19. Dezember 2003 • Prognose für 2004 und 2005: Konjunkturerholung gewinnt an Kontur • Markus Marterbauer

Im Zuge der Konjunkturerholung wird sich das Wachstum des BIP, getragen von Exporten, Sachgütererzeugung und Ausrüstungsinvestitionen, von real 0,7% im Jahr 2003 auf 1,7% 2004 erhöhen. In den letzten Monaten haben sich die weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen für einen Konjunkturaufschwung merklich verbessert. Allerdings bleiben Risken bestehen – vor allem die markante Aufwertung des Euro könnte die Erholung bremsen. Deshalb ist der Ausblick auf das Jahr 2005 von +2½% noch ungesichert. Entgegen den Erfahrungen vergangener Konjunkturzyklen löst die Beschleunigung des Wirtschaftswachstums keine Trendwende auf dem Arbeitsmarkt aus. Die Arbeitslosenquote verharrt aufgrund des starken Anstiegs des ausländischen Arbeitskräfteangebotes bei 4,5% der Erwerbspersonen.

Das Wirtschaftswachstum blieb in Österreich im Jahr 2003 mit real +0,7% zum dritten Mal in Folge beträchtlich unter dem langjährigen Durchschnitt. Mit der Wirtschaftskrise der letzten Jahre waren erhebliche Wohlfahrtsverluste verbunden. Nun deuten zahlreiche Indikatoren auf eine Überwindung der Stagnation hin. Die Impulse kommen vom Aufschwung der Weltwirtschaft. Vor allem China entwickelt sich mit einer hohen Wirtschaftsdynamik zu einem wesentlichen Wachstumspol nicht nur im asiatischen Raum. In den USA hat sich der Aufschwung gefestigt, er ist nicht mehr nur von Steuersenkungen und der Ausweitung der Militärausgaben getragen. Diese positiven Impulse werden sich auch auf die Wirtschaft im Euro-Raum übertragen, die noch immer von einer Schwäche der Binnennachfrage beeinträchtigt wird. Allerdings wird die Konjunkturerholung in den Ländern der Währungsunion verhalten ausfallen. Die deutliche Überbewertung des Euro gegenüber dem Dollar bremst das Export- und Investitionswachstum erheblich, und die Budgetpolitik wird auch in den kommenden Jahren restriktiv bleiben. In Deutschland wird die Exportwirtschaft vom Aufschwung des Welthandels profitieren, zudem könnte die Krise der Bauwirtschaft ihren Tiefpunkt langsam überwinden; somit dürfte das Wirtschaftswachstum mittelfristig wieder zum Durchschnitt der Euro-Länder aufschließen.

Getragen von einer Belebung der Gesamtnachfrage der wichtigsten Handelspartner sollte sich die österreichische Warenausfuhr allmählich erholen; sie bildet den wichtigsten Motor für einen Aufschwung der Gesamtwirtschaft. Allerdings erleiden die heimischen Exporteure aufgrund des Anstiegs des real-effektiven Wechselkurses für Industriewaren (2003 +2¼%) und schwieriger Bedingungen in den Beitrittsländern leichte Marktanteilsverluste. Die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der Exportindustrie hat sich gemessen an den relativen Lohnstückkosten gegenüber den Handelspartnern mittelfristig jedoch deutlich verbessert (1998/2002 –10%). Der Anteil der Warenausfuhren am BIP nimmt weiter zu und könnte im Jahr 2004 36% erreichen. Damit geht eine Beschleunigung des Exportwachstums von real +2% im Jahr 2003 auf +5% im Jahr 2004 einher. Somit kann auch die Sachgütererzeugung nach zwei Jahren der Stagnation wieder kräftig ausgeweitet werden; das Wachstum der Wertschöpfung wird 2004 real 3% erreichen und dürfte sich in Folge weiter erhöhen.

