20. November 1998 • Kosten und Nutzen der EU-Osterweiterung für Österreich • Fritz Breuss, Fritz Schebeck

In Summe dürfte die Osterweiterung der EU auf nahezu alle Aggregate der österreichischen Wirtschaft mittel- und längerfristig positiv wirken. Das reale Bruttoinlandsprodukt würde bis zum Jahr 2010 um 1,3% höher sein als in einem Szenario ohne Osterweiterung. Damit verbunden wäre ein Anstieg der Beschäftigtenzahl um rund 27.000. Das Preisniveau läge um fast 1% niedriger, und die Neuverschuldung des Staates fiele um 0,4% des BIP geringer aus.

Mit der Agenda 2000 hat die Europäische Kommission im Juli 1997 die Osterweiterung eingeleitet. Die Beitrittswerber – 10 ostmitteleuropäischen Länder (MOEL) – werden auf ihre Beitrittsreife bewertet. Am 31. März 1998 haben für zunächst fünf MOEL (Estland, Ungarn, Polen, Tschechien, Slowenien) und Zypern die Beitrittsverhandlungen begonnen. Die konkreten bilateralen Verhandlungen wurden am 10. November 1998 aufgenommen. Die anderen fünf MOEL (Bulgarien, Rumänien, Slowakei, Lettland und Litauen) werden vorderhand in eine Vorbereitungsstrategie eingebunden. Ob die Slowakei und Lettland aufgrund der guten Bewertung im Fortschrittsbericht der Kommission zur ersten Gruppe der Beitrittskandidaten gehören werden, ist noch offen.

Aus der Agenda und aus der bisherigen Verhandlungsprozedur ist abzuleiten, daß die Aufnahme neuer Mitglieder in zwei Gruppen erfolgen dürfte. Unter diesen Aspekten hat das WIFO die Finanzierungskosten und den Nutzen der EU-Osterweiterung für die österreichische Wirtschaft mit Hilfe des WIFO-Makromodells neu bewertet1).

Die Modellrechnungen für den Zeitraum 2002 bis 2010 unterstellen, daß die erste Gruppe von 5 MOEL im Jahr 2002 (dies entspricht den Ansätzen im Finanzrahmen der Europäischen Kommission) und die anderen 5 MOEL 2007 der EU beitreten. Die den Modellsimulationen zugrundeliegenden Annahmen sind einerseits aus der Integrationstheorie und andererseits aus dem für die Jahre 2002 bis 2006 erstellten Finanzrahmen der Europäischen Kommission abgeleitet. In einzelnen Schritten wurden direkte und indirekte Handelseffekte sowie Auswirkungen der Verbesserung der Terms of Trade, der Veränderungen im Reiseverkehr, der Ausweitung von Direktinvestitionen und der auf Österreich entfallenden Finanzierungskosten ermittelt. Auswirkungen der Migration, die erheblich von zu vereinbarenden Übergangsfristen abhängen, wurden in den Simulationen nicht berücksichtigt.

In Summe dürfte die Osterweiterung der EU auf nahezu alle Aggregate der österreichischen Wirtschaft mittel- und längerfristig positiv wirken. Das reale Bruttoinlandsprodukt würde bis zum Jahr 2010 um 1,3% höher sein als in einem Szenario ohne Osterweiterung. Damit verbunden wäre ein Anstieg der Beschäftigtenzahl um rund 27.000. Das Preisniveau läge um fast 1% niedriger, und die Neuverschuldung des Staates fiele um 0,4% des BIP geringer aus.

Übersicht 1: Gesamtwirtschaftliche Effekte der EU-Osterweiterung

2002/2010

2002

2003

2004

2005

2006

2007

2008

2009

2010

 

Differenz zwischen Simulations- und Basislösung1)

                   

