26. September 2003 • Prognose für 2003 und 2004: Schwäche der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage allmählich überwunden • Markus Marterbauer

Die heimische Wirtschaft wird im Jahr 2003 um nur 0,7% wachsen. Einzelhandel und Investitionen entwickeln sich relativ günstig. Hingegen haben sich Export und Sachgüterproduktion bislang nicht verbessert. In Europa zeigen Unternehmens- und Verbraucherbefragungen eine leichte Aufhellung der Erwartungen. Sollte sich die etwas optimistischere Stimmung in einer Erholung der Produktion bestätigen, dann könnte Österreichs BIP im kommenden Jahr real um 1,4% zunehmen.

Die österreichische Wirtschaft expandierte im 1. Halbjahr gegenüber dem Vorjahr um nur 0,6%. Anders als in den Jahren 2001 und 2002 stabilisiert nun die Inlandsnachfrage die Konjunktur – dank einer verhalten, aber stetig steigenden Konsumnachfrage sowie leichter Zuwächse bei Bau- und Ausrüstungsinvestitionen. Die Zunahme des Exports schwächt sich hingegen merklich ab. Das Wirtschaftswachstum wird im Jahr 2003 zum dritten Mal in Folge deutlich unter dem langjährigen Durchschnitt bleiben.

Die Aussichten für 2004 sind noch immer sehr vage. Im Euro-Raum fehlen eindeutige Hinweise auf einen Konjunkturaufschwung, das BIP stagniert saisonbereinigt gegenüber dem Vorquartal seit Ende 2002 (1. Halbjahr 2003 +0,5% gegenüber dem Vorjahr). Hingegen haben sich die Erwartungen einer weltweiten Erholung in den letzten Monaten gefestigt. Asien bildet den Wachstumspol der Weltwirtschaft, jüngst hat die Nachfragedynamik sogar die lahmende japanische Wirtschaft erfasst. Die Wirtschaft der USA wuchs im 1. Halbjahr um 2¼%, allerdings zum überwiegenden Teil aufgrund einer bedeutenden Ausweitung der Militärausgaben.

Eine Erholung der Nachfrage im Welthandel könnte Impulse für die Wirtschaft im Euro-Raum mit sich bringen. Im Sommer hat sich die Stimmung unter den Unternehmen leicht verbessert, selbst in Deutschland wird die Lage nun etwas zuversichtlicher eingeschätzt. Allerdings bleibt eine Reihe von wachstumsbremsenden Kräften wirksam: Das nach wie vor hohe Niveau des Dollar-Euro-Wechselkurses belastet Export und Investitionen. Die Investitionen in Maschinen und Fahrzeuge – die Schlüsselgröße der Konjunktur – beleben sich wegen der niedrigen Kapazitätsauslastung noch nicht. Expansive Signale der EU-Wirtschaftspolitik fehlen. Solange die Binnennachfrage nicht merklich anzieht, wird sich die Konjunktur nur zögernd aus der seit drei Jahren anhaltenden Stagnation erholen. Ein markanter Aufschwung ist nicht in Sicht. Das Wirtschaftswachstum dürfte im Jahr 2004 im Euro-Raum bei etwa 1½% und in Deutschland bei 1% liegen.

Die Nachfrage nach österreichischen Exportgütern entwickelt sich aufgrund der Schwäche der Binnennachfrage in der EU und in den Beitrittsländern sehr verhalten. Dazu kommen geringe Marktanteilsverluste für die heimischen Exporteure. Der Anstieg des real-effektiven Wechselkurses (2003 +2%) kann kurzfristig durch das rege Produktivitätswachstum in der Sachgütererzeugung, das durch einen markanten Beschäftigungsabbau zustande kommt, nicht ausgeglichen werden. Die relativen Lohnstückkosten steigen gegenüber den Handelspartnern etwas, längerfristig dagegen haben sie sich markant verringert (1995/2002 –15%). Das Wachstum der Warenexporte verlangsamt sich merklich, es beträgt heuer real nur noch 2%. Im kommenden Jahr sollte eine langsame Erholung der Nachfrage bei den Handelspartnern für eine leichte Verbesserung sorgen (+3¾%). Auch der Reiseverkehr leidet unter der schlechten Wirtschaftsentwicklung in Europa. Für heuer zeichnet sich bei den realen Deviseneinnahmen eine Stagnation ab.

