7. Oktober 1999 • Exporterholung und Steuerreform beschleunigen Wachstum. Prognose für 1999 und 2000 • Markus Marterbauer

Das WIFO hält seine Konjunkturprognose für 1999 mit einem realen Wirtschaftswachstum von 2,2% seit März des Jahres aufrecht. Im kommenden Jahr wird sich das BIP-Wachstum auf 2¾% beschleunigen. Wie erwartet weisen Export- und Industriekonjunktur, nachdem sie zur Jahreswende ihren Tiefpunkt erreichten, nun nach oben. Die anhaltend starke Inlandsnachfrage und zusätzliche arbeitsmarktpolitische Maßnahmen bewirken einen spürbaren Rückgang der Arbeitslosigkeit. Der Preisauftrieb bleibt trotz steigender Erdölpreise verhalten. Steuerreform und Familienpaket stärken im kommenden Jahr zwar die Kaufkraft, erhöhen aber auch die Neuverschuldung der öffentlichen Haushalte auf 2½% des BIP.

Die erste Jahreshälfte 1999 war von einer Schwäche des Exports und der Sachgütererzeugung in Österreich gekennzeichnet. Die Inlandsnachfrage hingegen entwickelte sich günstig. Insgesamt wurde im II. Quartal ein Wirtschaftswachstum von 1,7% verzeichnet (I. Quartal +1,2%). Saisonbereinigt stieg das Bruttoinlandsprodukt im II. Quartal gegenüber der Vorperiode um fast 1%.

Der Konjunkturverlauf in Europa und die Unternehmererwartungen in Österreich zeigen für das 2. Halbjahr eine Beschleunigung des Wachstums von Export und Sachgüterproduktion an. In den Krisenregionen der Weltwirtschaft stabilisiert sich die Lage, und in den USA bleibt die Konjunktur kräftig. Die europäische Wirtschaft erholt sich, wozu sowohl die Schwäche des Euro als auch die Stärke der Binnennachfrage in wichtigen EU-Ländern beitragen. Allerdings ist die Dynamik in Frankreich, Spanien und einigen kleineren EU-Ländern deutlicher ausgeprägt als bei den Konjunkturnachzüglern Deutschland und Italien.

Die Rahmenbedingungen für den Export verbessern sich in zweifacher Hinsicht: Einerseits erholt sich das Marktwachstum für die österreichischen Exporteure – es beträgt heuer etwa 3½% und im Jahr 2000 5½%, andererseits machen Produktivitätssteigerungen in der Sachgütererzeugung Marktanteilsgewinne möglich. Der Warenexport dürfte im Jahresdurchschnitt 1999 noch verhalten (real +4½%) und im nächsten Jahr bereits kräftig wachsen (+7%). Parallel dazu beschleunigt sich die Zunahme der Sachgüterproduktion: Der WIFO-Konjunkturtest weist auf ein merklich optimistischeres Geschäftsklima in der Industrie hin, das Wachstum der Wertschöpfung wird heuer mit real 2% noch schwach bleiben, sich im kommenden Jahr aber auf 4% erhöhen.

Die rege Dynamik von Investitionen und privatem Konsum ließ im 1. Halbjahr auch die Einfuhr steigen. Im 2. Halbjahr 1999 und im Jahr 2000 treibt die Erdölverteuerung die Importe weiter nach oben. Das Defizit in der Handelsbilanz erhöht sich dadurch auf etwa 80 Mrd. S. Dies kann durch steigende Überschüsse aus dem Reiseverkehr und sonstigen Dienstleistungen zum guten Teil kompensiert werden. Dennoch dürfte aufgrund der hohen Passiva in der Faktoreinkommens- und der Transferbilanz das Defizit in der Leistungsbilanz etwa 60 Mrd. S oder 2% des BIP erreichen.

Die Erdölpreise sind seit Jahresbeginn 1999 merklich gestiegen. Für die Industrieländer verschlechtern sich dadurch die Terms of Trade, es entsteht Preisdruck auf Produzenten- und Verbraucherebene, und das Produktionswachstum wird tendenziell gedämpft. Dennoch bleibt in Österreich die Preisstabilität erhalten. Die Inflationsrate beträgt heuer nur 0,6%, der Anstieg der Treibstoffpreise wird durch einen Rückgang der Nahrungsmittelpreise und eine Beruhigung der Wohnkostenentwicklung kompensiert. Für das Jahr 2000 wird aufgrund des Auftriebs der Treibstoff- und Nahrungsmittelpreise ein Anstieg der Verbraucherpreise um 1,2% erwartet.

Die Binnennachfrage bildet eine solide Basis für die Konjunktur. Die Nettomasseneinkommen wachsen dank starker Beschäftigungsausweitung, steigender Einkommen, anhaltender Preisstabilität und im kommenden Jahr auch einer expansiven Budgetpolitik merklich. Dies bietet Spielraum für eine Ausweitung des privaten Konsums um 2% 1999 und 2½% im Jahr 2000 sowie für einen leichten Anstieg der Sparquote. Trotz der Flaute der Exportkonjunktur im 1. Halbjahr 1999 sehen die Unternehmen die Notwendigkeit einer Erneuerung und Erweiterung des Kapitalbestands, sie melden umfangreiche Investitionspläne. Nur die Bauwirtschaft wächst infolge des markanten Rückgangs im Wohnungsneubau sehr verhalten.

Der Arbeitsmarkt entwickelt sich noch günstiger als in der Juni-Prognose erwartet. Die Beschäftigung (ohne Präsenzdiener und Bezieher von Karenzurlaubsgeld) wird 1999 um 36.000 steigen (+1,2%); allerdings betrifft dies vor allem Teilzeitarbeitsplätze im Dienstleistungssektor. Die Zahl der Arbeitslosen liegt mit 225.000 im Jahresdurchschnitt um 12.000 unter dem Vorjahresniveau. Dies ist nicht nur auf den kräftigen Beschäftigungszuwachs, sondern auch auf die starke Ausweitung arbeitsmarktpolitischer Programme im Rahmen des Nationalen Aktionsplans für Beschäftigung zurückzuführen. Die Arbeitslosenquote (laut Eurostat) geht heuer auf 4,4% und im Jahr 2000 auf 4,2% zurück. Das Ziel, sie bis 2002 auf 3,5% zu reduzieren, erscheint allerdings noch relativ ambitiös.

Die Nettokreditaufnahme des öffentlichen Sektors konnte seit 1995 merklich gesenkt werden, sie wird heuer nur noch 2% des BIP betragen. Im Jahr 2000 belasten Steuerreform und Familienpaket die öffentlichen Haushalte. Beide Maßnahmen erhöhen die Kaufkraft der privaten Haushalte merklich und unterstützen damit Konjunktur und Beschäftigungswachstum, allerdings steigt – selbst unter der Annahme strenger Ausgabendisziplin – die Neuverschuldung auf 2½% des BIP.

Das ÖSTAT wird im Oktober erstmals eine Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung für die Jahre 1995 bis 1998 nach dem ESVG 1995 vorlegen. Die Umstellung auf die neue Systematik bringt erhebliche konzeptionelle Änderungen mit sich und wird Niveau und Zuwachsraten des BIP und seiner Teilaggregate verändern. Die Neuerungen wird das WIFO anläßlich des nächsten Prognosetermins im Dezember berücksichtigen.

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem WIFO-Monatsbericht 10/1999!