19. März 1999 • Bestimmungsgründe des Anstiegs der Arbeitslosigkeit in Österreich • Markus Marterbauer

Ein relativ niedriges Wirtschaftswachstum und kräftige Produktivitätssteigerungen bilden wichtige Ursachen für die ungünstige Entwicklung des Arbeitsmarktes in den neunziger Jahren. 1997/98 stieg allerdings die Arbeitslosigkeit trotz guter Konjunktur. Dies ist weniger durch eine generelle Verschlechterung der Arbeitsmarktlage bedingt als durch die Erschwerung des Zugangs zur vorzeitigen Alterspension, die Kürzung der Bezugsdauer von Karenzurlaubsgeld und Personaleinsparungen im öffentlichen Dienst im Rahmen der Budgetkonsolidierung. Die neugeschaffenen Arbeitsplätze im Dienstleistungsbereich betreffen zudem meist Teilzeitarbeit, während die Arbeitslosen Vollzeitbeschäftigung suchen.

Die Ursachen der ungünstigen Entwicklung des österreichischen Arbeitsmarktes in den neunziger Jahren sind vielfältig, weil der Arbeitsmarkt ein Spiegelbild der Entwicklung auf Güter-, Dienstleistungs- und Finanzmärkten, der demographischen und institutionell bedingten Veränderungen des Arbeitskräfteangebotes und wirtschafts- und sozialpolitischer Entscheidungen ist. Gesamtwirtschaftliche Faktoren spielen jedenfalls eine wichtige Rolle. Im Anstieg der Arbeitslosigkeit spiegeln sich das relativ niedrige durchschnittliche Wirtschaftswachstum (1990/1998 durchschnittlich real +2,1% p. a.) und die Rezession 1993. Die Zunahme der Arbeitsproduktivität beschleunigte sich aufgrund des verstärkten Wettbewerbs im Zuge der West- und Ostintegration der österreichischen Wirtschaft merklich. Bei relativ guter Konjunktur 1997/98 erhöhte sich die Beschäftigung zwar merklich (um kumuliert 43.000 Arbeitsplätze), aber auch die Arbeitslosigkeit stieg leicht (+7.000). Sie erreichte im Jahresdurchschnitt 1998 laut traditioneller österreichischer Definition 7,2% der unselbständigen Erwerbspersonen bzw. 4,5% der Erwerbspersonen laut EU-Definition. Die wesentlichsten Ursachen dieser Entwicklung sind:

  • Ausweitung des Arbeitskräfteangebotes durch Verkürzung der Bezugsdauer von Karenzurlaubsgeld und Erschwerung des Zugangs in die vorzeitige Alterspension,
  • keine merkliche Reaktion der Arbeitslosigkeit auf hohe Beschäftigungssteigerungen im Dienstleistungssektor, weil Arbeitszeit- und Einkommensvorstellungen der Arbeitslosen nicht mit der Qualität der neuen Arbeitsplätze in Einklang stehen (vor allem im Handel und in anderen Dienstleistungsbereichen wurden viele Teilzeitarbeitsplätze geschaffen, der Großteil der Arbeitslosen sucht jedoch Vollzeitarbeit);
  • hartnäckige Arbeitslosigkeit in Wien, das von Personaleinsparungsmaßnahmen im öffentlichen Sektor, Restrukturierung großer Industrie- und Dienstleistungsbetriebe verbunden mit Abwanderung und durch einen hohen Anteil des privaten Dienstleistungssektors besonders betroffen war.

Der Anstieg der Arbeitslosigkeit zwischen 1996 und 1998 konzentrierte sich auf drei Bereiche: Ältere, Frauen und Wien. Er hat keineswegs mit einer generellen Verschlechterung der Arbeitsmarktsituation zu tun: 1998 wurde es sicher einfacher, einen Arbeitsplatz zu finden. Das beweist nicht nur die günstige Beschäftigungsentwicklung, sondern auch die Zahl der offenen Stellen.

Die Arbeitslosigkeit erhöhte sich vor allem durch institutionelle Faktoren. Die Abschaffung der Sonderunterstützungen und der erschwerte Zugang zur Frühpension hatten zur Folge, daß Ältere verstärkt im Arbeitslosenregister verblieben, statt in die Pension überzuwechseln. Die Zahl der Bezieher von Sonderunterstützungen sank von 14.000 (1995) auf 2.000 (1998); Die altersbedingten Pensionsneuzugänge waren 1997 um ein Drittel (–14.200) geringer als im Vorjahr, 1998 blieben sie etwa auf diesem Niveau. Der zweite wichtige Grund war die Verkürzung der Bezugsdauer von Karenzurlaubsgeld – sie erhöhte die Zahl der arbeitsuchenden Frauen kräftig. Die Zahl der Bezieher von Karenzurlaubsgeld bei aufrechtem Beschäftigungsverhältnis sank 1998 um 8.000, einschließlich der Arbeitslosen sogar um 23.000. Der Anstieg der Arbeitslosigkeit in den Jahren 1997 und 1998 geht also vor allem darauf zurück, daß Bezieher von Sozialleistungen, die dem Arbeitsmarkt nicht oder nur sehr eingeschränkt zur Verfügung stehen, seit dem Inkrafttreten des "Sparpakets" ihren Lebensunterhalt in höherem Maße von der Arbeitslosenversicherung erhalten. Dies ist somit überwiegend ein statistischer Einfluß auf die Arbeitslosigkeit: eine "Umetikettierung".

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem WIFO-Monatsbericht 3/1999!