Die Rahmenbedingungen für einen endogenen Investitionsaufschwung bleiben vorerst ungünstig. Die Kapazitätsauslastung liegt deutlich unter dem langjährigen Durchschnitt, die Absatzerwartungen der Unternehmen weisen noch nicht eindeutig aufwärts. Dennoch dürften die Ausrüstungsinvestitionen das Vorjahresniveau heuer um mindestens 2% übersteigen. Die bis Jahresende befristete Investitionszuwachsprämie veranlasst die Unternehmen zwar kaum zu dauerhaft erhöhten Investitionen, lässt sie aber für 2004 geplante Projekte vorziehen.

Für die Sachgütererzeugung liegen seit Jahresbeginn keine Daten von Statistik Austria vor; der WIFO-Konjunkturtest deutet auf einen Rückgang im 1. Halbjahr hin. Die Produktion dürfte im 1. Halbjahr um ½% unter dem Niveau des Vorjahres gelegen sein. Angesichts der ungünstigen Entwicklung im Export ist für den Jahresdurchschnitt bestenfalls eine Stagnation zu erwarten. Die Unternehmen geben an, ihre Lager nicht weiter abzubauen. Dies könnte ein erster Hinweis auf eine bevorstehende Erholung der Produktion sein. Für das kommende Jahr wird mit einem Produktionszuwachs von 2% gerechnet. Da die Produktion überwiegend nachfrageseitig beschränkt ist, dürfte die Tatsache, dass 2004 um 3 Arbeitstage mehr zur Verfügung stehen als 2003, keine merklichen Auswirkungen haben. Leicht positive Effekte in der Sachgütererzeugung dürften gesamtwirtschaftlich durch eine Abnahme der Wertschöpfung im Tourismussektor kompensiert werden.

Deutlich kräftiger als im vergangenen Jahr zeigen sich heuer die Bauinvestitionen. Die Ausweitung des Finanzierungsrahmens für SCHIG und Asfinag schlägt sich in einer Zunahme der Investitionen im Tiefbau um 15% nieder. Auch die im Wohnungsbau tätigen Unternehmen zeigen sich nach einer langen Flaute wieder optimistischer. Der Bedarf an Wohnungen hat zugenommen, und die Bewilligungen im geförderten Wohnbau beginnen zu steigen. Dank der Expansion im Tiefbau geht die Bauproduktion heuer nicht mehr zurück, sie dürfte im Jahresdurchschnitt real um 1,4% höher sein als im Vorjahr. Für das kommende Jahr wird ein Wachstum von 1,7% erwartet. Der antizyklische Einsatz von langfristig sinnvollen Maßnahmen zur Verbesserung der Infrastruktur stützt die Konjunktur. Die Wirtschaftspolitik sollte angesichts des hohen Anteils des Bausektors am BIP allerdings darauf achten, dass die öffentlichen Anreize in der nächsten Hochkonjunkturphase wieder restriktiver gehandhabt werden.

Nachdem die Binnennachfrage in den Jahren 2001 und 2002 das Wirtschaftswachstum merklich gedämpft hat, werden für heuer positive Impulse erwartet. Neben der günstigeren Entwicklung der Investitionen trägt dazu auch der private Konsum bei: Er expandiert mit real +1,3% zwar deutlich langsamer als im langfristigen Durchschnitt (+2¼%), aber merklich rascher als die Gesamtwirtschaft. Die Nettorealeinkommen je Arbeitnehmer dürften heuer erstmals seit zwei Jahren nicht sinken, und das Wachstum der verfügbaren Einkommen festigt sich etwas. Neben der niedrigen Inflation (2003 und 2004 jeweils 1¼%) trägt dazu auch die Ausweitung von Transfers (vor allem Kinderbetreuungsgeld) bei. Der Handel kann in beiden Jahren mit guten Umsatzsteigerungen rechnen (reale Wertschöpfung 2003 +2%, 2004 +2¼%). Gekürzt werden vor allem Reiseausgaben im Ausland (2003 –3%), nicht hingegen die Anschaffung von Pkw. Der Sparanteil am verfügbaren Einkommen erhöht sich leicht.

