28. Juli 1999 • Neuregelung der EU-Finanzierung • Jan Stankovsky

Der Europäische Rat in Berlin hat im März 1999 eine Einigung über die Agenda 2000 erreicht. Er nahm die Vorschläge der EU-Kommission – mit wesentlichen Korrekturen – an. Zentrale Bestandteile der Agenda sind Reformen der Struktur- und Agrarpolitik sowie die mittelfristige Finanzierung der Union einschließlich der Finanzierung der Osterweiterung.

Der Gemeinschaftshaushalt basiert auf einem mittelfristigen Finanzrahmen. Er wird vom Rat, dem Europäischen Parlament und der Kommission gemeinsam festgelegt. Der derzeit geltende Finanzrahmen umfaßt die Periode 1993/1999, der künftige die Jahre 2000/2006. Der EU-Haushalt darf kein Defizit aufweisen. Technisch wird zwischen den (höheren) Mitteln für Verpflichtungen und den (budgetrelevanten) Mitteln für Zahlungen unterschieden.

Die Vorschläge der Kommission zur Reform der Strukturpolitik (3 Zielgebiete, 3 Gemeinschaftsinitiativen) wurden angenommen. Das Ziel 1 betrifft Regionen mit Entwicklungsrückstand. Es soll Gebiete umfassen, deren BIP pro Kopf weniger als 75% des EU-Durchschnitts beträgt. Ein neues Ziel 2, das sich der wirtschaftlichen und sozialen Umstellung widmet, faßt Maßnahmen zugunsten der anderen Regionen mit Strukturproblemen zusammen. Im Rahmen der Programme des neuen Ziel 3 sollen die Mitgliedstaaten in der Anpassung und Modernisierung ihrer Ausbildungs-, Berufsbildungs- und Beschäftigungssysteme unterstützt werden. Für die Strukturpolitik sind in der Planungsperiode insgesamt 213 Mrd. Euro vorgesehen, davon 18 Mrd. Euro für den Kohäsionsfonds. Gegenüber dem Kommissionsvorschlag wurden im Bereich der Strukturfonds Einsparungen von 23,4 Mrd. Euro, im Bereich des Kohäsionsfonds von 3 Mrd. Euro erreicht. 70% (oder 136 Mrd. Euro) der Mittel für die Strukturfonds (insgesamt 195 Mrd. Euro) sind für Ziel-1-Gebiete vorgesehen, 11,5% (22,5 Mrd. Euro) für die Ziel-2-Gebiete, 12,3% (24 Mrd. Euro) für Ziel 3. Für die drei Gemeinschaftsinitiativen sind 5% der Strukturfondsmittel (9,75 Mrd. Euro) reserviert, davon mindestens die Hälfte für das Interreg-Programm. In der Schlußfolgerung legt der Rat diesbezüglich fest, daß "besonderes Augenmerk den grenzüberschreitenden Tätigkeiten – insbesondere im Hinblick auf die Erweiterung sowie auf Mitgliedstaaten, die ausgedehnte gemeinsame Grenzen mit den Beitrittsländern haben" gelten soll.

Die Agrarreform wurde vom Berliner Gipfel verwässert. Der vereinbarte Kompromiß bildet ein Hindernis für die Osterweiterung. Kräftig gekürzt wurden die Mittel für die internen und externen Politiken (insgesamt um 6,9 bzw. 8,9 Mrd. Euro).

Für die zehn osteuropäischen Beitrittswerber wurden in der Agenda 2000 zwei Gruppen von Finanzmitteln budgetiert:

  • Mittel für die Hilfe zur Vorbereitung auf den Beitritt (Heranführung): Zusätzlich zu den bestehenden Phare-Programmen sind ein agrarpolitisches und ein strukturpolitisches Instrument vorgesehen. Die Mittel für die Vorbereitung sollen nach einer Erweiterung im bestehenden Umfang beibehalten werden und für die verbliebenen Anwärter zur Verfügung stehen.
  • Mittel für die neuen Mitglieder (Beitrittsbeträge); als technische Annahme gilt für die erste Erweiterungsrunde (um fünf Länder aus Osteuropa sowie Zypern) das Jahr 2002.

