20. Juli 2004 • Finanzierung des Bahnausbaus in sensiblen Zonen durch Straßenmauten • Wilfried Puwein

Der Lkw-Verkehr nahm in Österreich im letzten Jahrzehnt fast doppelt so stark zu wie der Güterverkehr der Bahn. Die EU-Erweiterung und das Auslaufen des Ökopunktesystems werden das Wachstum des Straßenverkehrs weiter beschleunigen. Steigende Stauhäufigkeit, hohe Unfallzahlen, großer Energieverbrauch, Treibhausgasemissionen des Straßenverkehrs sowie seine Lärm-, Staub- und Abgasbelastungen für Anrainer lösten in der europäischen Verkehrspolitik einen Umdenkprozess aus. Im Sinne einer auf Dauer tragfähigen Verkehrsentwicklung soll der Schienenverkehr neu belebt werden. Die Europäische Kommission schlägt in ihrem Weißbuch ("Die europäische Verkehrspolitik bis 2010: Weichenstellung für die Zukunft") vor, Bauvorhaben für die Eisenbahninfrastruktur in sensiblen Zonen durch Straßenbenutzungsentgelte der Lkw zu finanzieren.

Ende 2003 legte die Kommission einen Vorschlag für eine neue Wegekostenrichtlinie vor. Zum Teil wird dabei versucht, die im jüngsten Weißbuch entwickelten Ideen umzusetzen. Nach Konsultation der Kommission kann der Bahnausbau in sensiblen Zonen durch einen Aufschlag auf die Lkw-Mauten auf den parallel dazu geführten Straßen querfinanziert werden. Die Erhöhung darf 25% der Mauttarife nicht überschreiten. Ausgehend von den Mauteinnahmen der Sondermautstrecken (Arlbergpass, Brennerpass, Tauernpass, Gleinalmtunnel, Bosrucktunnel) im Jahr 2003 könnte mit einem Mautaufschlag von 25% über 20 Jahre rund ein Fünftel der im Generalverkehrsplan Österreich 2002 projektierten Ausbaukosten der Bahn in diesen Regionen finanziert werden.

Mautaufschläge in sensiblen Zonen zur Querfinanzierung des Schienenausbaus belasten den Kurzstreckenverkehr naturgemäß stärker als den Fernverkehr. Der Zuschlag auf die Brennermaut würde etwa die Kosten von Binnentransporten über die durchschnittliche Transportentfernung (96 km) um 6,9%, von Transittransporten (durchschnittliche Transportentfernung 1.139 km) um lediglich 1,2% erhöhen. Diese Mehrkosten würden die Entwicklung des Transitverkehrs wenig beeinflussen. Auch die relativ starke Belastung der Kurzstreckentransporte hätte fast keine Verlagerungseffekte, da diese Transporte kaum auf die Bahn ausweichen können. Eine stärkere Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene ist durch "Hochmauten" in sensiblen Zonen nicht zu erreichen; sie setzt vielmehr entsprechend hohe Mauttarife für das gesamte europäische Straßennetz voraus.

Der durch eine Querfinanzierung beschleunigte Ausbau der Schieneninfrastruktur ist wohl eine notwendige, nicht aber eine hinreichende Voraussetzung zur Revitalisierung der Bahn. Bisher hat die Bahn in Österreich trotz der seit Mitte der siebziger Jahre forcierten Investitionen keine Marktanteile von der Straße zurückgewonnen. In Deutschland, wo die Investitionstätigkeit früher einsetzte und ein Großteil der Neubaustrecken bereits fertig gestellt ist, verlor die Bahn in den letzten zehn Jahren rund 20% ihres Transportaufkommens im Güterverkehr. Von der Öffnung der Netze für den Wettbewerb zwischen Eisenbahnunternehmen wird eine Steigerung der Effizienz des Angebotes im internationalen Fernverkehr erwartet.

Verschärfte technische Auflagen für den Straßengüterverkehr (Lärm- und Schadstoffemissionen, Verkehrssicherheit) sowie eine höhere, europaweit einheitliche Abgabe auf Kraftstoffe könnten auch die Nachhaltigkeit des durch die Bahn kaum substituierbaren Lkw-Nahverkehrs verbessern.

Übersicht 1: Investitionen in die alpenquerenden Bahnlinien gemäß GVP-Ö und fiktive Querfinanzierungsbeiträge der Sondermautstrecken

 

Investitionen1)

Mauteinnahmen 2)

Jährlicher Querfinanzierungsbeitrag3)

 

Mio. Euro

Mio. Euro

Mio. Euro

In % der jährlichen Investitionen4)

 

 

 

 

 

Arlberg (Landeck-Bludenz)

996

6,21

1,55

3,1

Brenner (Basistunnel)

1.800 5)

102,19

25,55

28,4

Tauern (Schwarzach-Spittal)

508

24,18

6,05

23,9

Pyhrn (Kirchdorf-Selzthal)

203

14,42

3,61

35,6

 

 

 

 

 

Insgesamt

3.507

147,00

36,76

21,0

Q: Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie, ASFINAG, WIFO-Berechnungen. –  1) Ab 2004, zu Preisen von 2002. –  2) Fahrzeuge mit höchstzulässigem Gesamtgewicht über 3,5 t, 2003. –  3) Annahme: 25% der Mauteinnahmen. –  4) Annahme: Bauzeit 20 Jahre. –  5) Annahme: Gesamtkosten 4.500 Mio. Euro, davon 20% EU, 40% Italien, 40% Österreich.

Übersicht 2: Durchschnittliche Fahrtweiten und Frachtverteuerung durch einen Querfinanzierungsbeitrag nach Verkehrszwecken

1999

 

Binnenverkehr

Einfuhr- und Ausfuhrverkehr

Transitverkehr

 

In km

Verteuerung in %

In km

Verteuerung in %

In km

Verteuerung in %

 

 

 

 

 

 

 

Arlbergschnellstraße1)

246

+2,5

473

+1,6

788

+0,9

Brennerautobahn

96

+6,9

451

+2,7

1.139

+1,2

Tauernautobahn

243

+2,6

807

+1,0

1.405

+0,6

Pyhrnautobahn

218

+4,5

760

+1,3

1.292

+0,7

Q: Kriebernegg, G., Überprüfung der Sondermaut hinsichtlich nachteiliger Standorteffekte. Verkehrsanalyse, Studie des WIFO und der Ingenieurgemeinschaft Kaufmann–Kriebernegg im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie, Wien, 2003; WIFO-Berechnungen. –  1) 2002.

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem WIFO-Monatsbericht 7/2004!