24. Juni 2004 • Hoffnungsmärkte für den österreichischen Export • Yvonne Wolfmayr

Der österreichische Export ist trotz der wesentlichen Intensivierung der Wirtschaftsbeziehungen mit den MOEL (mittel- und osteuropäischen Ländern) weiterhin durch eine Konzentration auf Westeuropa geprägt. Um das Exportpotential besser zu nutzen, wäre eine Ausweitung der Ausfuhr in dynamische Länder außerhalb der EU wünschenswert. Das WIFO hat in einer Untersuchung "Hoffnungsmärkte" ermittelt, die aufgrund ihrer Nachfragestruktur und Wachstumsdynamik für Exporteure besonders interessant sein können.

Während sich die österreichische Außenwirtschaft insgesamt günstig entwickelt, ist sie weiterhin durch zwei Strukturschwächen geprägt: eine hohe Konzentration der Ausfuhr auf die EU 15 und hier insbesondere auf den deutschen Markt sowie eine im Vergleich der Industrieländer zu große Spezialisierung auf Branchen mit mittlerem bis niedrigem Technologieniveau. In beiden Bereichen waren in den letzten Jahren Aufholprozesse zu beobachten, doch bleibt noch Spielraum für Exportsteigerungen und Verbesserungen der Wettbewerbsfähigkeit.

Das österreichische Exportpotential könnte einerseits durch einen Strukturwandel zu höherwertigen Technologien, andererseits durch eine forcierte Erschließung dynamischer Märkte besser genutzt werden. Der Vorteil des letzteren Ansatzes besteht darin, dass hier wirtschaftspolitische Maßnahmen in der Regel einfacher und rascher Erfolge bringen, während eine Veränderung der Warenstruktur nur langfristig über die Qualifikation des Humankapitals und die Förderung von Forschung und Entwicklung gesteuert werden kann.

Das WIFO überprüfte in einer Untersuchung im Auftrag der Oesterreichischen Kontrollbank (im Namen und auf Rechnung des Bundesministeriums für Finanzen) insgesamt 81 Länder außerhalb Westeuropas mit einer wirtschaftliche Mindestgröße, ob sie sich als Schwerpunktmärkte für den österreichischen Export eignen. Die "Hoffnungsmärkte" wurden ausgewählt anhand von Indikatoren der Marktgröße und Nachfrageentwicklung sowie anhand der Übereinstimmung ihrer Importstruktur mit der österreichischen Exportstruktur. In die Analyse ging auch die Einschätzung der Unternehmen in einer WIFO-Befragung zu Motiven und Hindernissen im Export ein. Ergänzend wurden Marktanteilsanalysen und eine ökonometrische Schätzung von mittelfristigen Exportpotentialen berücksichtigt.

Am besten stimmt die Importstruktur der Länder Ost- Mitteleuropas mit der Struktur der österreichischen Exporte überein. Unter den anderen Märkten mit kräftiger Nachfragedynamik hat kaum ein Land eine aus österreichischer Sicht günstige Importstruktur. Besonders augenfällig ist dies in Bezug auf die meisten dynamischen Märkten in Asien. Für einige Länder hat sich dieser Indikator seit Anfang der neunziger Jahre verschlechtert.

Österreichs Marktanteil liegt in den benachbarten MOEL deutlich über, auf den meisten anderen Hoffnungsmärkten unter jenem der Vergleichsländer. Er ist in Ungarn, Slowenien und Kroatien mit jeweils etwa 14% am höchsten, übertrifft dagegen außerhalb Europas kaum die Marke von 1%. In den neunziger Jahren hat er sich zudem überwiegend verringert.

Erfolg verspricht der Export – neben einer sehr kleinen Technologiebranche – hauptsächlich in der vorwiegend auf mittlerer Technologie basierenden traditionellen Sachgüterproduktion. Auf Produktebene wird diese Strukturschwäche der österreichischen Außenwirtschaft noch deutlicher: Österreich erreicht die stärkste Position im Weltexport der Holzindustrie (Marktanteil 6%), der Papierindustrie und von Metallerzeugnissen (jeweils 3,3%) sowie der Baustoff- und Glasindustrie (3%) – durchwegs arbeitsintensiven Branchen oder Hersteller traditioneller Sachgüter. Relativ erfolgreich sind Österreichs Exporteure auch in der Metallerzeugung sowie in den meisten marketinggetriebenen Branchen (Leder-, Druck- und Konsumwarenindustrie). In den Technologiezweigen ist Österreich hingegen auf dem Weltmarkt mit Marktanteilen von 0,5% (Datenverarbeitung) bis 1,7% (Kraftwagen und -teile) nur schwach vertreten. Eher niedrig ist der Marktanteil auch im sonstigen Fahrzeugbau. In den für den österreichischen Export wichtigsten Branchen, dem Maschinenbau (Marktanteil 2,2%), der Kraftfahrzeug- und der chemischen Industrie (1,3%), ist Österreich nicht überdurchschnittlich wettbewerbsfähig.

Aufgrund dieser Analyse und einer Unternehmensbefragung wurden 30 Länder als potentielle Schwerpunktländer identifiziert (13 MOEL, 14 Hoffungsmärkte außerhalb Europas und 3 Industriestaaten in Übersee). Die größten Wachstumschancen bestehen für Exporte nach Ungarn, Tschechien und in die Slowakei. Zusätzlich sollte Russland verstärkt als Ausfuhrziel erschlossen werden, ein weiterer regionaler Schwerpunkt ist auch in den westlichen Balkanländern anzuregen (Kroatien, Bosnien-Herzegowina, Serbien, Albanien, Mazedonien). Außerhalb Europas erscheinen China, Vietnam sowie – für bestimmte Branchen – Indien und Südkorea besonders aussichtsreich, die Türkei, Jordanien, Südafrika, und mit Einschränkungen Algerien. Exportchancen bieten auch Brasilien, Argentinien, Guatemala, El Salvador, Peru und Mexiko. Daneben bleibt ein Engagement in den Industriestaaten in Übersee interessant und wichtig – insbesondere in den USA, in Kanada und Australien.

Die neuen EU-Länder unter den MOEL bieten fast allen Branchen die besten Wachstumsaussichten. In den Bereichen Kunststoffe, Büromaschinen und Elektrotechnik, Elektroindustrie, Fernseh- und Nachrichtentechnik, Messgeräte sowie Kraftwagen und teilweise Maschinenbau sind aber auch außerhalb der MOEL mittelfristig gute Exportchancen zu erwarten.

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem WIFO-Monatsbericht 6/2004 und der folgenden WIFO-Studie: Yvonne Wolfmayr, Jan Stankovsky, Interessante Absatzmärkte und Exportpotentiale für die österreichische Industrie, im Auftrag der Oesterreichischen Kontrollbank AG im Namen und auf Rechnung des Bundes (Bundesministerium für Finanzen), 214 Seiten, 70 Euro, Download 56 Euro: http://publikationen.wifo.ac.at/pls/wifosite/wifosite.wifo_search.get_abstract_type? p_language=1&pubid=24851!