20. November 1998 • Von der Transformationsrezession zum Aufschwung. Wirtschaftliche Rahmenbedingungen in den benachbarten MOEL aus EU-Perspektive • Jan Stankovsky

Nach dem politischen Umbruch im Jahr 1989 gerieten alle Oststaaten in eine tiefe "Transformationsrezession". Das reale Bruttoinlandsprodukt schrumpfte in den Jahren 1990 bis 1992 in den MOEL um etwa ein Fünftel. Ursachen des Produktionseinbruchs waren die Umstellung des Wirtschaftssystems, die Folgen der wirtschaftlichen Desintegration nach der Auflösung des RGW sowie die Anpassung der Produktionsstruktur, zum Teil auch länderspezifische Probleme.

Die 5 MOEL Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn und Slowenien haben einen großen Teil des institutionellen und organisatorischen Wandels, zum Teil auch des Strukturwandels im Übergang von der Planwirtschaft zur Marktwirtschaft relativ rasch bewältigt. Mit den Systemreformen wurden die Voraussetzungen für ein Wirtschaftswachstum geschaffen. Der Aufschwung im Jahr 1993 wurde durch den Konjunktureinbruch in Westeuropa aber erschwert. 1994 erreichten alle Transformationsländer den Wachstumspfad und behielten ihn in den Folgejahren bei. Die Krisen in Fernost und Rußland dürften die Wirtschaftsentwicklung in den MOEL nur begrenzt beeinträchtigen. Unter der Voraussetzung einer zumindest durchschnittlichen Konjunktur in Westeuropa kann in den nächsten Jahren in Osteuropa mit einem Wirtschaftswachstum von etwa 41/2% gerechnet werden. Im Jahr 2000 wird aufgrund dieser Wachstumsannahmen die Wirtschaftsleistung der MOEL im Durchschnitt um etwa 10% höher sein als 1989 (Polen +30%, Slowenien und Tschechien +10%, Slowakei und Ungarn +5%).

Das langfristige Wirtschaftswachstum eines Landes kann annähernd durch dessen anfängliches wirtschaftliches Entwicklungsniveau, die Investitionsquote und den Bildungsstand erklärt werden kann. Aufgrund dieser Beziehung hat die EBRD den Wachstumsspielraum der Länder Osteuropas in den nächsten 25 Jahren geschätzt. Für die 5 MOEL ergaben sich Wachstumsraten von etwa 41/2% bis 61/2% p. a. Für eine optimistische Einschätzung dieses Potentials spricht, daß in der Region die Möglichkeiten für eine effizientere Nutzung der Ressourcen größer sind als in Westeuropa oder Japan in der Nachkriegszeit. Zur Vorsicht mahnt hingegen die große Bedeutung institutioneller Faktoren für das langfristige Wirtschaftswachstum, die in den MOEL noch erhebliche Defizite aufweisen.

Nach dem politischen Umbruch im Jahr 1989 waren alle Länder Osteuropas um eine Neuorientierung ihrer Wirtschaftsbeziehungen von Ost nach West bemüht. Die Öffnung des Marktes gegenüber dem Westen und die damit verbundene Verschärfung des Wettbewerbs waren ein wichtiges Element der Transformation von der Plan- zur Marktwirtschaft. Die Länder Osteuropas waren zu einer schnellen wirtschaftlichen Zuwendung zum Westen auch durch die Auflösung der osteuropäischen Integrationsgemeinschaft (RGW) sowie durch den Zerfall der für sie wichtigsten Absatzmärkte in der Sowjetunion und in Ostdeutschland gezwungen. Den Bemühungen der Oststaaten um eine Aufnahme in die Union stand die EU anfangs zurückhaltend gegenüber. Erst der Europäische Rat in Kopenhagen im Jahr 1993 öffnete den Weg Osteuropas in die EU. Die Europäische Kommission empfahl in ihrer Stellungnahme (Avis) die Aufnahme von Verhandlungen mit fünf Ländern (Ungarn, Polen, Tschechien, Slowenien, Estland). Die anderen fünf Beitrittswerber (Slowakei, Bulgarien, Rumänien, Lettland, Litauen) sollen auf die Aufnahme intensiv vorbereitet werden. In einem im Juni 1997 vorgelegten Dokument (Agenda 2000) präsentierte die Kommission auch Vorschläge zu Reformen der Union (insbesondere im Bereich der Agrar- und Strukturpolitik) sowie zur Finanzierung der Osterweiterung. Die Beitrittsverhandlungen wurden im März 1998 eröffnet und könnten unter günstigen Bedingungen bis zum Jahr 2003 abgeschlossen sein. Die Verträge müssen anschließend von den Parlamenten der einzelnen EU-Länder ratifiziert werden.

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem WIFO-Monatsbericht 11/1998!