17. Dezember 1999 • Erheblicher Handlungsbedarf für Budget- und Arbeitsmarktpolitik trotz Beschleunigung des Wachstums. Prognose für 1999 bis 2001 • Markus Marterbauer

Das WIFO hält seine Konjunkturprognose mit einem realen Wirtschaftswachstum von 2,2% im Jahr 1999 und 2,8% im Jahr 2000 aufrecht. Ein erster Ausblick auf das Jahr 2001 läßt eine weiterhin überdurchschnittliche Ausweitung von Nachfrage und Produktion um 2¾% erwarten. Die anhaltend kräftige Inlandsnachfrage wird um eine merkliche Beschleunigung der Export- und Industriekonjunktur ergänzt. Die Preisstabilität bleibt gewahrt. Die zwei zentralen wirtschaftspolitischen Herausforderungen bilden die Neuverschuldung der öffentlichen Haushalte und die Arbeitslosigkeit – beide Größen erreichen aus heutiger Sicht die selbstgesetzten Ziele der Bundesregierung nicht.

Die vorliegende Konjunkturprognose wird erstmals auf Basis der neuen Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung nach dem ESVG 1995 erstellt. Damit ist eine Reihe von konzeptiven Änderungen verbunden, das Datenset des ÖSTAT liegt noch nicht vollständig vor. Auf dieser Basis wuchs das Bruttoinlandsprodukt im III. Quartal 1999 real um etwa 3%. Für das Jahr 1999 hält das WIFO seine Prognose mit real +2,2% schon seit März aufrecht.

Im 1. Halbjahr 1999 war die Expansion fast ausschließlich von der Inlandsnachfrage getragen. Die privaten Konsumausgaben nahmen dank günstiger Beschäftigungsentwicklung, steigender Einkommen und anhaltender Preisstabilität kräftig zu. Ab Jahresmitte wurde die lebhafte Konsumnachfrage durch eine Erholung der Export- und Industriekonjunktur ergänzt. Die Produktion der Sachgütererzeugung stieg nach dem Rückgang im 1. Halbjahr gegenüber dem Vorjahr im III. Quartal um etwa 4%.

Im Jahr 2000 verbessern sich die internationalen Rahmenbedingungen für die österreichische Wirtschaft: In den USA bleibt die Konjunktur kräftig; in Europa gewinnt sie an Schwung, wozu sowohl die Schwäche des Euro als auch die Stärke der Binnennachfrage (vor allem in Frankreich, Spanien und einigen kleineren EU-Ländern) beitragen. In Deutschland bleibt die Erholung allerdings aufgrund restriktiver Impulse der Wirtschaftspolitik verhalten. Die Wirtschaft der osteuropäischen Handelspartner überwindet die bremsenden Einflüsse.

Der österreichische Export profitiert nicht nur vom anziehenden Wachstum der Auslandsmärkte, sondern auch von einer deutlichen Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit durch hohe Produktivitätssteigerung und sehr zurückhaltende Lohnpolitik. Die kräftige Zunahme der Warenausfuhr (real +7%) kurbelt auch die Sachgüterproduktion (+4,3%) und die Ausrüstungsinvestitionen an (+7%). Diese Annahmen werden durch das – laut WIFO-Konjunkturtest – sehr optimistische Geschäftsklima bestätigt.

Im Jahr 2000 erhält der private Konsum zusätzliche Impulse: Zwar schwächen die niedrigen Lohnabschlüsse den Anstieg der Bruttoeinkommen je Arbeitnehmer, die großzügige Steuerreform und die neuerliche Ausweitung der Familientransfers lassen aber die Nettomasseneinkommen kräftig zunehmen (real +2¾%). Dies erlaubt eine deutliche Expansion des privaten Verbrauchs, die Umsätze im Handel steigen stark. Für 2001 wird – unter der Annahme einer konsolidierungsorientierten Budgetpolitik – von einer leichten Abschwächung des Konsumwachstums ausgegangen. Unterdurchschnittlich expandiert weiterhin die Bauwirtschaft, sie leidet vor allem unter dem Rückgang im Wohnungsneubau.

