22. Dezember 1999 • Marktmacht im Lebensmitteleinzelhandel • Michael Wüger

Marktmacht tritt im Lebensmittelhandel in Form von Angebotsmacht (Macht gegenüber Konkurrenten bzw. Konsumenten) und/oder Nachfragemacht (Macht gegenüber Lieferanten) auf. Angebotsmacht spiegelt sich in Marktanteilsgewinnen bestimmter Vertriebsformen bzw. Unternehmensgruppen. Das Zusammenwirken von Strukturfaktoren (Konsumentenverhalten) und Skalen- sowie Verbundvorteilen in Logistik, Warenwirtschaft und Verteilung hatte in den letzten Jahrzehnten ein rasches Wachstum von Super- und Hypermärkten zur Folge und trug zum Entstehen von großen Einkaufszentren an den Stadträndern bei. Die Marktanteile der Marktführer stiegen deutlich, und die Konzentration nahm zu, wodurch u. a. die Effizienz gesteigert und die Nahversorgung weiter zurückgedrängt wurde.

Die hohe Konzentration im Einzelhandel verbunden mit den Strukturvorteilen des Handels gegenüber großen Teilen der Industrie bedeutet auch ein erhebliches Nachfragemachtpotential des Handels. Die wohlfahrtsökonomischen Implikationen von Nachfragemacht hängen wesentlich mit der Marktstruktur in Handel und Industrie zusammen. Entscheidend ist aber auch die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs auf der Handelsstufe.

Die Zunahme der Nachfragemacht des Handels in den letzten Jahren wird z. B. durch die Zunahme der Umsatzanteile der größten Abnehmer bestätigt. Begleitet wird sie von Funktionsverlagerungen zwischen Industrie und Handel, von Rabatterhöhungen, Konditionennachforderungen und einer weitgehenden Dominanz des Handels in den Preis- und Konditionenverhandlungen. Das effiziente Mittel gegen Nachfragemacht scheinen starke Marken zu sein.

Zu einem wesentlichen Teil ist die Zunahme der Nachfragemacht auch auf die Verschärfung des Wettbewerbsdrucks in der Folge des EU-Beitritts und die Strukturprobleme der Hersteller zurückzuführen: Zu kleine Betriebe mit zu hohen Produktionskosten verfügen wegen mangelnder Innovations- und Marketingkompetenz über zu geringe Markenstärke.

Der hohen Konzentration im Lebensmittelhandel und der damit zusammenhängenden Markt- und Nachfragemacht kann nur mit wettbewerbspolitischen Maßnahmen (präventive Fusionskontrolle, begleitende Mißbrauchsaufsicht) begegnet werden. Die Beseitigung von Strukturproblemen insbesondere kleiner Unternehmen im Wettbewerb sollte im Rahmen einer Struktur- und Industriepolitik erfolgen, wobei die Initiative von den Unternehmen selbst ausgehen sollte.

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem WIFO-Monatsbericht 12/1999!