18. März 1999 • Europäische Währungsunion und internationaler Tourismus • Egon Smeral

Die Schaffung der Europäischen Währungsunion hat auf den europäischen Tourismus direkte (Wegfall der Währungsumtauschkosten, niedrigere Fremdkapitalzinsen, stabile nominelle Wechselkurse zwischen den EWU-Teilnehmern) und indirekte (Realeinkommens- und Wachstumseffekte) Auswirkungen.

Nach der Einführung der Einheitswährung werden die Reisenden einen positiven Einkommenseffekt erzielen, da für den Währungsumtausch keine Ausgaben anfallen. Damit wird das Konsumbudget größer, und andere Güter und Dienstleistungen können verstärkt nachgefragt werden. Daneben entstehen aber auch Nachfrageverlagerungen, weil aufgrund der Einsparungen Reiseziele innerhalb der EWU im Verhältnis zu Zielen außerhalb der Währungsunion billiger werden. Die Wirkungen aufgrund der relativen Verbilligung sind aber eher gering anzusetzen. Da die Reiseausgaben insgesamt budgetiert werden, ist vielmehr damit zu rechnen, daß die eingesparten Transaktionskosten als "zusätzliche Kaufkraft" im Zielland für Güter und Dienstleistungen ausgegeben werden.

Die Errichtung der EWU bringt eine einmalige Senkung der langfristigen Zinsen. Im Tourismus würde dies den hochverschuldeten Klein- und Mittelbetrieben des Hotel- und Gaststättenwesens eine wichtige finanzielle Atempause gewähren. Eine langfristige Verringerung des Zinssatzes um bis zu 1 Prozentpunkt würde die Liquidität des gesamten Hotel- und Gaststättenwesens durch den verminderten Finanzierungsaufwand um bis zu 11/4 bis 11/2 Mrd. S jährlich steigen lassen. Zusätzliche Investitionen und eine erhöhte Wettbewerbsfähigkeit könnten die Folge sein.

Im Tourismus hatten die Währungsturbulenzen der neunziger Jahre deutlichen Einfluß auf die Marktanteilsentwicklung. Die Errichtung der EWU bedeutet für den Tourismus, daß die wechselkursbedingten Verlagerungen der internationalen Reiseströme im Euro-Raum praktisch zum Stillstand kommen. Ein Preiseffekt geht damit nur noch von den regionalen Preisinflationsdifferenzen aus, die jedoch aufgrund des "Stabilitätspaktes" relativ eng begrenzt sind. Insbesondere der österreichische Tourismus wird von der einheitlichen Währung profitieren, da die früheren Weichwährungsländer relativ größere Preissteigerungen verzeichnen dürften. Wechselkursstabilität bedeutet auch den Entfall von Kurssicherungskosten, wodurch eine Verbilligung der Produkte von Reiseveranstaltern möglich wäre.

Die Errichtung der Währungsunion mit einer Einheitswährung und einer zentralen Geldpolitik erhöht die Effizienz und die Kapitalakkumulation gegenüber der Situation mit unterschiedlichen Währungen. Ein höheres Wirtschaftswachstum und eine überproportionale Stimulierung des Tourismus sind die Folgen.

Die Auswirkungen der Schaffung der EWU wurden anhand eines für den internationalen Tourismus entwickelten Prognosemodells geschätzt. Die Basisvariante der Prognose wurde mit dem fiktiven Fall des Nicht-Zustandekommens (Simulationsvariante) der EWU verglichen: Die aufgrund der Schaffung der Währungsunion realisierbaren Wachstumseffekte würden nicht eintreten, und die von Wechselkursturbulenzen durchsetzten relativen Preistrends der Periode 1990/1996 (in einheitlicher Währung) würden sich in der Prognoseperiode fortsetzen. Ab 2004 wird eine allmähliche Abschwächung der Disparitäten angenommen, und es werden keine BIP-Effekte mehr berücksichtigt.

Die Auswirkungen der Errichtung der Währungsunion wurden an der Entwicklung der Reiseverkehrsbilanz für den Zeitraum von 1999 bis 2003 in Relation zum Bruttoinlandsprodukt gemessen. So ergibt sich für Österreich durch die Errichtung der EWU eine Erhöhung des kumulativen Reiseverkehrssaldos um 1,5% des BIP; Österreich ist damit in dieser Sicht neben Deutschland und Frankreich ein Gewinner der Währungsunion. Die größten hypothetischen Verluste durch die Einführung der Währungsunion erwachsen für Finnland und Italien (–1,3% bzw. –1,2% des BIP). Im allgemeinen weist die Analyse der kumulierten Salden die früheren Hartwährungsländer als Gewinner der EWU aus, wogegen die früheren Weichwährungsländer tendenziell verlieren.

Die Auswirkungen der Währungsunion auf den internationalen Tourismus stehen im Mittelpunkt der jährlichen Tagung des Tourist Research Center (TRC) in Wien, die das WIFO organisiert. Das TRC ist eine Vereinigung der führenden europäischen Tourismuswissenschafter. Es besteht seit mehr als 30 Jahren. Eines seiner Hauptziele ist der ständige Austausch von Forschungsergebnissen und deren Konfrontation mit den Lehrmeinungen. Ein wichtiges Forum bildet dabei die jährliche Konferenz des TRC. Auf Einladung des WIFO findet diese Konferenz heuer von 19. bis 22. März 1999 in Wien statt. Ein zentrales Thema sind die Einführung des Euro und ihre Auswirkungen auf die internationalen Tourismus- und Freizeitmärkte. Daneben werden Beiträge von führenden Tourismuswissenschaftern erwartet.

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem WIFO-Monatsbericht 3/1999!