Übersicht 1: Hauptergebnisse der Prognose

 199920002001200220032004
 Veränderung gegen das Vorjahr in %
       
Bruttoinlandsprodukt      
  Real

+2,7

+3,5

+0,7

+1,1

+0,7

+1,4

  Nominell

+3,4

+5,0

+2,3

+2,3

+2,6

+2,7

Sachgütererzeugung1), real

+3,0

+6,5

+1,3

+1,0

±0,0

+2,0

Private Konsumausgaben, real

+2,3

+3,3

+1,5

+0,9

+1,3

+1,6

Bruttoanlageinvestitionen, real

+2,1

+5,9

–2,2

–4,6

+1,7

+1,8

  Ausrüstungen2)

+4,9

+11,8

–2,9

–9,3

+2,0

+2,0

  Bauten

+0,0

+1,2

–1,5

–0,5

+1,4

+1,7

Warenexporte3)

 

 

 

 

 

 

  Real

+7,7

+13,1

+7,5

+4,2

+2,0

+3,8

  Nominell

+7,0

+15,6

+6,5

+4,2

+2,0

+3,3

Warenimporte3)

 

 

 

 

 

 

  Real

+6,9

+10,9

+5,7

–1,2

+2,3

+3,8

  Nominell

+6,7

+14,7

+5,0

–2,0

+2,0

+3,3

Leistungsbilanzsaldo, Mrd. Euro

–6,33

–5,36

–4,11

+0,95

–0,03

–0,39

  In % des BIP

–3,2

–2,6

–1,9

+0,4

–0,0

–0,2

Sekundärmarktrendite4), in %

4,7

5,6

5,1

5,0

4,1

4,3

Verbraucherpreise

+0,6

+2,3

+2,7

+1,8

+1,3

+1,2

Arbeitslosenquote

 

 

 

 

 

 

  In % der Erwerbspersonen5)

4,0

3,7

3,6

4,3

4,3

4,4

  In % der unselbständigen Erwerbspersonen6)

6,7

5,8

6,1

6,9

7,0

7,1

Unselbständig aktiv Beschäftigte7)

+1,2

+1,0

+0,4

–0,5

+0,2

+0,5

Finanzierungssaldo des Staates
(laut Maastricht-Definition), in % des BIP

–2,3

–1,5

+0,3

–0,2

–1,0

–1,2

 1) Nettoproduktionswert, einschließlich Bergbau. –  2) Einschließlich sonstiger Anlagen. –  3) Laut Statistik Austria. –  4) Bundesanleihen mit einer Laufzeit von 10 Jahren (Benchmark). –  5) Laut Eurostat (Mikrozensus). –  6) Laut Arbeitsmarktservice. –  7) Unselbständig Beschäftigte ohne Bezug von Karenz- bzw. Kinderbetreuungsgeld, ohne Präsenzdienst.

Auf dem Arbeitsmarkt zeichnet sich keine Trendwende ab. Die Zahl der Arbeitslosen steigt heuer auf 239.000 und im Jahr 2004 auf 244.000. Das entspricht einer Arbeitslosenquote von 7,1% der unselbständigen Erwerbspersonen laut traditioneller österreichischer Berechnung und 4,4% der Erwerbspersonen laut Eurostat.

Die Zunahme der Zahl der unselbständig aktiv Beschäftigten um 6.000 heuer und 15.000 im Jahr 2004 hat zu einem guten Teil institutionelle Gründe: Zu den Beschäftigten werden auch jene Personen in Altersteilzeit gerechnet, die ihre Freizeitphase bereits geblockt in Anspruch nehmen, aber noch im Personalstand der Unternehmen sind. Dies erhöht statistisch die Zahl der Beschäftigten 2003 um 2.500 und 2004 um 5.000. An Schulungen nehmen heuer um etwa 8.000 Arbeitslose mehr teil als im Vorjahr, ein Teil von ihnen wird als beschäftigt erfasst. Zu Jahresbeginn wurde die längst fällige Erleichterung des Zugangs von ausländischen Arbeitskräften mit längerer Aufenthaltsdauer zum Arbeitsmarkt gewährt. Das ermöglicht vor allem Frauen und Jugendlichen die Beschäftigungsaufnahme. Die Zahl der beschäftigten Ausländer erhöht sich 2003 und 2004 um jeweils etwa 15.000.

Das Wachstum der Steuereinnahmen bleibt trotz einer günstigen Entwicklung des Aufkommens an Umsatzsteuer heuer merklich unter jenem des nominellen BIP, hingegen steigen die Staatsausgaben rascher. Der Finanzierungssaldo des Staates laut Maastricht-Definition dürfte somit heuer bei –1% und im kommenden Jahr bei –1,2% des BIP liegen.

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem WIFO-Monatsbericht 10/2003!