Das kräftige Wirtschaftswachstum sollte zur Bewältigung der zentralen wirtschaftspolitischen Problembereiche genutzt werden. Im Vordergrund stehen weiterhin die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte und die Verringerung der Arbeitslosigkeit. Die Senkung der Einkommen- und Unternehmenssteuern im Rahmen der Steuerreform 2000 um etwa 20 Mrd. S belastet die öffentlichen Haushalte stark. Da ein Bundesvoranschlag für das Jahr 2000 noch fehlt, sah sich der Finanzminister zu einer Kürzung der Ermessensausgaben der Ministerien um etwa 20 Mrd. S veranlaßt. Die vorliegende Konjunkturprognose berücksichtigt diese Maßnahme und errechnet eine Neuverschuldung der öffentlichen Haushalte von 2,2% des BIP für 2000 bzw. 1,9% für 2001. Die Verpflichtungen auf europäischer Ebene und vor allem die Notwendigkeit der Schaffung budgetpolitischer Spielräume für Zeiten ungünstigerer Konjunktur- und Beschäftigungsentwicklung erfordern deshalb weitere Konsolidierungsmaßnahmen.

Die Bundesregierung hat nicht nur im Stabilitätsprogramm mittelfristige Ziele für die Fiskalpolitik gesetzt, sondern im Rahmen des Nationalen Aktionsplanes für Beschäftigung 1997 auch arbeitsmarktpolitische Ziele bis 2002 festgelegt: Die Beschäftigtenzahl soll um 100.000 zunehmen, die Arbeitslosenquote auf 3½% zurückgehen. Aufgrund der Beschleunigung des Wirtschaftswachstums wird die Beschäftigtenzahl im Prognosezeitraum kräftig steigen, und das entsprechende Ziel kann schon im Jahr 2001 erfüllt werden – allerdings nur bezogen auf Beschäftigungsverhältnisse und nicht in Vollzeitäquivalenten gerechnet, da die Teilzeitarbeit stark ausgeweitet wird. Die Arbeitslosenquote (laut EU-Definition) wird bis 2001 auf 4,1% sinken, ein Rückgang auf 3½% bis 2002 erscheint nur bei einer weiteren Ausweitung der Mittel für aktive Arbeitsmarkt- und Trainingspolitik und verstärkter Schaffung von Vollzeitarbeitsplätzen möglich.

Die österreichische Wirtschaft befindet sich in einem deutlichen Aufschwung, der sowohl von der Inlands- als auch von der Exportnachfrage Impulse erfährt. Angebotsseitige Wachstumsbeschränkungen sind angesichts der regen Investitionstätigkeit, hoher Arbeitslosigkeit und steigenden Arbeitskräfteangebotes nicht zu erkennen. Darauf deutet auch die anhaltende Preisstabilität hin – die Inflationsrate beträgt auf Verbraucherebene im Jahr 2000 nur 1,1%. Die Risken der vorliegenden Konjunkturprognose liegen im internationalen Umfeld: Die Konjunktur der beiden wichtigsten Handelspartner – Deutschland und Italien – hinkt merklich hinter jener der anderen EU-Länder nach. In beiden Ländern ist die Geld- und Budgetpolitik schon in der Frühphase des nur zögerlich in Gang kommenden Konjunkturaufschwungs restriktiv. In den USA bestehen erhebliche makroökonomische Ungleichgewichte in Form eines hohen Leistungsbilanzdefizits und einer ungewöhnlich niedrigen Sparquote der privaten Haushalte; deren Rückführung auf ein Normalniveau würde die Gefahr eines Wachstumseinbruchs mit sich bringen.

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem WIFO-Monatsbericht 1/2000!