25. Februar 1999 • Österreichs Direktinvestitionen in Osteuropa • Jan Stankovsky

Österreich tritt erst seit Ende der achtziger Jahre als internationaler Investor auf. Dafür waren die Weiterführung und Vertiefung der europäischen Integration sowie die Ostöffnung maßgeblich. Österreichs Unternehmen zählten zu den ersten, die die neuen Chancen in Osteuropa nach 1989 wahrnahmen und dort Kapitalbeteiligungen erwarben. Sie waren dank des Informationsvorsprungs imstande, die Risken eines Kapitalengagements besser und schneller als die Konkurrenz zu beurteilen. Die langjährigen Kontakte erwiesen sich vor allem in der Anfangsphase als nützlich.

Zur Ausweitung der Direktinvestitionen in Osteuropa trug auch die innovative Förderung bei. Bereits 1990 erreichten österreichische Direktinvestitionen im Osten den Wert von 4,8 Mrd. S. Dieser Aufbruch hielt aber in den folgenden Jahren nicht an. Bis 1996 machten die jährlichen Investitionen 5 bis 6 Mrd. S aus. Erst das Jahr 1997 brachte einen neuerlichen Aufschwung (11,9 Mrd. S), der sich 1998 (1. Halbjahr 5,8 Mrd. S) fortsetzen dürfte.

Der Bestand an österreichischen Direktinvestitionen in den Oststaaten hat sich innerhalb von sieben Jahren fast verzehnfacht: von 5,0 Mrd. S 1990 auf 48,4 Mrd. S 1997. Daran waren Ungarn mit 41%, Tschechien mit 26%, Polen mit 10% und die Slowakei sowie Slowenien mit jeweils etwa 7% beteiligt. Auf die zehn EU-Beitrittswerber entfielen 1997 93% der Direktinvestitionsbestände in den Oststaaten, auf die fünf Beitrittskandidaten der ersten Runde 85%.

Durch die schnelle und mutige Nutzung der Chancen der Ostöffnung sicherten sich die österreichischen Direktinvestoren eine hervorragende Ausgangsposition in den Oststaaten. 1990 entfielen auf Österreich 34% aller Neuinvestitionen im Osten. Mit dem späteren Anstieg der Direktinvestitionen im Osten hielt Österreich aber nicht ganz Schritt. Ein starker Rückgang war insbesondere 1995 zu verzeichnen. Bis zum Jahr 1996 fiel der österreichische Marktanteil an den Neuinvestitionen auf 3,6%. Das Jahr 1997 brachte einen Anstieg auf 4,9%, 1998 (1. Halbjahr) eine neuerliche Abschwächung auf 4%. Der österreichische Marktanteil an den Investitionsbeständen im Osten erreichte 1991 mit 17% einen Höhepunkt. Er fiel danach auf 6,4% im Jahr 1996 bzw. 5,1% im Jahr 1997.

Für die starke Verdrängung der österreichischen Investoren gibt es verschiedene Erklärungen: die unzureichende Finanzkraft der Direktinvestoren, eine schwächere Intensität der Investitionsförderung, die geringere Inanspruchnahme des Standortes Österreich durch die Osteuropazentralen multinationaler Gesellschaften für Investitionen in Osteuropa und Schwächen im österreichischen Angebot (z. B. Fehlen leistungsfähiger Telekomanbieter zum Zeitpunkt der Privatisierung im Osten). Die Vermutung, daß sich Österreichs Unternehmen stärker in der EU engagiert haben, findet in der Statistik keine Bestätigung.

Am stärksten sind österreichische Direktinvestoren in Ost-Mitteleuropa vertreten. 1997 weitete Österreich seinen Anteil an den ausländischen Neuinvestitionen auf 10,7% aus, vor allem dank eines starken Engagements in Polen und Tschechien. 1998 dürfte sich nach den bisher verfügbaren Daten die Position Österreichs wieder verschlechtert haben. An den Investitionsbeständen in Ost-Mitteleuropa war Österreich im Jahr 1991 mit 29% beteiligt, 1997 noch mit 7,9%.

Österreichische Beteiligungen an Unternehmen in den Oststaaten dienen überwiegend der Erschließung und Bearbeitung des lokalen Marktes, in vielen Fällen aber auch einer Auslagerung der Produktion. Die Übertragung der Fertigung ist keineswegs einem "Export der Arbeitsplätze" gleichzusetzen. Das österreichische Mutterunternehmen sichert sich in der Regel erhebliche Zulieferungen an das Tochterunternehmen im Ausland. Durch die Auslagerung lohnkostenintensiver Produktionsteile aus Österreich nach Osteuropa kann die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Gesamtproduktes verbessert werden, womit auch in Österreich Arbeitsplätze gesichert bzw. geschaffen werden.

Die Zahl der Beschäftigten österreichischer Unternehmen im Osten stieg von 10.800 im Jahr 1990 auf 85.400. Zugleich nahm aber auch die Beschäftigung der österreichischen Ost-Direktinvestoren im Inland kontinuierlich zu (von 70.800 1990 auf 190.400). Auch diese Entwicklung kann als ein Hinweis auf positive Beschäftigungseffekte der Investitionen in Osteuropa gesehen werden.

Im Vergleich zu österreichischen Tochterunternehmen in anderen Ländern haben jene im Osten eine etwa doppelt so große Beschäftigtenzahl, die durchschnittliche Investition je Unternehmen und die Kapitalausstattung je Beschäftigten ist aber nur halb so groß. Die Produktivität (Umsatz je Beschäftigten in der Sachgüterproduktion) erreichte in den österreichischen Tochterunternehmen im Osten 1996 mit 0,7 Mill. S weniger als ein Drittel der Vergleichswerte anderer Länder. Der große Beitrag der ausländischen Direktinvestitionen zum wirtschaftlichen Aufholprozeß Osteuropas ist aus der Entwicklung der letzten Jahre ersichtlich: Die Produktivität der österreichischen Tochterunternehmen im Osten stieg zwischen 1990 (0,2 Mill. S) und 1996 auf das Dreifache.

Die Vermögenseinkommen Österreichs aus den Direktinvestitionen in den Oststaaten erreichten 1996 1,9 Mrd. S, 1997 2,6 Mrd. S (davon aus Ungarn 1,8 Mrd. S). Daraus ergibt sich eine "Profitabilität", bezogen auf den Investitionsbestand von 1997, von 5,3% (Ungarn 9,3%).

Durch Kapitalbeteiligungen verbundene Unternehmen sind in der Regel durch gegenseitige Lieferungen eng verflochten. Die Lieferungen österreichischer Mutterunternehmen an ihre Tochterunternehmen in den vier Nachbarländern im Osten erreichten 1996 einen Wert von 8,4 Mrd. S, 14% der Gesamtexporte in diese Länder. Die Intraunternehmensimporte der österreichischen Direktinvestoren aus den Nachbarländern waren mit 3,4 Mrd. S deutlich geringer. Der Intraunternehmenshandel mit den Oststaaten ergab 1996 einen Überschuß von 5 Mrd. S. Dieses Ergebnis ist ein Indiz dafür, daß durch Direktinvestitionen in den Oststaaten per Saldo mehr Arbeitsplätze geschaffen als gefährdet werden.

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem WIFO-Monatsbericht 2/1999!