3. Mai 2004 • Der österreichische Außenhandel mit den EU-Beitrittsländern – eine Erfolgsgeschichte • Yvonne Wolfmayr

Die Europäische Union wurdeam 1. Mai um 10 Länder erweitert. Die Analyse des Außenhandels mit diesen Ländern seit Anfang der neunziger Jahre zeigt, dass die österreichische Außenwirtschaft bisher die Möglichkeiten auf diesen Märkten gut ausgeschöpft hat. Die Nachfrage aus den Beitrittsländern wurde zur maßgeblichen Stütze des Außenhandels, die Marktstellung ist vor allem in den Nachbarstaaten stark.

Mit einigen der neuen EU-Länder, insbesondere den Nachbarstaaten, hat die österreichische Wirtschaft seit der Ostöffnung 1989 intensive Wirtschaftsbeziehungen aufgebaut, die sich auf eine schrittweise Integration der Region aufgrund der "Europaabkommen" sowie auf die bedeutende Wirtschaftshilfe stützen. Die Bedeutung der Länder für den Außenhandel ist in Österreich deutlich größer als in allen anderen EU-Ländern: Einschließlich Maltas und Zyperns entfielen auf die zehn Beitrittsländer im Jahr 2003 12,7% der österreichischen Gesamtexporte und 10,7% der Importe. Drei Viertel des österreichischen Außenhandels (72% der Exporte, 76% der Importe) sind damit innergemeinschaftlicher Warenaustausch mit den wesentlichen Merkmalen des Binnenhandels.

Der Beitritt der zehn Länder setzt dabei auf einen langen und weitreichenden Prozess der Handelsliberalisierung mit diesen Staaten im Laufe der neunziger Jahre auf. Dieser hat die Wirkungen einer EU-Integration, zumindest was den Bereich der Industrieprodukte betrifft, großteils schon vorweggenommen, sodass mit dem Beitritt selbst unmittelbar keine großen Veränderungen zu erwarten sind, sondern allenfalls eine Verstärkung der bereits seit der Ostöffnung sichtbaren Trends.

Schon vor der Ostöffnung 1989 hatte Österreich in den wirtschaftlichen Ost-West-Beziehungen spezifische Wettbewerbsvorteile und Kenntnisse gesammelt und eine Brückenfunktion zu den Ostmärkten aufgebaut. Diese Kenntnisse konnte die Wirtschaft vor allem in den ersten Jahren nach dem Umbruch im Osten zu ihrem Vorteil nutzen. Früher als die Mitbewerber erschlossen österreichische Unternehmen den neuen Markt und nutzten die Investitionsmöglichkeiten; sie schöpften damit den "Fist-Mover"-Vorteil voll aus.

Die Nachfrage aus den Beitrittsländern wurde zur maßgeblichen Stütze der österreichischen Ausfuhr: Die Exporte wuchsen im Zeitraum 1993 bis 2003 um durchschnittlich 11,6% pro Jahr, was einer Verdreifachung des Ausfuhrvolumens entspricht.

Zugleich wuchsen die Importe Österreichs aus den Beitrittsländern mit +14,1% p. a. doppelt so schnell wie der Gesamtimport Österreichs (+6,9%). Dies ist auch ein deutliches Zeichen für die erfolgreiche Transformation der früheren Planwirtschaften, mit der ein tiefgreifender Wandel der Exportstruktur und eine Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit einhergingen. Hohe ausländische Direktinvestitionen in den Transformationsländern waren ein bedeutender Faktor der Exportperformance dieser Länder.

Trotz des Wachstumsvorsprungs der Importe erwirtschaftet Österreich im Handel mit den Beitrittsländern einen Exportüberschuss (2003 1,4 Mrd. Euro); er trug maßgeblich zur Dämpfung des Defizits im Gesamthandel bei. Seit 1997 zeichnet sich allerdings eine Verringerung des Exportüberschusses mit Ost-Mitteleuropa ab. Dies ist zum Teil auf einen verstärkten Vorleistungsbezug im Rahmen einer fortschreitenden vertikalen Arbeitsteilung mit der Region zurückzuführen. Der kostengünstige Bezug aus diesen Staaten ermöglichte in vielen Bereichen eine Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und damit auch die bessere Durchsetzung auf den Märkten der Industriestaaten.

