29. November 1999 • Liberalisierung von Infrastrukturmärkten erfordert Reform der Regulierung • Norbert Knoll

Liberalisierung des Marktzutritts wird vielfach fälschlicherweise mit Verzicht auf Regulierung gleichgesetzt. In Sektoren wie Telekommunikation und Energieversorgung ist neben der Einführung von Wettbewerb die Reform des Regulierungsrahmens ein wesentlicher Bestandteil moderner Infrastrukturpolitik. Erfahrungen aus der Liberalisierung der Elektrizitätswirtschaft Großbritanniens liefern deutliche Hinweise für die Notwendigkeit umfassender Reformen des institutionellen Rahmens der Regulierung. Vor diesem Hintergrund erscheint es plausibel, einzelne Elemente des in Österreich für die Telekommunikation gewählten Regulierungsmodells auf den Energiebereich zu übertragen.

Internationale Entwicklungen in der Infrastrukturpolitik

Neben der Schaffung eines europäischen Binnenmarktes bilden freier Marktzutritt und Wettbewerb die bestimmenden Elemente der Infrastrukturpolitik der Europäischen Kommission. Im Telekommunikationsbereich wurde bereits mit 1. Jänner 1998 die Liberalisierung des Marktzutritts in allen Marktsegmenten formal abgeschlossen. Im Energiesektor bereitete die Europäische Kommission eine stufenweise Marktöffnung vor. Mit den Ende 1996 und Mitte 1998 verabschiedeten Richtlinien liegt aber auch für ein wettbewerbsorientiertes Angebot von Energiedienstleistungen ein Stufenplan vor.

Funktion der Regulierung auf liberalisierten Infrastrukturmärkten

Die Einführung von Wettbewerb in netzbasierten Sektoren wie z. B. der Versorgung mit Elektrizität, Erdgas und Telekommunikation ließ Regulierungsaufgaben keineswegs obsolet werden. Die Gefahr von Marktversagen ist in diesen Bereichen groß – etwa können frühere Monopolisten eine nach wie vor marktbeherrschende Stellung gegenüber Konkurrenten und Konsumenten mißbrauchen. Wettbewerb oder ein partielles Außerkraftsetzen von Wettbewerb auf einem Markt ist deshalb als eine Spielregel aufzufassen, die ein korrespondierendes Regulierungsregime erfordert.

Die jüngsten Auseinandersetzungen zur Bestimmung von Tarifen für den Zusammenschluß von Mobilkommunikationsnetzen mit dem Festnetz zeigen sehr deutlich, daß Verhandlungslösungen zwischen konkurrierenden Anbietern nur im Ausnahmefall zu erreichen sind und unabhängige Regulierungsbehörden mit "Schiedsrichterfunktion" Entscheidungen treffen müssen. Darüber hinaus ist Regulierung erforderlich, um "öffentliche Interessen" wie z. B. eine flächendeckende und sozial ausgewogene Grundversorgung mit Kommunikationsdiensten oder den umweltschonenden Energieeinsatz in der Stromerzeugung zu gewährleisten.

Lehren aus der Liberalisierung des britischen Elektrizitätsmarktes

Nach Erfahrungen auf dem britischen Elektrizitätsmarkt ist ein "aktiver" Regulator für die Einführung von Wettbewerb erforderlich. Die erste Phase der Liberalisierung der Stromerzeugung hatte lediglich in Großbritannien Produktivitätssteigerungen und Kostensenkungen für die Anbieter zur Folge; Preissenkungen für die Endkunden erfolgten hingegen erst auf Initiative der Regulierungsbehörden. Auch die Etablierung eines Spotmarktes (Strombörse, Electricity Pool) reichte nicht aus, um wettbewerbskonforme Preisbildung zu erreichen. Maßnahmen der Preisregulierung wurden im Bereich der Übertragung (Hochspannungsverbund) sowie der Verteilung über regionale Netze erforderlich.

Die Konsequenzen der Marktöffnung hängen nicht nur von der Struktur des bestehenden Kraftwerksparks, der Art und Anzahl der Marktteilnehmer sowie der Angebotsentwicklung auf den Märkten für andere Energieträger ab. Vielmehr hat zudem eine weitgehend unabhängige, mit den Spezifika des Sektors vertraute Regulierungsbehörde komplexe Entscheidungen zu treffen und benötigt vielfach eine längere "Lernphase" zur Nutzung neuer Instrumente der Regulierung.

Regulierungsreform in Österreich

Die Einführung von Wettbewerb auf Infrastrukturmärkten erfordert eine Reform der Regulierungsinstitutionen. Entsprechende Maßnahmen wurden in Österreich für den Telekommunikationssektor gesetzt. Ein wesentlicher Bestandteil der Reform ist der Aufbau einer Regulierungsbehörde, die in ihrer bisherigen Entscheidungspraxis die Fähigkeit zur Entwicklung innovativer und marktkonformer Instrumente der Regulierung wie z. B. Auktionen demonstriert hat.

Personelle und finanzielle Ausstattung, Abgrenzung der Befugnisse zwischen den mit Regulierungsangelegenheiten betrauten Behörden sowie die Unabhängigkeit des Sektorregulators von organisierten Interessen (vested interests) und tagespolitischen Auseinandersetzungen erscheinen bei den vorliegenden Regulierungsentscheidungen gewährleistet. Die Ansätze der TKC (Telekom-Control) zur Vorbereitung von Entscheidungen wie z. B. Aufbau projektorientierter, interdisziplinären Teams oder Einleitung öffentlicher Konsultationsverfahren trugen zu einer qualitativ hochwertigen, transparenten und von den Marktteilnehmern als weitgehend unbürokratisch empfundenen Entscheidungsfindung bei.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wieweit die institutionelle Gestaltung der Regulierung im Telekommunikationsbereich für künftige Reformen im Energiesektor als Modell dienen kann. Ähnlich wie in der Telekommunikation wird auch im Energiebereich eine Reihe von Interventionen notwendig sein. Eine tiefergehende Evaluierung der österreichischen Telekommunikationsregulierung steht allerdings aus. Diese wäre notwendig, um einerseits institutionelle Lerneffekte zu vertiefen und andererseits die Übertragbarkeit einzelner Elemente auf die Regulierung von Infrastrukturbereichen wie die Energieversorgung zu überprüfen.

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem WIFO-Monatsbericht 11/1999!