10. Dezember 1999 • Erfolgreicher Policy-mix zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit in Frankreich • Markus Marterbauer

Frankreich versucht mit einer Kombination aus expansiver Wachstumspolitik, gesetzlicher Arbeitszeitverkürzung und umfangreichen Jugendbeschäftigungsprogrammen der hohen Arbeitslosigkeit zu begegnen. Die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt ist vor allem in Relation zu jener Deutschlands beeindruckend.

In Frankreich rückte nach dem Regierungswechsel 1997 die Beschäftigungspolitik in den Mittelpunkt der wirtschafts- und sozialpolitischen Anstrengungen. Das Ausgangsniveau der Arbeitslosenquote lag mit 121/4% um mehr als 2 Prozentpunkte über dem EU-Durchschnitt, sie könnte bis 2001 auf 91/4% zurückgehen. Eine Determinante hiefür bildet das kräftige Wachstum des BIP, vor allem der beschäftigungsintensiven Konsum- und Baunachfrage. Das Wirtschaftswachstum liegt gemäß den Prognosen der EU 1998/2001 um gut 1/4 Prozentpunkte pro Jahr über dem EU-Durchschnitt und um fast 1 Prozentpunkt über jenem Deutschlands. Die aktive Wachstumspolitik umfaßt eine vorsichtige Vorgangsweise im Bereich der Budgetkonsolidierung und verteilungspolitische Maßnahmen. Die Verringerung der öffentlichen Neuverschuldung auf 3% des BIP – Voraussetzung für den Eintritt in die Währungsunion – wurde 1997 "punktgenau" erfüllt. Die Neuverschuldung der öffentlichen Haushalte ging infolge der günstigen Konjunktur leicht zurück (auf 2% des BIP 1999), außer einer Erhöhung der Unternehmensteuern und umfangreicher Privatisierungsmaßnahmen wurden jedoch keine weiteren Konsolidierungsschritte gesetzt. Umverteilungsmaßnahmen zugunsten der unteren Einkommensschichten, die eine überdurchschnittliche Konsumneigung aufweisen, sollen zusätzlich die Inlandsnachfrage fördern. Der gesetzliche Mindestlohn SMIC, der für Vollzeitbeschäftigte etwa 6.300 FF pro Monat beträgt, wurde mit 1. Juli 1997 einmalig um 4,4% angehoben, dann folgten jährliche Anpassungen. Einige Sozialtransfers, darunter die Beihilfe für Schulanfänger, wurden kräftig erhöht.

Die Einführung der 35-Stunden-Arbeitswoche ist ein weiterer Beitrag zur aktiven Beschäftigungspolitik. Mit einem Grundsatzgesetz 1998 ("Loi Aubry") und einem Ausführungsgesetz 1999 wurden die Schritte zur gesetzlichen Arbeitszeitverkürzung festgehalten. Mit 1. Jänner 2000 tritt die 35-Stunden-Woche für Unternehmen mit mehr als 20 Beschäftigten in Kraft, zwei Jahre später für Unternehmen mit weniger als 20 Beschäftigten. Gleichzeitig wurde die Jahresarbeitszeit mit 1.600 Stunden (plus 130 zuschlagspflichtige Überstunden) begrenzt. Das Arbeitszeitverkürzungsgesetz aus dem Jahr 1998 sah für jene Unternehmen, die ihre Arbeitszeit im Zuge einer Vereinbarung mit den Arbeitnehmern auf Betriebs- oder Branchenebene vorzeitig auf 35 Stunden pro Woche verkürzten und zusätzliche Arbeitskräfte einstellten, Beschäftigungssubventionen vor. Bis September 1999 wurden 15.000 solche Abkommen auf betrieblicher Ebene geschlossen, sie betreffen 2 Mill. Beschäftigte. Arbeitszeitverkürzungen haben Auswirkungen auf Beschäftigung und Produktivität. Die konkreten Effekte des Übergangs zur 35-Stunden-Arbeitswoche in Frankreich können erst nach vollständiger Umsetzung der Maßnahmen beurteilt werden.

In Frankreich bildet die Jugendarbeitslosigkeit ein besonderes Problem. Die Arbeitslosenquote der 15- bis 24jährigen beträgt etwa 30%. Die Regierung versucht dem mit dem Programm "Neue Dienstleistungen, neue Arbeitsplätze" zu begegnen. In den Bereichen Erziehung und Bildung, Sicherheit sowie Gesundheit, soziale Dienste, Sport, Kultur und Umwelt sollen durch kommunale Gebietskörperschaften und Non-profit-Unternehmen bis zum Jahr 2000 350.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Diese werden auf die Dauer von fünf Jahren mit arbeitslosen Jugendlichen besetzt. Der öffentliche Sektor stellt umfangreiche Beschäftigungssubventionen (80% des SMIC und die Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung) zur Verfügung.

Abbildung 1: Arbeitslosigkeit und Konsumentenvertrauen in Frankreich

Q: Europäische Kommission. –  1)  Saldo aus positiven und negativen Meldungen in % der befragten Unternehmen.

Über eine Senkung der Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung im Niedriglohnbereich wird versucht, zusätzliche Beschäftigung für Geringqualifizierte zu schaffen. Für Arbeitsplätze mit einer Entlohnung auf SMIC-Niveau bedeutet dies eine Dämpfung der Arbeitskosten um 12%. Zudem reduzieren sich die Arbeitskosten generell durch die Abschaffung der "taxe professionnelle" (einer Lohnsummensteuer) um etwa 2%. Diese Maßnahme erleichtert auch die Verhandlungen über das Ausmaß des Lohnausgleichs im Rahmen der Arbeitszeitverkürzung. Für jeden neugeschaffenen Arbeitsplatz können die Unternehmen in den Jahren 1998/2000 zudem einen Beschäftigungsabsetzbetrag von 10.000 FF in Anspruch nehmen.

Die französische Regierung setzt eine Vielzahl unterschiedlicher Instrumente ein, um der hohen Arbeitslosigkeit zu begegnen. Angesichts des engen Zusammenhangs zwischen Wirtschafts- und Beschäftigungswachstum spielt die günstige Stimmung bei Unternehmen und Verbrauchern eine wichtige Rolle für den Erfolg dieser Politik. Die vorliegenden Prognosen lassen die beschäftigungspolitischen Anstrengungen insgesamt als erfolgversprechend erscheinen. Kritisch zu bewerten sind die sehr umfangreichen öffentlichen Subventionen für neugeschaffene Arbeitsplätze. Die Erfahrungen zeigen, daß hier oft Mitnahmeeffekte auftreten und die Kosten für die öffentlichen Haushalte sehr hoch sind.

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem WIFO-Monatsbericht 12/1999!