Die Bedeutung der Märkte und die Entwicklung des Außenhandels sind innerhalb der Gruppe der Beitrittsländer sehr unterschiedlich. Österreichs Handelsbeziehungen konzentrierten sich bisher auf die MOEL 5 (Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn, Slowenien). Mit Ausnahme der Slowakei erwirtschaftet Österreich mit jedem einzelnen Land dieser Gruppe Exportüberschüsse, die höchsten mit Ungarn und Slowenien. Ungarn ist der weitaus wichtigste Markt für österreichische Exporte in den MOEL 5 und lag 2003 mit 4,0% der Gesamtexporte an der siebenten Stelle der Rangliste österreichischer Exportdestinationen. Tschechien ist der zweitwichtigste Markt in Ost-Mitteleuropa.

Besonders dynamisch entwickelt sich der Außenhandel mit der Slowakei, die Exporte stiegen um das 4-fache, die Importe um mehr als das 6-fache. Mit der großen Dynamik der Importe drehte sich die Handelsbilanz mit der Slowakei 1999 in ein Passivum. Auch der Exportüberschuss mit Tschechien verringert sich seither stetig und war 2003 mit –0,2 Mrd. Euro erstmals negativ. Nach Slowenien exportiert Österreich etwa gleich viel wie nach Polen, das der weitaus größere Markt ist.

Die anderen Beitrittsländer spielen im österreichischen Außenhandel bisher eine unbedeutende Rolle, ihr Anteil am Gesamthandel übersteigt nicht die Marke von 0,1%. Die Erweiterung der EU um die baltischen Länder sowie Malta und Zypern dürfte damit insgesamt nur eine geringe Bedeutung für Österreichs Wirtschaft haben. Ausgehend von einem sehr niedrigen Niveau des bilateralen Handels entwickelt sich die Ausfuhr in die baltischen Länder jedoch sehr dynamisch.

Eine Analyse der Marktanteile zeigt die starke Position österreichischer Exporteure in den Nachbarstaaten unter den Beitrittländern: Am höchsten ist der Marktanteil in Slowenien (15,7%) vor Ungarn (12,5%), der Slowakei (12%) sowie Tschechien (7,4%). In den Nachbarstaaten in Osteuropa ist die Marktstellung österreichischer Exporteure deutlich stärker als die aller Konkurrenzländer.

Bis etwa 1992 weitete Österreich seine Marktposition in den MOEL 5 außergewöhnlich stark aus, seither waren allerdings fast durchwegs Positionsverluste zwischen 20% und 30% zu verzeichnen. Nach der außergewöhnlichen Steigerung der Exporte nach der Ostöffnung und mit dem Nachdrängen der westlichen Mitbewerber (Ausklingen der "First-Mover"-Vorteile) waren diese Verluste teilweise unvermeidlich und sollten nicht allgemein als Misserfolg, wenn auch als Warnsignal interpretiert werden. In Slowenien, aber auch in den baltischen Ländern sowie Malta und Zypern verbesserte Österreich seine Marktstellung in dieser Zeit, in Polen wurde die Position gehalten.

Übersicht 1: Österreichs Außenhandel mit den 10 EU-Beitrittsländern

 20031993/200320032002
 Anteile amEntwicklungHandelsbilanzMarktanteil
 ExportImportExportImport   
 Österreichs in %Durchschnittliche jährliche Veränderung in %Mio. EuroIn % des BIPIn %
        
5 MOEL12,310,6+11,4+14,11.1710,528,2
  Tschechien3,13,3+11,3+14,7–219–0,107,4
  Slowakei1,51,8+14,8+20,1–235–0,1112,0
  Ungarn4,03,2+10,2+12,75790,2612,5
  Slowenien2,01,1+12,1+13,36900,3115,7
  Polen1,71,2+11,1+11,23550,163,3
Baltikum0,30,1+36,4+24,51750,082,0
  Estland0,10,1+40,3+31,6360,021,8
  Lettland0,10,0+32,3+17,9580,032,8
  Litauen0,10,0+37,6+23,6820,041,7
Malta0,00,0+12,4+3,7120,010,6
Zypern0,10,0+10,0–2,9440,022,7
        
10 EU-Beitrittsländer12,710,7+11,6+14,11.4020,637,3
        
Welt100,0100,0+8,7+6,9–1.361–0,611,9

Q: WIFO-Datenbank laut Statistik Austria.

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem WIFO-Monatsbericht 4/2004!