27. Juni 2003 • Prognose für 2003 und 2004: Konjunkturaufschwung nicht in Sicht • Markus Marterbauer

Die Wirtschaft wird im Jahr 2003 um nur 0,7% wachsen. Unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen eines akzentuierten Mangels an gesamtwirtschaftlicher Nachfrage im Euro-Raum und einer markanten Abwertung des Dollars gegenüber dem Euro ist ein Konjunkturaufschwung auch im Jahr 2004 wenig wahrscheinlich. Das BIP-Wachstum könnte dann in Österreich bei 1,2% liegen. Damit würde die Wirtschaftskrise in ihr viertes Jahr treten.

Die österreichische Wirtschaft wuchs im I. Quartal 2003 gegenüber dem Vorjahr um nur 0,5%. Die Steigerung der Inlandsnachfrage blieb verhalten, der Warenexport stagnierte, und die Ausrüstungsinvestitionen lagen unter dem Wert des Vorjahres. Derzeit gibt es keine Anzeichen für eine Konjunkturerholung. Das Wirtschaftswachstum wird im Jahr 2003 deshalb nur 0,7% betragen.

Die Aussichten für 2004 sind weiterhin sehr vage. Ein Konjunkturaufschwung müsste vom Export und den Investitionen ausgehen. Dafür sind die Rahmenbedingungen ungünstig: Im Euro-Raum herrscht verbreitet Mangel an gesamtwirtschaftlicher Nachfrage. Die Konsumenten halten Ausgaben für dauerhafte Konsumgüter zurück, die Unternehmen schieben Investitionsprojekte wegen unzureichender Absatzerwartungen auf. Wirtschaftspolitische Impulse wären für eine Belebung der Nachfrage notwendig, sind aber nicht in Sicht. Dazu kommt die markante Abwertung des Dollars gegenüber dem Euro, die Verluste an Weltmarktanteilen für die europäischen Exporteure, eine Abschwächung von Nachfrageimpulsen aus den USA und einen Verlust an Attraktivität als Investitionsstandort nach sich zieht. Grundlage der WIFO-Prognose bildet die Annahme eines Wechselkurses von 1,13 $ je Euro für das Jahr 2003 und 1,16 $ je Euro für 2004.

Die Nachfrage nach österreichischen Exportgütern ist sowohl im EU-Binnenmarkt als auch – wegen zahlreicher Rückschläge im Aufholprozess – in Ost-Mitteleuropa schwach. Hingegen erzielen die österreichischen Unternehmen bemerkenswerte Erfolge in Südosteuropa. Der Anstieg des real-effektiven Wechselkurses (2003 +3%) dämpft die Wettbewerbsfähigkeit und kann durch den Rückgang der Lohnstückkosten in der Sachgütererzeugung kurzfristig nicht kompensiert werden, Marktanteilsverluste drohen. Das Wachstum der Warenexporte schwächt sich markant ab, es beträgt heuer real nur noch 2,5%. 2004 wird es kaum höher ausfallen (+3¼%). Auch der Reiseverkehr leidet unter der Verunsicherung der europäischen Konsumenten: Nach zwei guten Jahren muss heuer mit realen Exporteinbußen gerechnet werden (–1%).

Der Investitionsattentismus der heimischen Unternehmen hält an. Die Investitionsquote sinkt markant (von 24% des BIP im Jahr 2000 auf 21½% 2003). Dies ist vor allem auf den Einbruch der Ausrüstungsinvestitionen zurückzuführen – sie sind 2001 und 2002 kumuliert nominell um 13% gesunken. Angesichts unterausgelasteter Kapazitäten und zurückhaltender Absatzerwartungen kann auch für 2003 und 2004 kein Investitionsaufschwung erwartet werden. Dieser bildet aber die Voraussetzung für eine Beschleunigung des Wirtschaftswachstums und eine Trendwende auf dem Arbeitsmarkt.

Die Sachgüterproduktion dürfte wegen fehlender Nachfrage auch heuer nicht zunehmen. Der kräftige Abbau von Industriearbeitsplätzen setzt sich fort. Hingegen zeichnet sich in der Bauwirtschaft eine vorsichtige Erholung ab: Das Produktionswachstum liegt mit +1½% (2003) und +1¾% (2004) erstmals seit 1996 über jenem der Gesamtwirtschaft. Seit dem Sommer des Vorjahres hat sich der Tiefbau dank verstärkter Investitionen in die Straßen- und Schieneninfrastruktur belebt. Der WIFO-Konjunkturtest lässt nun auch auf eine bevorstehende Aufwärtsentwicklung im Hochbau, vor allem im Wohnungsneubau schließen.

Das Wachstum der verfügbaren Realeinkommen festigt sich etwas gegenüber 2001 und 2002. Neben geringerem Preisauftrieb trägt dazu heuer auch eine Ausweitung der Transfers (Kinderbetreuungsgeld, Pensionen) bei. Für eine merkliche Erhöhung der Konsumausgaben bleibt die Einkommensteigerung aber zu schwach. Die Ausgaben der privaten Haushalte für dauerhafte Konsumgüter und Reisen könnten auch durch einen Anstieg der Sparquote gedämpft werden. Dieser bildet ein erhebliches Risiko für die Konjunktur. Die WIFO-Prognose unterstellt eine leichte Zunahme des Sparanteils am verfügbaren Einkommen von 7,5% (2002) auf 8% (2004) und rechnet mit einer Ausweitung der realen Konsumausgaben um 1,3% (2003) bzw. 1,6% (2004). Damit bleibt das Konsumwachstum deutlich hinter dem langjährigen Durchschnitt (+2¼%) zurück.