Übersicht 1: Hauptergebnisse der Prognose

 200020012002200320042005
 Veränderung gegen das Vorjahr in %
       
Bruttoinlandsprodukt      
  Real

+3,4

+0,8

+1,4

+0,7

+1,7

+2,4

  Nominell

+4,9

+2,8

+2,7

+2,5

+3,2

+3,9

Sachgütererzeugung1), real

+6,4

+1,5

+0,5

+0,3

+3,0

+4,5

Handel, real

+3,7

–0,0

+1,2

+1,6

+2,1

+2,4

Private Konsumausgaben, real

+3,3

+1,4

+0,8

+1,3

+1,8

+2,1

Bruttoanlageinvestitionen, real

+6,2

–2,3

–2,8

+2,5

+2,7

+3,8

  Ausrüstungen2)

+11,8

–2,1

–5,2

+3,5

+4,0

+6,0

  Bauten

+1,9

–2,5

–0,7

+1,7

+1,7

+1,9

Warenexporte3)

 

 

 

 

 

 

  Real

+13,1

+7,5

+5,2

+2,0

+5,0

+7,0

  Nominell

+15,6

+6,5

+4,2

+1,5

+5,0

+7,5

Warenimporte3)

 

 

 

 

 

 

  Real

+10,9

+5,7

+0,8

+3,3

+5,0

+7,0

  Nominell

+14,7

+5,0

–2,0

+2,5

+5,0

+7,5

Leistungsbilanzsaldo Mrd. Euro

–5,36

–4,13

+0,75

+0,19

+0,36

+0,52

in % des BIP

–2,6

–1,9

+0,3

+0,1

+0,2

+0,2

Sekundärmarktrendite4) in %

5,6

5,1

5,0

4,2

4,3

4,0

Verbraucherpreise

+2,3

+2,7

+1,8

+1,3

+1,2

+1,4

Arbeitslosenquote

 

 

 

 

 

 

  In % der Erwerbspersonen5)

3,7

3,6

4,3

4,5

4,5

4,5

  In % der unselbständigen Erwerbspersonen6)

5,8

6,1

6,9

7,0

7,1

7,0

Unselbständig aktiv Beschäftigte7)

+1,0

+0,4

–0,5

+0,2

+0,6

+1,0

Finanzierungssaldo des Staates
(laut Maastricht-Definition) in % des BIP

–1,5

+0,3

–0,1

–0,9

–0,9

–0,6

 1) Nettoproduktionswert, einschließlich Bergbau. –  2) Einschließlich sonstiger Anlagen. –  3) Laut Statistik Austria. –  4) Bundesanleihen mit einer Laufzeit von 10 Jahren (Benchmark). –  5) Laut Eurostat (Mikrozensus). –  6) Laut Arbeitsmarktservice. –  7) Unselbständig Beschäftigte ohne Bezug von Karenz- bzw. Kinderbetreuungsgeld, ohne Präsenzdienst.

Die Warenimporte wuchsen im Jahr 2003 merklich rascher als der Export, der Saldo der Handelsbilanz hat sich verschlechtert. Dies ist die Folge einer unerwartet starken Zunahme der Ausrüstungsinvestitionen. Die Nachfrage nach Fahrzeugen, Maschinen und Elektrogeräten erhöhte sich, angeregt durch die Investitionszuwachsprämie, vor allem im II. und III. Quartal deutlich. Dies spiegelt sich auch im regen Umsatzwachstum im Großhandel. Erst 2004 und 2005 sollte sich die Investitionstätigkeit auch konjunkturbedingt verstärken, sie könnte eine Rate von real +4% bzw. +6% erreichen.

Unter den inländischen Nachfragefaktoren stützten im Jahr 2003 die Bauinvestitionen die Konjunktur (real +1¾%). Dafür spielte der beschleunigte Ausbau der Schienen- und Straßeninfrastruktur eine tragende Rolle. Nun beginnt sich auch die Nachfrage im Wohnbau, die von 1999 bis 2002 markant zurückgegangen war, zu erholen. Ausgehend von einem Tiefpunkt von 42.000 fertig gestellten Wohnungen im Jahr 2001 lässt der Anstieg der Zahl der Baubewilligungen eine Belebung erwarten. Die Bauwirtschaft wird auch 2004 und 2005 um fast 2% pro Jahr wachsen.

