17. September 2003 • Österreich soll ein attraktiver Standort für Forschungszentren werden • Hannes Leo

Im Rahmen der Studie "Wirtschaftspolitik zur Steigerung des Wirtschaftswachstums" – im Auftrag der Bundesregierung vertreten durch das Bundesministerium für Finanzen, Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit, Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie, Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur – hat das WIFO vorgeschlagen, die strukturellen Maßnahmen auf die Bereiche Forschung und Innovation, Ausbildung und Weiterbildung sowie Reformen auf dem Arbeitsmarkt zu konzentrieren. Dazu sind quantitativ höhere Forschungsmittel und eine tief greifende organisatorische Veränderung notwendig.

Österreich hat bei den Forschungsausgaben mit knapp 2% des BIP den europäischen Durchschnitt erreicht. Eine Spitzenposition im Einkommen setzt jedoch auch eine überdurchschnittliche Forschungsquote voraus. Die Bundesregierung peilt ein Ziel von 2,5% für 2005 bzw. 2006 an. Dies ist aus heutiger Sicht ein anspruchsvolles Ziel, da seine Erreichung zusätzliche private und öffentliche Ausgaben von zusammen etwa 1 Mrd. Euro pro Jahr erfordern würde. Die für 2003 und 2004 budgetierten Ausgaben tragen zur Zielerreichung nicht genügend bei. Selbst die Quote von 2,5% ist nach der Zielsetzung des Lissabon-Prozesses nur als Etappe zu verstehen, da Europa bis 2010 eine Forschungsquote von 3% erreichen will. Das 3%-Ziel berücksichtigt dabei noch nicht, dass Österreich als Land mit hohem Einkommen auch bei der Forschungsquote überdurchschnittlich liegen sollte. Schweden, Finnland und die Schweiz investieren heute schon mehr als 3% des BIP für Forschung.

Den größten Beitrag zur Erhöhung der Forschungsquote lieferte in den Jahren 1998 bis 2002 die öffentliche Hand. Die öffentlichen Ausgaben für Forschung expandierten in den genannten Jahren um 7% p. a. Die derzeitigen Budgets für 2003 und 2004 lassen – gemeinsam mit Fortschreibungen der Trends der privaten Ausgaben – für die Periode 2002 bis 2006 nur einen Anstieg der Forschungsausgaben von 3,9% erwarten, wobei die Ausgaben des Bundes mit 1,1% p. a. steigen werden. Damit würde die Forschungsquote auf dem unbefriedigenden Niveau von 2% stagnieren. Zur Erreichung des 2,5%-Ziels sind zusätzliche Ausgaben der öffentlichen Hand, eine Aufbruchsstimmung in der Privatwirtschaft und eine steigende Attraktivität Österreichs als Standort von Forschungszentren für internationale Firmen notwendig.

Die Organisation der direkten Forschungsförderung weist entscheidende Schwächen auf. Hannes Leo skizziert ein Strategiedefizit, ein Steuerungsdefizit und ein Wirkungsdefizit. Das Strategiedefizit liegt im Fehlen eines verbindlichen Zielsystems, das Anhaltspunkte für die Konzipierung des Mitteleinsatzes bieten kann. Das Steuerungsdefizit ergibt sich aus der Zuständigkeit von mindestens drei Ministerien und der Zersplitterung in unzählige Programme und Initiativen. Das Wirkungsdefizit ist Resultat der fehlenden Schwerpunktbildung, geringer Chancen für Klein- und Mittelbetriebe und eines ungünstigen Verhältnisses von bürokratischem Aufwand zu finanziellem Ertrag. Die Zusammenführung der Forschungsförderung in vier bis fünf Programmlinien ist unbedingt nötig. Eine verbindliche technologiepolitische Strategie ist zu entwerfen. Förderungen müssen kontinuierlich dotiert und laufend evaluiert werden. Technologische Neugründungen müssen stärker gefördert werden.

Die steuerliche Forschungsförderung ist in Österreich nicht unerheblich, aber dennoch unzureichend für Klein- und Mittelbetriebe und für Unternehmen, die noch nicht in der Gewinnzone sind. Selbst für Großbetriebe ist sie unübersichtlich und nicht leicht kommunizierbar. Die Regeln sind unnötig komplex und können schwerlich als Werbung für den Wirtschaftsstandort oder für die Ansiedlung von Forschungszentralen dienen.

Das WIFO schlägt vor, ein Paket zu schnüren, das Österreich zu einem der attraktivsten Länder für Forschung in bestehenden Unternehmen und die Ansiedlung von Forschungseinrichtungen internationaler Unternehmen macht. Besonders sollen Impulse für neugegründete, wachsende und technologieorientierte Klein- und Mittelbetriebe geschaffen werden. Eckpfeiler eines solchen Paketes könnte etwa eine 25/12-Regelung sein. Das WIFO schlägt vor, den steuerlichen Forschungsfreibetrag einheitlich mit 25% festzusetzen, wobei Forschungsausgaben nach der OECD-Definition abgegrenzt werden und Software und immaterielle Investitionen einschließen. Zusätzlich sollen externe Forschungsaufträge an Dritte mit einem fiktiven Ausgabenposten von 25% begünstigt werden. Alternativ kann ein Betrieb eine Forschungsprämie von 12% in Anspruch nehmen. Dieses System ersetzt die derzeitige komplexe Regelung mit zwei Forschungsbegriffen und drei Förderungsstufen. Das neue System macht Österreich zu einem der attraktivsten Forschungsstandorte in Europa und ist in der Werbung für Betriebsansiedlungen und Forschungszentralen kommunizierbar. Es stärkt den Strukturwandel in bestehenden Unternehmen und forciert die Ansiedlung von Forschungszentralen sowie den Strukturwandel zu technologieintensiven Industrien und Dienstleistungen.

Bei der direkten Forschungsförderung muss parallel zur Beseitigung der genannten Schwächen die mittelfristige Finanzierung gesichert werden. Dazu wäre ein kontinuierlicher Anstieg der staatlichen Förderung (z. B. um 10% pro Jahr) bis zur Erreichung des 3%-Ziels festzuschreiben. Die derzeitige Lücke in den Forschungsfonds, bei den Fachhochschulen und im Universitätsbereich ist mit einem zusätzlichen Betrag von ca. 100 Mio. Euro zu decken. Die strukturellen Reformen sind unabdingbar, dürfen aber kein Argument für eine Finanzierungslücke in den Jahren 2003 bis 2005 sein, da sonst das Regierungsziel von zunächst 2,5% und dann 3% weit verfehlt wird. Eine österreichische Nationalstiftung soll entscheidende Impulse geben, seine Mittel sollten auch aus Privatisierungserlösen, privaten Spenden und Erbschaften dotiert werden, die Mittelvergabe muss mit den skizzierten Schwerpunktlinien in Einklang gebracht werden.

Forschungsprogramme mit Europäischer Dimension sind besonders zu unterstützen, da die im 6. Rahmenprogramm geforderte Projektgröße wegen der kleinbetrieblichen Struktur von Betrieben und Forschungseinrichtungen einen Ausschluss Österreichs aus der internationalen Forschung bedeuten würde.

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte der folgenden WIFO-Studie: Karl Aiginger, Helmut Kramer (Projektleitung), Wirtschaftspolitik zur Steigerung des Wirtschaftswachstums, im Auftrag des Bundesministeriums für Finanzen und des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit (71 Seiten, 30,00 Euro, Download kostenlos: http://publikationen.wifo.ac.at/pls/wifosite/wifosite. wifo_search.get_abstract_type?p_language=1&pubid=24548)!