11. Dezember 2003 • Zur Steuerreform 2005 • Margit Schratzenstaller

Nach der Verabschiedung der ersten Stufe der in zwei Etappen geplanten Steuerreform 2004/05 werden derzeit die Detailregelungen für die zweite Stufe erarbeitet. Aus diesem Anlass identifiziert das WIFO in seinem jüngsten Monatsbericht einige Eckpunkte der geplanten Reform, die sich aus bestehenden Strukturdefiziten des österreichischen Steuersystems ableiten lassen. Die Analyse umfasst mit Körperschaftsteuer, Einkommensteuer und der vermögensbezogenen Besteuerung drei zentrale Bereiche des österreichischen Steuersystems.

Neben den grundlegenden wirtschaftspolitischen Zielen, die ein Steuersystem beachten muss (allokations- und wachstumspolitische, standortpolitische, verteilungspolitische und stabilitätspolitische Zielsetzungen und Erfordernisse), spielen für die geplante Steuerreform 2004/05 die bevorstehende EU-Erweiterung und die damit einhergehende Gefahr eines sich verschärfenden internationalen Steuerwettbewerbs eine Rolle.

Der Körperschaftsteuersatz liegt in Österreich mit 34% über dem Durchschnitt der EU 15 (31,5%) und noch deutlicher über dem für 2004 zu erwartenden durchschnittlichen Niveau in den zehn ostmitteleuropäischen Beitrittskandidatenländern (21,2%). Nominale Steuersätze haben in einer international verflochtenen Wirtschaft eine wichtige Signalfunktion. Dieser kommt umso größere Bedeutung zu, je schwieriger und aufwendiger die Beschaffung von Informationen über die konkreten Detailregelungen des gesamten Unternehmenssteuerrechts ist und je größere Defizite in den übrigen Standortfaktoren bestehen. Zur Beurteilung der effektiven Unternehmenssteuerlast müssen jedoch auch die Regelungen zur Ermittlung des zu versteuernden Gewinns berücksichtigt werden.

Eine Auswertung der Studien, die mit unterschiedlichen methodischen Ansätzen die effektive Unternehmenssteuerlast berechnen, bestätigt, dass Österreich im internationalen Vergleich besser abschneidet als auf der Grundlage des tariflichen Körperschaftsteuersatzes; die internationalen Berechnungen liegen dabei jedoch weit auseinander. Der Tarifsatz der Körperschaftsteuer spiegelt somit die insgesamt offenbar günstigere Besteuerung von Unternehmensgewinnen in Österreich nicht angemessen wider, eine Senkung sollte erwogen werden. Durch eine Strategie der gleichzeitigen Verbreiterung der Bemessungsgrundlage könnte die Körperschaftsteuersatzsenkung etwas deutlicher ausfallen.

Die dadurch angestrebte Standortverbesserung sollte und wurde teilweise schon durch gezielte Steueranreize verstärkt, die Investitionen der Unternehmen in technologische Innovationen und Humankapital ihrer Beschäftigten fördern. Gleichzeitig sollten die Regelungen des österreichischen Körperschaftsteuersystems zur Ermittlung des zu versteuernden Gewinns an die internationalen Standards angenähert werden. Dies hat für ausländische Investoren den Vorteil der erhöhten Vergleichbarkeit und Transparenz.

In der aktuellen steuerpolitischen Debatte spielt die grundsätzliche Ausgestaltung des Einkommensteuertarifs eine zentrale Rolle. Diese Diskussion wird inspiriert durch das Beispiel einiger Beitrittsländer, die statt einer progressiven Einkommensteuer eine "Flat Tax" erheben oder deren Einführung planen. Verteilungspolitisch ist eine solche Proportionalsteuer problematisch, weil sie gegen die traditionelle Interpretation des steuerlichen Leistungsfähigkeitsprinzips verstößt, die eine progressive Besteuerung verlangt. Aus stabilitätspolitischer Perspektive hat eine Flat Tax gegenüber einer progressiven Einkommensteuer den Nachteil, dass sie nicht als passives Instrument der automatischen Konjunkturstabilisierung eingesetzt werden kann, weil sie Konjunkturschwankungen, die mit gleichläufigen Ausschlägen insbesondere der Einkünfte der Selbständigen einhergehen, nicht abmildern.

Die geplante Reform der Einkommensteuer sollte negative Arbeitsanreize beseitigen und positive Arbeitsanreize in das Steuersystem einbauen. Im Bereich der niedrigen Einkommen sollte eine Senkung des vergleichsweise hohen Eingangssteuersatzes oder eine Reduktion der lohnabhängigen Abgaben erwogen werden, um die Grenzbelastung bei Arbeitsaufnahme zu dämpfen. Positive Incentives könnte die Einführung von Steuernachlässen bei Aufnahme eines Beschäftigungsverhältnisses nach dem Vorbild der USA ("Earned Income Tax Credit") geben. Der hohe Einkommensteuer-Spitzensatz in Österreich kann für hochqualifizierte Arbeitnehmer aus dem Ausland den Anreiz zur Aufnahme einer Beschäftigung in Österreich verringern. Die effektive Besteuerung von Selbständigen, die planerisch oder kreativ tätig sind und höhere Einkommen erzielen, erreicht im Zusammenwirken mit der vergleichsweise hohen Umsatzsteuer häufig über 50%. Dies legt die Einführung spezieller Steueranreize für diese Tätigkeitsbereiche nahe.

Vermögen wird in Österreich (Erbschafts- und Schenkungssteuer sowie Grundsteuer) wesentlich geringer besteuert als im internationalen Durchschnitt. In Österreich wird Grundvermögen nicht auf der Basis des Verkehrswertes, sondern des wesentlich geringeren Einheitswertes mit Erbschafts- und Schenkungssteuer sowie Grundsteuer belegt wird. Ein wichtiger Reformschritt wäre eine Heranführung der Einheitswerte, um die zunehmenden Bewertungs- und damit Steuerdifferenzen innerhalb des Grundvermögens zu nivellieren. Entsprechend wären allerdings auch die Freigrenzen der betreffenden Steuern anzuheben. Dies würde außerdem den Spielraum für eine Senkung der Körperschaft- und Einkommensteuer erhöhen.

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem WIFO-Monatsbericht 12/2003!