Die Konsumausgaben der privaten Haushalte stiegen in den letzten drei Jahren real um mehr als 1 Prozentpunkt pro Jahr langsamer als im langjährigen Durchschnitt. Der Einzelhandel und andere Dienstleistungsbereiche litten unter der schwachen Entwicklung von Nettoeinkommen und Nachfrage. Für die kommenden Jahre zeichnet sich eine langsame Aufwärtstendenz ab. Zwar erhöhen sich Pro-Kopf-Einkommen und Beschäftigung, aber auch die Sparquote weist einen steigenden Trend auf. Der private Konsum wird deshalb in den kommenden Jahren real um etwa 2% zunehmen. Die Wertschöpfung könnte im Einzelhandel um 1½% bis 2% pro Jahr wachsen; dies gilt auch für den Bereich Verkehr und Nachrichtenübermittlung. Etwas kräftiger dürfte die Erholung im Realitätenwesen ausfallen, das von steigender Nachfrage im Wohnungsbereich profitiert; allerdings bestehen erhebliche Überkapazitäten an Bürobauten. Im Beherbergungs- und Gaststättenwesen wird die Wertschöpfung um mehr als 2% pro Jahr wachsen. Neben steigenden Ausgaben der Österreicher spiegelt dies auch ein Aufleben des internationalen Tourismus wider. Der negative Effekt der Aufwertung des Euro auf den heimischen Reiseverkehr wird durch die positiven Auswirkungen der Erholung der Einkommen in wichtigen Herkunftsländern mehr als kompensiert.

Die Konjunkturbelebung löst keine Beschleunigung der Inflation aus. Die Preisstabilität bleibt mit einer Inflationsrate von 1¼% im Jahr 2004 gewahrt, und auch 2005 ist auf Verbraucherebene mit einem Preisauftrieb von nur knapp 1½% zu rechnen.

Die Wirtschaftskrise der letzten drei Jahre kam im kräftigen Anstieg der Zahl der Arbeitslosen (saisonbereinigt seit Jänner 2001 +58.000) am deutlichsten zum Ausdruck. Trotz allmählicher Konjunkturerholung zeichnet sich keine Trendwende auf dem Arbeitsmarkt ab. Zwar reagiert die Zahl der aktiv Beschäftigten sensibel auf die Steigerung der Produktion von Gütern und Dienstleistungen, die Arbeitslosigkeit geht aber aufgrund der kräftigen Ausweitung des Arbeitskräfteangebotes nicht zurück. Neben der Erleichterung des Zugangs für ausländische Arbeitskräfte, die schon länger in Österreich sind, ist dies vor allem eine Folge der lockeren Handhabung der Saisonnierregelungen. Die Zahl der Arbeitslosen dürfte im Jahr 2005 bei 243.000 liegen, das entspricht einer Arbeitslosenquote von 7% der unselbständigen Erwerbspersonen und 4,5% der Erwerbspersonen laut Eurostat.

Im Jahr 2003 erhöhte sich das Defizit der öffentlichen Haushalte wegen des konjunkturbedingt schwachen Abgabenaufkommens und steigender Ausgaben für Kinderbetreuungsgeld und Altersteilzeit deutlich. Es dürfte etwa 0,9% des BIP betragen haben. 2004 wird der Finanzierungssaldo etwa gleich hoch sein; begünstigt durch höhere Steuereinnahmen infolge der Konjunkturerholung könnte er sich im Jahr 2005 leicht verbessern (–0,6% des BIP). Diese Prognose umfasst nicht eine von der Bundesregierung angekündigte Steuersenkung im Jahr 2005, da bislang Detailinformationen fehlen. Sollte die Steuerreform mit einem Volumen von 2½ Mrd. Euro sowohl die Lohn- und Einkommensteuer als auch die Körperschaftsteuer umfassen und überwiegend durch eine Ausweitung des Budgetdefizits finanziert werden, so lassen erste Schätzungen erwarten, dass das Wirtschaftswachstum kurzfristig um gut ½ Prozentpunkt beschleunigt und das Passivum im Finanzierungsaldo um knapp 1% des BIP erhöht würde. Das WIFO wird eine genauere Abschätzung der gesamtwirtschaftlichen Folgen der Steuerreform aber erst nach Vorliegen konkreter Informationen über Struktur, Verteilungswirkungen und Finanzierung vorlegen.

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem WIFO-Monatsbericht 1/2004!