20. April 1999 • Aussenhandel der EU merklich gebremst, zunehmende Impulse von der Binnennachfrage • Markus Marterbauer, Jan Stankovsky

Die europäische Wirtschaft wuchs 1998 real um 2,8% (EU 11 3,0%), die höchste Rate seit 1994. Produktion und Nachfrage erreichten ihren Höhepunkt im 1. Halbjahr, als der Export noch rege expandierte. Die Wirtschaftskrisen in Südostasien und Rußland beeinträchtigten die EU-Ausfuhr und die Stimmung in der Exportindustrie im 2. Halbjahr merklich. Begünstigt durch eine Ausweitung der verfügbaren Einkommen übernahm der private Konsum die tragende Rolle für die Konjunktur. Die Beschäftigung wuchs um 1%, die Arbeitslosenquote ging um 1/2 Prozentpunkt auf 10% zurück.

Die Währungskrisen in Südostasien beeinträchtigten den EU-Außenhandel zunächst wenig. Ab dem 2. Halbjahr 1998 hinterließ der Produktionseinbruch in den asiatischen Krisenländern zusammen mit dem Ausbruch der Wirtschafts- und Währungskrise in Rußland aber merkliche Spuren im EU-Außenhandel. Auch die Stimmung in der europäischen Industrie verschlechterte sich im Jahresverlauf 1998 merklich. Die Sachgüterproduktion verringerte sich von ihrem Höhepunkt im Juli bis Dezember um 21/2%.

Die Abschwächung im Export wurde teilweise durch eine merkliche Belebung der Binnennachfrage ausgeglichen. Steigende Beschäftigung, kräftigere Lohnzuwächse, ein beträchtlicher Inflationsrückgang aufgrund des Preisverfalls auf den internationalen Rohstoffmärkten und eine weniger restriktive Fiskalpolitik als in den zwei Jahren zuvor ließen die verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte deutlich wachsen und ermöglichten eine Ausweitung der Nachfrage. Der private Konsum erhöhte sich im Jahresdurchschnitt in der EU real um 2,7% und übernahm damit die tragende Rolle für die Konjunktur. Auch die Ausrüstungsinvestitionen stiegen angesichts guter Gewinnlage und günstiger Absatzerwartungen kräftig (real +8%). Schwach blieben hingegen die Bauinvestitionen; angesichts des merklichen Rückgangs der Zinsen haben sich die Aussichten aber in diesem Bereich wesentlich verbessert.

Die Jahre 1996 und 1997 standen in der EU unter dem Eindruck der Bemühungen zur Erreichung der fiskalischen Konvergenzkriterien zum Eintritt in die Währungsunion. Die Neuverschuldung der öffentlichen Haushalte verringerte sich von 5% (1995) auf 21/4% des BIP. 1998 setzten die meisten EU-Länder keine weiteren Maßnahmen zur Verringerung der Haushaltsdefizite, vielfach liefen Einmalmaßnahmen der Vorjahre aus. Dennoch sank die Neuverschuldung aufgrund reger Steuereinnahmen bei günstiger Entwicklung von Einkommen und Inlandsnachfrage weiter auf durchschnittlich 11/2% des BIP (Euro-Raum 21/4%).

Die Beschleunigung des Wirtschaftswachstums und die tragende Rolle der Binnennachfrage, die mit einer Ausweitung der relativ beschäftigungsintensiven Produktion von Gewerbe und Dienstleistungsbereich verbunden war, hatten 1998 eine leichte Entlastung auf dem Arbeitsmarkt der EU zur Folge. Die Beschäftigung wuchs um gut 1%. Damit erhöht sich die Zahl der Arbeitsplätze in der EU zwar seit nunmehr vier Jahren, das Niveau der Beschäftigung lag dennoch deutlich unter jenem von Anfang der neunziger Jahre. Die Arbeitslosenquote ging im EU-Durchschnitt um 1/2 Prozentpunkt auf 10% zurück. Sie variiert zwischen 21/2% in Luxemburg und knapp 19% in Spanien. Anfang der neunziger Jahre hatte sie im EU-Durchschnitt noch 8% betragen.

Besonders stark war der Rückgang der Arbeitslosigkeit in den EU-Ländern mit überdurchschnittlichem Wirtschafts- und Beschäftigungswachstum und intensiven Anstrengungen der Arbeitsmarktpolitik – Dänemark, Spanien, Irland, Niederlande, Portugal, Finnland. Österreichs Arbeitslosenquote (4,5% der Erwerbspersonen laut EU Labour Force Survey) war 1998 die drittniedrigste in der EU, bessere Werte erzielten neben Luxemburg erstmals auch die Niederlande.

Übersicht 1: Beschäftigung und Arbeitslosigkeit in der EU

 

Erwerbstätige

Arbeitslosenquote, standardisiert

 

1997

1998

1990

1997

1998

 

Veränderung gegen das Vorjahr in %

In % der Erwerbspersonen

           

EU

+ 0,5

+ 1,1

8,1

10,6

10,0

Euro-Raum

+ 0,2

+ 1,1

8,2

11,9

11,0

  Deutschland

- 1,3

± 0,0

-

9,9

9,4

  Frankreich

+ 0,2

+ 1,3

8,9

12,4

11,9

  Italien

- 0,2

+ 0,4

9,1

12,1

12,2

  Spanien

+ 2,7

+ 3,3

16,2

20,8

18,8

  Niederlande

+ 2,6

+ 2,5

6,2

5,2

4,0

  Belgien

+ 0,6

+ 1,3

6,7

9,2

8,8

  Österreich

+ 0,1

+ 0,9

3,2

4,4

4,5

  Finnland

+ 2,7

+ 2,4

3,2

12,6

11,4

  Portugal

+ 1,9

+ 2,5

4,6

6,8

4,9

  Irland

+ 3,2

+ 6,1

13,4

9,9

7,8

  Luxemburg

+ 3,1

+ 4,4

1,7

2,8

2,8

Großbritannien

+ 1,8

+ 1,0

7,1

7,0

6,3

Schweden

- 1,1

+ 1,4

1,7

9,9

8,2

Dänemark

+ 2,3

+ 2,2

7,7

5,6

5,1

Griechenland

- 0,5

+ 0,2

6,4

9,6

9,6

Q: Europäische Kommission, Eurostat.

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem WIFO-Monatsbericht 4/1999!