 

 

 

 

 

 

  In % der Erwerbspersonen (Eurostat)5)

3,7

3,6

4,2

4,1

4,2

4,1

  In % der unselbständigen Erwerbspersonen6)

5,8

6,1

6,9

7,0

7,1

6,9

Unselbständig aktiv Beschäftigte7)

+0,9

+0,4

–0,5

+0,2

+0,6

+0,9

Finanzierungssaldo des Staates
(laut Maastricht-Definition), in % des BIP

–1,5

+0,3

–0,2

–1,1

–1,3

–1,9

1) Nettoproduktionswert, einschließlich Bergbau. –  2) Einschließlich sonstiger Anlagen. –  3) Laut Statistik Austria. –  4) Bundesanleihen mit einer Laufzeit von 10 Jahren (Benchmark). –  5) Labour Force Survey. –  6) Laut Arbeitsmarktservice. –  7) Unselbständig Beschäftigte ohne Bezug von Karenz- bzw. Kinderbetreuungsgeld, ohne Präsenzdienst, ohne in der Beschäftigungsstatistik erfasste arbeitslose Schulungsteilnehmer.

Die Beschäftigung reagierte bereits auf die Konjunkturverbesserung. Heuer steigt die Zahl der unselbständig aktiv Beschäftigten um 17.500 und 2005 um 28.000. Zunehmend werden auch neue Vollzeitarbeitsplätze geschaffen. Die Zahl der Arbeitslosen erhöht sich 2004 noch um 4.000 auf 244.000 und nimmt 2005 im selben Ausmaß ab. Das Angebot an Arbeitskräften wird auch 2005 kräftig steigen, der Zustrom von ausländischen Arbeitskräften auf den Arbeitsmarkt bleibt hoch.

Das Maastricht-Defizit der öffentlichen Haushalte fällt heuer mit 1,3% des BIP deutlich höher aus als erwartet. Hohe Ausfälle an Einkommen- und Körperschaftsteuer sind infolge der Investitionszuwachsprämie zu erwarten. Die Mindereinnahmen an Mehrwertsteuer dürften in der zweiten Jahreshälfte geringer ausfallen, da im Vorjahresvergleich mit einem kräftigen Konsumzuwachs zu rechnen ist. Die Anhebung der Wachstumsprognose berührt die prognostizierten Einnahmen des Staates kaum, da sie sich auf den Export beschränkt. Im kommenden Jahr wird das Defizit des Staatshaushaltes etwas unter der 2%-Marke liegen, wenn die umfangreiche Senkung der Körperschaft- und Einkommensteuer durch Einmalmaßnahmen teilweise ausgeglichen werden kann.

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem WIFO-Monatsbericht 10/2004!