16. Dezember 1998 • Verteilungswirkungen familienpolitisch motivierter Maßnahmen in Österreich • Alois Guger

Österreich hat ein umfassendes System der Familienförderung, das sowohl horizontal von kinderlosen zu kinderbetreuenden Haushalten als auch vertikal von wohlhabenden zu ärmeren Einkommenschichten umverteilt und einen wesentlichen Beitrag zur Verminderung der Familienarmut leistet.

Das WIFO analysiert in seinem jüngsten Monatsbericht die Umverteilungswirkungen der direkten Familienförderung des Jahres 1993 auf Basis der gewichteten Pro-Kopf-Nettoeinkommen (Äquivalenzeinkommen) der Haushalte von Nichtselbständigen. Damals wurden aus öffentlichen Mitteln rund 65 Mrd. S für die direkte Familienförderung ausgegeben. Im Durchschnitt bezog jeder Haushalt mit Kindern monatlich 4.650 S bzw. 2.770 S je Kind.

Rund 40% der Familienleistungen flossen 1993 in das untere Drittel der Einkommenshierarchie, in das mittlere 34% und in das obere Drittel 26%. Die Leistungen verteilen sich damit sehr ähnlich wie die Zahl der Kinder auf die Einkommensschichten. Die Förderung je Kind betrug relativ einheitlich monatlich rund 2.770 S, war aber je Haushalt durch die höhere Kinderzahl im unteren Drittel mit 5.300 S monatlich deutlich höher als im oberen (3.600 S).

Die einzelnen familienpolitischen Leistungen fallen in unterschiedlichen Lebensphasen der Kinder an und haben daher unterschiedliche Verteilungseffekte: Die Familienbeihilfen verteilen sich im wesentlichen wie die Kinderzahl. Die mit der Geburt zusammenhängenden Leistungen, das Karenzurlaubsgeld, die Geburtenbeihilfe und die Ausgaben für den Mutter-Kind-Paß kommen eher jüngeren Eltern zugute; sie fallen daher im oberen Drittel nur unterproportional an und sind stärker auf das untere und das mittlere Drittel konzentriert.

Im Gegensatz dazu sind Leistungen, die mit dem Schulbesuch zusammenhängen (Schülerfreifahrt, Schulfahrtbeihilfe und freie Schulbücher) in Relation zu den Schülerzahlen im oberen Drittel überproportional und im unteren unterproportional vertreten. Dennoch kommen 70% der mit dem Schulbesuch zusammenhängenden Leistungen den unteren zwei Dritteln der Verteilung zugute, auf die 73% der Kinder entfallen.

Die Familienförderung wird überwiegend über eine zweckgebundene Gebarung, den Familienlastenausgleichsfonds, finanziert. Nach der sozialen Stellung betrachtet sind die Selbständigen Nettoempfänger des Systems der Familienförderung. Sie zahlen nur über die allgemeinen Steuermittel in den Familienlastenausgleichsfonds ein, erhalten aber rund 13% der Leistungen. Aus vertikaler Sicht sind über alle Haushalte gesehen 60% der Haushalte Nettoempfänger. Im unteren Drittel der Einkommenshierarchie zahlt jeder Haushalt mit Kindern im Durchschnitt pro Monat 1.880 S in das System ein und erhält 5.300 S, im mittleren Drittel erreichen die Einzahlungen rund 3.900 S und die Auszahlungen 4.740 S. Nur die Haushalte im oberen Drittel zahlen mit monatlich 7.230 S doppelt so viel ein wie sie erhalten.

Die österreichische Familienpolitik ist auf eine horizontale Umverteilung orientiert: Sie verteilt von den kinderlosen zu den kinderbetreuenden Haushalten um. Dieser Effekt wirkt über den gesamten Lebenszyklus: Alleinverdiener sind bei niedrigem Einkommen schon mit einem Kind Nettoempfänger aus dem System. Ein berufstätiges Arbeiterpaar mit 2 Kindern, davon einem Studenten, und mit mittlerem Einkommen zahlt abgezinst auf den Beginn der Erwerbstätigkeit 455.000 S zweckgebunden in das System ein und erhält 579.000 S an direkten öffentlichen Familienleistungen. Ein berufstätiges Angestelltenpaar mit 2 studierenden Kindern und mittlerem Einkommen zahlt 700.000 S ein und erhält fast 1 Mill. S aus dem System. Auch ohne Berücksichtigung der beitragsfreien Mitversicherung der Familienmitglieder ist also die Umverteilung von kinderlosen Haushalten zu Familien mit Kindern beträchtlich.

Trotz der Dominanz des horizontalen Verteilungsprinzips sind die vertikalen Verteilungswirkungen namhaft und eindeutig progressiv: Im untersten Dezil bedeuten die Familienleistungen dank des Karenzurlaubsgeldes und der Sondernotstandshilfe über 70% des Nettoeinkommens, im obersten nur 6% und im Durchschnitt rund 17%.

Die familienpolitischen Leistungen tragen wesentlich zur Armutsbekämpfung bei. Die Zahl der armutsgefährdeten Kinder wurde im Jahr 1993 durch die Maßnahmen der Familienpolitik um rund 90.000 auf rund 110.000 reduziert, die Quote der Kinderarmut damit von 111/2% auf 61/4% gesenkt (für Kinder aus Alleinverdienerfamilien von 20% auf 9%, aus Alleinerzieherfamilien von 21% auf 12%). Obwohl die familienpolitischen Leistungen für Alleinerzieherfamilien mit zwei und mehr Kindern die Familienarmut deutlich reduzieren, bleibt deren Armutsgefährdung mit 16,6% sehr hoch. Angesichts der Arbeitsmarktlage werden hier kurzfristig nur direkte Unterstützungen helfen, auf lange Sicht dürften aber die flächendeckende Versorgung mit Kinderbetreuungsmöglichkeiten und die Schaffung von Teilzeitbeschäftigungsmöglichkeiten die wirksamste Abhilfe gegen Familienarmut schaffen.

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem WIFO-Monatsbericht 12/1998!