Der hohe Außenwert des Euro dämpft den Preisauftrieb. Die Inflationsrate wird heuer und im nächsten Jahr jeweils nur 1,3% betragen. Die Preise von Energie, Industriewaren und Nahrungsmitteln tragen dazu bei, hingegen erhöhen sich die Wohnungsmieten beträchtlich (+5%).

Das anhaltend schwache Wirtschaftswachstum und eine weiterhin starke Ausweitung des Arbeitskräfteangebotes haben eine Fortsetzung des Anstiegs der Zahl der Arbeitslosen auf heuer 239.000 und 244.000 im Jahr 2004 zur Folge. Das entspricht einer Arbeitslosenquote von 7,1% der unselbständigen Erwerbspersonen laut traditioneller österreichischer Berechnungsmethode bzw. 4,4% der Erwerbspersonen laut Eurostat. Die steigende Zahl der Teilnehmer an Schulungen und am Altersteilzeit-Programm hebt die Zahl der unselbständig aktiv Beschäftigten heuer leicht über das Vorjahresniveau (+2.000). Auch im kommenden Jahr ist der Anstieg der als beschäftigt gezählten Personen (+10.000) nicht auf eine Konjunkturerholung, sondern auf institutionelle Veränderungen zurückzuführen. Die Beschäftigungsquote liegt in Österreich laut Labour-Force-Konzept von Eurostat bei 68% der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter und damit nur wenig unter dem für das Jahr 2010 angestrebten EU-Ziel. Laut traditioneller österreichischer Berechnungsmethode (Lebensunterhaltskonzept) beträgt sie allerdings lediglich 62%, weil nur jene Erwerbstätigen erfasst werden, die Einkommen über der Geringfügigkeitsgrenze beziehen.

Die Steuereinnahmen entwickelten sich in der ersten Jahreshälfte günstig. Auf der Ausgabenseite wird der Staatshaushalt allerdings u. a. durch den starken Anstieg der Mittel für Familienförderung belastet. Der Finanzierungssaldo des Staates laut Maastricht-Kriterien dürfte heuer bei –1,1% des BIP liegen. Die Revision der Konjunkturprognose wirkt sich kaum aus, weil sie vor allem von der Abschwächung im Export ausgeht. Im kommenden Jahr dürften die Konjunktureffekte in den öffentlichen Haushalten spürbarer werden; deshalb erwartet das WIFO einen Finanzierungssaldo von –1,2% des BIP.

Übersicht 1: Hauptergebnisse der Prognose

199920002001200220032004
Veränderung gegen das Vorjahr in %
Bruttoinlandsprodukt
  Real

+2,7

+3,5

+0,7+1,0+0,7+1,2
  Nominell+3,4+5,0+2,3+2,2+2,3+2,7
Sachgütererzeugung1), real+3,0+6,5+1,3+0,3+0,3+1,8
Private Konsumausgaben, real+2,3+3,3+1,5+0,9+1,3+1,6
Bruttoanlageinvestitionen, real+2,1+5,9–2,2–4,6+0,8+1,8
  Ausrüstungen2)+4,9+11,8–2,9–9,4±0,0+2,0
  Bauten+0,0+1,2–1,5–0,5+1,4+1,7
Warenexporte3)
  Real+7,7+13,1+7,5+4,3+2,5+3,3
  Nominell+7,0+15,6+6,5+4,1+2,0+2,8
Warenimporte3)
  Real+6,9+10,9+5,7–1,6+1,7+3,5
  Nominell+6,7+14,7+5,0–2,2+0,9+2,7
Leistungsbilanzsaldo, Mrd. Euro–6,33–5,36–3,941,570,800,45
  In % des BIP–3,2–2,6–1,90,70,40,2
Sekundärmarktrendite4), in %4,75,65,15,03,94,0
Verbraucherpreise+0,6+2,3+2,7+1,8+1,3+1,3
Arbeitslosenquote
  In % der Erwerbspersonen5)4,03,73,64,34,34,4
  In % der unselbständigen Erwerbspersonen6)6,75,86,16,97,07,1
Unselbständig aktiv Beschäftigte7)+1,2+1,0+0,4–0,5+0,1+0,3
Finanzierungssaldo des Staates
laut Maastricht-Definition, in % des BIP
–2,3–1,5+0,3–0,6–1,1–1,2

 1) Nettoproduktionswert, einschließlich Bergbau. –  2) Einschließlich sonstiger Anlagen. –  3) Laut Statistik Austria. –  4) Bundesanleihen mit einer Laufzeit von 10 Jahren (Benchmark). –  5) Laut Eurostat (Mikrozensus). –  6) Laut Arbeitsmarktservice. –  7) Unselbständig Beschäftigte ohne Bezug von Karenz- bzw. Kinderbetreuungsgeld, ohne Präsenzdienst.

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem WIFO-Monatsbericht 7/2003!