20. November 1998 • Regimewechsel im Dienstleistungshandel mit den MOEL • Peter Mayerhofer

Die weitere Öffnung der Märkte gegenüber den MOEL wird auch im Dienstleistungsbereich erhebliche Nachfragepotentiale eröffnen. Heimische Anbieter sollten diese aufgrund der Marktnähe verstärkt nutzen können. Freilich wird der Liberalisierungsschub zugleich den Wettbewerb für Anbieter arbeitskostenintensiver Dienstleistungen verschärfen. Davon werden grenznahe Gebiete verstärkt betroffen sein.

Schon jetzt trägt der Dienstleistungshandel mit den benachbarten Transformationsländern trotz noch bestehender Handelsbarrieren wesentlich zur Dämpfung der Leistungsbilanzprobleme Österreichs bei: Die Dienstleistungsbilanz mit diesen Ländern ist mit +12,6 Mrd. S (0,52% des BIP) deutlich positiv; ohne den Außenbeitrag des Tertiärhandels allein mit den fünf benachbarten Transformationsländern (Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn, Slowenien) wäre das Leistungsbilanzdefizit Österreichs zuletzt um rund 30% höher gewesen.

Durch eine EU-Osterweiterung wird sich das handelspolitische Regime Österreichs gegenüber diesen Ländern in wesentlichen Bereichen des Dienstleistungsspektrums deutlich verändern: Vor allem im Bereich des grenzüberschreitenden Einkaufsverkehrs, der Leistungserbringung durch kommerzielle Niederlassungen im Gastland sowie des Angebotes ausländischer Dienstleister über die Grenze. Dabei sollte die Niederlassungsfreiheit aufgrund der geringen Wettbewerbsfähigkeit der MOEL in den dafür in Frage kommenden Tertiärsektoren vorwiegend neue Chancen für heimische Anbieter eröffnen. Im grenzüberschreitenden Einkaufsverkehr und in der grenzüberschreitenden Leistungserbringung ist dagegen auch zusätzliche Importkonkurrenz abzusehen.

Der Aufholprozeß der MOEL blieb bisher im wesentlichen auf traditionelle (konsumnahe) Dienste beschränkt. Anbieter komplexerer, produktionsnaher Dienste konnten bisher kaum unternehmensspezifische Wettbewerbsvorteile akkumulieren, vor allem hinsichtlich Angebotsdifferenzierung und Qualität erreichen sie westeuropäische Standards noch nicht. Diese geringe Wettbewerbsfähigkeit höherwertiger Dienste und der im Aufholprozeß wachsende Bedarf eröffnen für heimische Anbieter eine günstige Perspektive zur Markterweiterung.

Anbieter aus den MOEL dürften Wettbewerbsvorteile auch mittelfristig kaum aus höherer Produktqualität oder größerer Angebotsvielfalt ziehen können. Ihr Expansionsfeld wird sich auf Teilmärkte mit reiner Preiskonkurrenz beschränken, auf denen ihre Faktorkostenvorteile zum Tragen kommen. Nach Berechnungen des WIFO weisen in Österreich Branchen mit etwa einem Drittel aller Dienstleistungsbeschäftigten ein Lohnniveau und Kostenstrukturen auf, die sie gegenüber Billiglohnkonkurrenz sensibel machen. Berücksichtigt man ferner, daß bestimmte Formen grenzüberschreitender Leistungserbringung (Einkaufstourismus, "Hereinarbeiten" über die Grenze) nur über eine gewisse Distanz ökonomisch sinnvoll sind, so schränkt dies das Betroffenheitspotential auf rund 17% der Dienstleistungsbeschäftigten (11% der unselbständig Beschäftigten) ein.

Zur Vorbereitung der EU-Osterweiterung scheint jedenfalls eine Doppelstrategie sinnvoll: Einerseits sollten selektive Defensivmaßnahmen verhindern, daß die Anpassungsfähigkeit der Unternehmen im zweifellos notwendigen Strukturwandel überfordert wird. Andererseits werden vermehrt Maßnahmen aktiver Strukturpolitik zu setzen sein, die die Wettbewerbsfähigkeit heimischer Dienstleister erhöhen und ihnen damit ermöglichen, die potentiellen Vorteile der EU-Osterweiterung auch tatsächlich zu nutzen.

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem WIFO-Monatsbericht 11/1998!