29. Oktober 1999 • Die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung nach dem ESVG 1995 • Marcus Scheiblecker

Im Herbst dieses Jahres veröffentlicht das Österreichische Statistische Zentralamt erstmals Ergebnisse seiner Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung, welche gemäß dem Europäischen System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen 1995 (ESVG 1995) erstellt wurden. Diese per EU-Ratsverordnung für alle EU-Länder verbindliche Systematik löst damit das bisher verwendete ESVG 1979 ab. Neben umfangreichen konzeptionellen Änderungen, welche teilweise erhebliche Auswirkungen auf das Niveau des Bruttoinlandsproduktes haben, gibt es auch Neuerungen in der Darstellungsform und den Begriffen. Gleichzeitig wurde die Preisbasis vom Jahr 1983 auf 1995 umgestellt. Die Verwendung einer neuen, bisher nicht verfügbaren statistischen Datengrundlage hatte ebenfalls erhebliche Auswirkungen auf die Wiedergabe von Niveau und Wachstum des BIP.

Die umfangreichsten quantitativen Auswirkungen haben die Erweiterung des Investitionsbegriffs um Software und Urheberrechte und die Berechnung von Abschreibungen von zur öffentlichen Nutzung bestimmten Anlagegütern, wie z. B. Straßen, Brücken und Kanalisation. Neu ist auch, daß der Wertschöpfungsbeitrag der einzelnen Wirtschaftsaktivitäten nunmehr zu Herstellungspreisen bewertet wird. Die Produktionssteuern gelten damit nicht mehr als Erlöse der Unternehmen, sondern als Zahlungen der Verbraucher an den Staat.

Die Einführung von Sektorkonten in der VGR ermöglicht die Erstellung einer Entstehungs-, Verwendungs- und Verteilungsrechnung für die Unternehmen (untergliedert in finanzielle und nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften), den Staat, die privaten Haushalte und das Ausland. Vorgesehen ist auch die Berechnung des um Terms-of-Trade-Effekte bereinigten realen volkswirtschaftlichen Einkommens. Dieses eignet sich in internationalen Vergleichen besser als Maßstab des Wohlstands in einem Land als das bisher verwendete reale BIP. Insgesamt verändert sich das nominelle BIP durch die Umstellung auf ESVG 1995 kaum, da die mehrheitlich das BIP-Niveau erhöhenden konzeptiven Neuerungen durch statistische Revisionen nahezu ausgeglichen wurden. Real ist das BIP jedoch durch die Umstellung auf ein neues Basisjahr beträchtlich höher.

Die publizierten Zeitreihen sind für eine Schätzung der Auswirkungen der Systemumstellung auf die Abbildung des Konjunkturverlaufs noch zu kurz. Das Wachstum wird für 1996 unverändert, für 1997 und 1998 niedriger ausgewiesen. Die Kürze der veröffentlichten Zeitreihen erschwert vorübergehend auch die Schätzung ökonometrischer Modelle und die Saisonbereinigung von Quartalszahlen. Im Herbst 2000 wird ÖSTAT jedoch eine Rückrechnung bis 1988 liefern. Das WIFO beabsichtigt, sowohl seine Konjunkturprognose als auch die Quartalsrechnung im Dezember 1999 auf ESVG 1995 umzustellen.

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem WIFO-Monatsbericht 10/1999!