16. Februar 2004 • Unterschiedliche Geld- und Fiskalpolitik der Industrieländer in der wachstumsschwachen Phase seit dem Jahr 2000 • Stephan Schulmeister

Seit dem Jahr 2000 verlangsamte sich das Wirtschaftswachstum in den Industrieländern in sehr unterschiedlichem Ausmaß: In den USA wuchs das BIP zwischen 2000 und 2003 um 5,7%, in Deutschland stagnierte es (+1,0%), im übrigen Euro-Raum expandierte es hingegen um 4,1%. Drei Faktoren waren für diese Wachstumsdifferenzen bestimmend: die unterschiedlichen Auswirkungen des Aktienkursverfalls, die unterschiedliche Geld- und Fiskalpolitik sowie die Entwicklung des Wechselkurses zwischen Dollar und Euro.

Der Rückgang der Aktienkurse seit dem Frühjahr 2000 verschlechterte Finanzlage und Investitionsbereitschaft der Unternehmen in Deutschland stärker als in den USA: Erstens hatten die deutschen Unternehmen während des Aktienbooms in höherem Maß Aktien erworben als in den USA, und zweitens sind die Aktienkurse in Deutschland seit 2000 viel stärker gesunken als in den USA.

In den USA reagierte die Geldpolitik auf die Wachstumsverlangsamung mit einem raschen Wechsel zu einem expansiven Kurs. Die Notenbank senkte die Leitzinsen von 6,5% auf 1,0%; dies verringerte die Zinsenlast von Unternehmen und Haushalten und stimulierte insbesondere die Wohnbauinvestitionen (sie expandierten zwischen 2000 und 2003 um 13,1%).

Auch die Fiskalpolitik wurde in den USA seit 2000 stark expansiv. Die Steuerreform 2001 senkte die Steuerbelastung der Haushalte zwischen 2000 und 2002 um 3,8% ihres verfügbaren Einkommens. Die Unternehmen wurden hingegen nicht durch Steuersenkungen gefördert, sondern durch öffentliche Aufträge: Zwischen 2000 und 2003 expandierten die öffentlichen Bruttoinvestitionen und der öffentliche Konsum um 9,9% bzw. 12,4%. Die expansive Fiskalpolitik spiegelt sich auch in der Steigerung der Beschäftigung im öffentlichen Dienst um 3,4% zwischen 2000 und 2003.

Seit dem Frühjahr 2002 erhalten die Exporte der USA und damit indirekt die Investitionen der Unternehmen durch die Abwertung des Dollars kräftige Impulse (dazu trug die Zinspolitik wesentlich bei).

Abbildung 1: Wirtschaftsentwicklung in den USA und in Deutschland

Q: Federal Reserve Bank, OECD, IMF.

Die EZB senkte den Euro-Leitzins zwischen Mai 2001 und Juni 2003 von 4,75% auf 2,0%. Diese Zinssenkung war insbesondere für die deutsche Wirtschaft unzureichend, weil die Inflation in Deutschland deutlich niedriger war als im übrigen Euro-Raum. Überdies gaben die deutschen Geschäftsbanken die Senkung der EZB-Leitzinsen nur zur Hälfte an die Kreditnehmer weiter. Beide Faktoren trugen dazu bei, dass sich der Wohnbau 2000/2003 in Deutschland viel schlechter entwickelte (–14,9%) als im übrigen Euro-Raum (+5,3%).

Obwohl die Steuerreform 2001 die Unternehmen in Deutschland stark entlastete (insbesondere durch die Senkung der Körperschaftsteuer auf 25%), entwickelte sich die Investitionsnachfrage zwischen 2000 und 2003 viel ungünstiger (–12,2%) als im übrigen Euro-Raum (–1,3%). Dazu trug auch die unterschiedlich expansive Staatsnachfrage bei. So wurden die öffentlichen Investitionen in Deutschland um 5,3% gesenkt, im übrigen Euro-Raum hingegen um 7,5% ausgeweitet. Ähnlich unterschiedlich entwickelte sich die Beschäftigung im öffentlichen Dienst – sie wurde in Deutschland um 3,7% verringert, im übrigen Euro-Raum hingegen um 3,5% erhöht.

Trotz restriktiver Fiskalpolitik drehte sich der Fiinanzierungssaldo der öffentlichen Haushalte in Deutschland zwischen 2000 und 2003 von einem Überschuss von 1,3% des BIP in ein Defizit von 4,1%. In den USA verschlechterte sich der Haushaltssaldo nur geringfügig stärker, im Euro-Raum ohne Deutschland weniger stark (um 6,4% bzw. 1,8% des BIP). Gleichzeitig ermöglichte die anders als in Deutschland expansive und antizyklische Fiskalpolitik im übrigen Euro-Raum und insbesondere in den USA eine wesentlich bessere Performance der Gesamtwirtschaft.

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem WIFO-Monatsbericht 2/2004!