Privater Konsum, real

+ 0,2

+ 0,4

+ 0,6

+ 0,8

+ 1,0

+ 1,1

+ 1,3

+ 1,5

+ 1,6

Öffentlicher Konsum, real

+ 0,1

+ 0,2

+ 0,3

+ 0,3

+ 0,3

+ 0,3

+ 0,3

+ 0,3

+ 0,3

Bruttoanlageinvestitionen, real

- 0,7

- 0,0

+ 0,1

+ 0,0

+ 0,0

- 0,1

- 0,1

- 0,1

- 0,2

Exporte i. w. S., real

+ 0,4

+ 1,0

+ 1,2

+ 1,4

+ 1,9

+ 2,2

+ 2,4

+ 2,9

+ 3,2

  Waren

+ 0,5

+ 1,0

+ 1,3

+ 1,6

+ 2,1

+ 2,4

+ 2,7

+ 3,3

+ 3,7

Importe i. w. S., real

+ 0,5

+ 1,0

+ 1,2

+ 1,3

+ 1,7

+ 1,9

+ 2,1

+ 2,6

+ 2,8

  Waren

+ 0,5

+ 1,1

+ 1,4

+ 1,6

+ 2,0

+ 2,3

+ 2,5

+ 3,0

+ 3,3

                   

BIP, real

- 0,1

+ 0,3

+ 0,5

+ 0,6

+ 0,8

+ 0,9

+ 1,0

+ 1,2

+ 1,3

                   

Leistungsbilanz in % des BIP

+ 0,3

+ 0,3

+ 0,3

+ 0,3

+ 0,3

+ 0,5

+ 0,5

+ 0,6

+ 0,6

                   

Deflator des privaten Konsums

- 0,3

- 0,6

- 0,7

- 0,8

- 0,8

- 0,8

- 0,9

- 0,9

- 0,9

Deflator des BIP

+ 0,1

- 0,1

- 0,3

- 0,3

- 0,3

- 0,3

- 0,3

- 0,3

- 0,3

Terms of Trade: Waren

+ 1,0

+ 0,9

+ 0,8

+ 0,8

+ 0,8

+ 1,0

+ 1,0

+ 1,0

+ 1,0

                   

Verfügbares persönliches Einkommen, real

+ 0,4

+ 0,8

+ 0,9

+ 1,1

+ 1,2

+ 1,4

+ 1,6

+ 1,7

+ 1,9

Lohnquote

- 0,2

- 0,3

- 0,4

- 0,4

- 0,4

- 0,5

- 0,5

- 0,6

- 0,6

                   

Unselbständig Beschäftigte

- 0,0

+ 0,1

+ 0,2

+ 0,3

+ 0,4

+ 0,5

+ 0,6

+ 0,7

+ 0,8

in 1.000

- 1,1

+ 1,8

+ 5,3

+ 9,0

+ 12,9

+ 16,2

+ 19,7

+ 23,7

+ 27,5

                   

Arbeitslosenquote

+ 0,0

- 0,0

- 0,0

- 0,0

- 0,0

- 0,0

- 0,0

- 0,1

- 0,1

Arbeitsproduktivität

- 0,1

+ 0,2

+ 0,3

+ 0,3

+ 0,4

+ 0,4

+ 0,4

+ 0,5

+ 0,5

                   

Finanzierungssaldo des Staates in % des BIP

- 0,1

- 0,0

+ 0,0

+ 0,1

+ 0,1

+ 0,2

+ 0,3

+ 0,3

+ 0,4

Mrd. S

- 1,7

- 0,5

+ 0,8

+ 2,5

+ 4,5

+ 6,7

+ 9,7

+ 13,2

+ 16,9

1)  Für die Komponenten der Nachfrage, das BIP, die Deflatoren, das persönlich verfügbare Einkommen, die unselbständig Beschäftigten und die Arbeitsproduktivität geben die angeführten Zahlen die kumulierten Niveauabweichungen der Simulationslösung des Modells (sie berücksichtigt die Auswirkungen des EU-Beitritts der MOEL) von der Basislösung (eine Fortschreibung der mittelfristigen WIFO-Prognose bis zum Jahr 2010) n-ten Jahr in % an, für Leistungsbilanz, Terms of Trade, Lohnquote, Arbeitslosenquote und Finanzierungssaldo des Staates in Prozentpunkten.

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem WIFO-Monatsbericht 11/1998!

1) Bereits 1995/96 analysierte das WIFO erstmals Kosten und Nutzen der EU-Osterweiterung für Österreichs Wirtschaft.