Die für die Erweiterung budgetierten Mittel wurden gegenüber den Vorschlägen der Kommission nicht gekürzt. Ausdrücklich wurde auch eine Umschichtung zwischen den für die EU 15 budgetierten Mitteln und den Mitteln für die Vorbereitung (Heranführung) sowie für die Erweiterung (Beitrittsbeträge) ausgeschlossen. Im Falle der Erweiterung soll die Finanzielle Vorschau – mit qualifizierter Mehrheit – angepaßt werden.

Die Agenda 2000 sah ursprünglich für die gesamte Periode 2000 bis 2006 Zahlungsverpflichtungen von 786 Mrd. Euro vor, der Europäische Rat von Berlin hat sich auf nur 703 Mrd. Euro geeinigt (Kürzung um 83 Mrd. Euro). 88,6% der Gesamtausgaben der EU (einschließlich der Mittel für die Heranführung und Erweiterung) werden über die Periode 2000 bis 2006 für die EU 15 verwendet, 3,1% für die Heranführung und 8,3% für die Erweiterung. Der Anteil der Mittel für die Erweiterung steigt von 6,4% im Jahr 2002 auf 15,7% im Jahr 2006.

Von den für die EU 15 reservierten Mittel sind für die Landwirtschaft 46% vorgesehen, für die Strukturpolitik 33%. Der Anteil der internen Politiken beträgt 6,6%, der externen Politiken 5%; für die Verwaltung sind 5,2% ausgewiesen.

Die für das EU-Budget relevanten Mittel für Zahlungen werden in der Periode 2000 bis 2006 insgesamt 686 Mrd. Euro betragen, um 79 Mrd. Euro weniger als im Kommissionsvorschlag. Bezogen auf das BSP der EU 15 ergibt dies einen Prozentsatz von 1,15%, bezogen auf das BSP der EU 21 von 1,12%. Bei einer weiterhin geltenden Eigenmittelobergrenze von 1,27% des BSP eröffnet dies einen bedeutenden Spielraum für unvorhergesehene Ausgaben. Für die EU 15 sind Mittel für Zahlungen von 619 Mrd. Euro bzw. 1,03% des BSP budgetiert – der Kommissionsentwurf ging von 1,16% des BSP aus. Für die Vorbereitung der Beitrittswerber sind unverändert 0,04% des EU 15 BSP vorgesehen, für die Erweiterung 0,08%. Dieser Wert steigt von 0,05% im Jahr 2002 auf 0,15% im Jahr 2006. Aus der Sicht der neuen EU-Mitgliedsländer ist die EU-Hilfe beachtlich: Bezogen auf das BSP dieser Länder ergibt sich im Jahr 2002 ein Wert von 1,42%, der bis zum Jahr 2006 auf 4,16% steigt.

In den Schlußfolgerungen des Europäischen Rates von Berlin wurden auch Änderungen des Haushaltsverfahrens festgelegt. Von Bedeutung ist insbesondere die Senkung des Anteiles des Mehrwertsteueraufkommens an den Eigenmitteln auf 0,75% des BSP im Jahr 2000 bzw. auf 0,50% im Jahr 2004. Dadurch steigt der Anteil der am BSP bemessenen Beiträge zum gemeinsamen Haushalt. Länder mit relativ niedrigem Mehrwertsteueraufkommen (Italien) werden damit zugunsten anderer Länder belastet. Der Anteil der Erhebungskosten für traditionelle Mittel (Zölle usw.) wird ab dem Jahr 2001 von 10% auf 25% erhöht.

Das Ziel einer Entlastung der Nettozahler wurde nur eingeschränkt erreicht. Nach vorläufigen Berechnungen des Bundesministeriums für Finanzen ergibt sich aufgrund der Berliner Beschlüsse über die Periode 2000 bis 2006 – im Vergleich zum ursprünglichen Kommissionsvorschlag – eine Ersparnis von 17,1 Mrd. S (1,2 Mrd. Euro). Die österreichischen Nettozahlungen an die EU sind für das Jahr 1999 mit 10,6 Mrd. S (0,45% des BSP) präliminiert. Im ersten Jahr der neuen Haushaltsperiode errechnet sich absolut ein leichter Anstieg (auf 12,1 Mrd. S), relativ aber bereits ein Rückgang auf 0,43% des österreichischen BSP. Bis zum Jahr 2006 verringern sich die österreichischen Nettozahlungen (ohne Erweiterung) auf 10 Mrd. S bzw. 0,31% des BSP.

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem WIFO-Monatsbericht 7/1999!