21. Jänner 1999 • Gemeinsame Geldpolitik – Unterschiedliche Auswirkungen? • Josef Baumgartner, Thomas Url

Mit der Einführung des Euro übernahm die Europäische Zentralbank (EZB) am 1. Jänner 1999 gleichzeitig die Gestaltung der Geldpolitik in der Europäischen Währungsunion (EWU). Im Gegensatz zur EWS-Periode werden nicht mehr Wechselkursschwankungen, sondern Zinsänderungen und die Veränderung des Kreditangebotes die dominierenden geldpolitischen Signale sein. Die 11 Mitgliedstaaten unterliegen damit erstmals einer einheitlichen Geldpolitik, auf die sie wegen unterschiedlicher Wirtschaftsstrukturen, Finanzierungsstrategien von Unternehmen und privaten Haushalten sowie Lohn- und Preissetzungsverfahren vermutlich nicht einheitlich reagieren werden. Die gemeinsame Geldpolitik der EZB kann damit in den einzelnen Teilnehmerländern unterschiedliche Auswirkungen haben.

Selbst in einem seit langem eng verflochtenen Währungsraum wie den USA ergeben sich regional unterschiedliche Auswirkungen einer Zinsänderung der Zentralbank: Das BIP reagiert z. B. in der Region der Großen Seen doppelt so stark wie im Durchschnitt, während die Anpassung im Südwesten und in den Rocky Mountains nur halb so stark ausfällt. Für diese Unterschiede werden die regionale Häufung zinsreagibler Sektoren und die Größe der Kreditinstitute in einer Region verantwortlich gemacht.

Ein Vergleich empirischer Studien über die Zinsreaktion in Teilnehmerländern der EWU und eine detaillierte Analyse von Strukturmerkmalen zeigen für die EWU ein uneinheitliches Bild. Die Untersuchungen weisen je nach Verfahren und Länderauswahl verschiedene Teilnehmerländer als über- und unterdurchschnittlich betroffen aus. Die länderspezifischen Strukturunterschiede sind in der EWU etwa gleich groß wie in den USA, sie zeigen aber für die einzelnen Länder je nach Indikator in eine andere Richtung. So ist der Anteil der zinsreagiblen Sachgüterproduktion an der Wertschöpfung in Irland und Deutschland überdurchschnittlich. Andererseits sind italienische Unternehmen in besonders hohem Ausmaß mit kurzfristigen Fremdmittel refinanziert, sodaß Zinsänderungen rasch deren Kapitalkosten ändern (Abbildung 1).

Flexible Reallöhne ermöglichen eine rasche Anpassung der Wirtschaft an unvorhergesehene Änderungen der Rahmenbedingungen. Die Flexibilität der Reallöhne ist in der EWU geringer als in den USA: In Österreich und Italien entspricht sie etwa dem Niveau der USA, in Deutschland und Spanien hingegen sind die Reallöhne relativ starr. In den letzteren Ländern sind daher stärkere Reaktionen des BIP und der Arbeitslosigkeit auf Zinssignale der EZB zu erwarten.

Abbildung 1: Indikatoren für die Auswirkung einer Zinsänderung in der EWU

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem WIFO-Monatsbericht 1/1999!