2. Oktober 1998 • Hohes Wirtschaftswachstum 1998, aber 1999 zunehmende Risken. Prognose für 1998 und 1999 • Ewald Walterskirchen

Das Wirtschaftswachstum wird heuer 3,3% betragen, das ist die höchste Rate seit 1991. Kräftige Export- und Investitionssteigerungen bilden die Basis für diese Dynamik. Für nächstes Jahr zeichnet sich dagegen eine Abschwächung ab, die von den Turbulenzen auf den internationalen Finanzmärkten ausgeht. Das BIP-Wachstum bleibt aber in Österreich auch 1999 mit 2,8% über dem mittelfristigen Trend.

Die Weltwirtschaft wird derzeit von massiven Krisen auf den Finanzmärkten erschüttert. Einerseits wurden die Währungen einer Reihe von emerging market economies massiv abgewertet, während andere noch mit dieser Eventualität kämpfen. Die davon ausgehenden realwirtschaftlichen Effekte, vor allem aber die pessimistische Grundstimmung der Anleger hatten den Absturz der meisten Aktienbörsen von ihrem vielfach spekulativ überhöhten Niveau zur Folge. Die Suche nach sicheren Anlagemöglichkeiten ließ vor allem DM-Papiere interessant erscheinen und brachte eine Abwertung des Dollars gegenüber dem Geleitzug der Euro-Währungen mit sich.

Die Finanzkrise, die in Asien ihren Anfang nahm, hat politische Versäumnisse, verfehlte wirtschaftspolitische Strategien und spekulative Übertreibungen als Ursache. Aus früheren Erfahrungen, insbesondere nach dem Aktiencrash vom Oktober 1987, kann geschlossen werden, daß auch eine kräftige Korrektur der überhöhten Kurse keine schwerwiegenden Folgen für die Konjunktur haben muß. Die Baisse auf den Aktienbörsen in den USA und in Europa glich bisher nur etwa den Anstieg in den letzten zwölf Monaten aus.

Diesmal kommen allerdings die unmittelbare realwirtschaftliche Dämpfung einer Anzahl von aufstrebenden Volkswirtschaften in Asien und Lateinamerika hinzu sowie die tiefgreifende Krise in Rußland, die auch auf Nachbarländer ausstrahlt. Weiters stimmt die hartnäckige politische und wirtschaftliche Immobilität Japans bedenklich. Diese Geschehnisse beeinträchtigen insgesamt auch die Konjunkturperspektiven der USA und Europas.

Angesichts der relativ geringen realwirtschaftlichen Bedeutung Rußlands für die Weltwirtschaft und der nur mäßigen außenwirtschaftlichen Verflechtung Europas mit dem asiatischen Raum sind bisher nur minimale Effekte auf die europäische Konjunktur zu beobachten. Diese steht 1998 in einem auffallenden Kontrast zu dem düsteren weltwirtschaftlichen Bild. In den meisten EU-Ländern, vor allem jenen auf dem Kontinent, hat sich die Konjunktur 1998 auf die Investitionen und die sonstige Inlandsnachfrage ausgedehnt. Sie ist damit weitgehend selbsttragend geworden.

Dem kommt auch die durch die de facto bereits wirksame Währungsunion gewährleistete Wechselkursstabilität innerhalb Europas zugute. Integrationskräfte im Binnenmarkt, die durch die gemeinsame Währung noch verstärkt werden, wirken zusätzlich konjunkturstabilisierend. Die außenwirtschaftliche Exponiertheit der Euro-Zone ist mit einer Exportquote von rund 12% des gemeinsamen BIP viel geringer, als sie für die teilnehmenden Volkswirtschaften bisher war.

Die unvermeidlichen Unsicherheiten in der Diagnose weiterer Ansteckungsherde und der realwirtschaftlichen Auswirkungen der Finanzkrisen legen nicht nur eine Zurücknahme der Prognosen für 1999 nahe, sie bilden auch einen Risikofaktor dieser Prognose.

Das Wachstum des BIP wird in Österreich heuer 3,3% betragen, das ist die höchste Wachstumsrate seit 1991. Im Einklang mit den internationalen Prognosen müssen die Wachstumsannahmen für 1999 jedoch zurückgenommen werden. Das BIP-Wachstum wird mit +2,8% jedoch über dem mittelfristigen Trend bleiben. In den EU-Staaten wird sich die Dynamik 1999 gleichfalls nicht – wie bisher angenommen wurde – verstärken, sondern mit +2½% nicht mehr ganz an jene des Jahres 1998 (+2¾%) herankommen.

Die Auswirkungen der Finanzmarktturbulenzen werden in Europa wahrscheinlich nicht gravierend sein, weil dem Nachfrageausfall in den Schwellenländern auch positive Folgen entgegenstehen, die den Bremseffekt mildern: Rohstoffe und Energie werden billiger, die Zinssätze sinken. Die Inflation ist nahezu völlig zum Stillstand gekommen.

In den Turbulenzen der Weltwirtschaft gelten die Teilnehmer der Wirtschafts- und Währungsunion als "sicherer Hafen" für die Anleger. Mit einer Inflationsrate von weniger als 2% ist die Euro-Zone ein Hort der Stabilität. Ohne den festen Euro-Fahrplan hätten die jüngsten Entwicklungen auf den Finanzmärkten die europäischen Währungsrelationen wahrscheinlich wieder verschoben, mit entsprechenden Folgen für den Außenhandel.

Die österreichische Wirtschaft wächst 1998 und 1999 rascher als der EU-Durchschnitt, da sich die Wettbewerbsfähigkeit in den letzten Jahren stark verbessert hat. Das Wirtschaftswachstum wird 1998 vor allem vom Warenexport und den Ausrüstungsinvestitionen getragen, 1999 wird der private Konsum einen relativ höheren Beitrag leisten. Heuer bremst der kräftige Anstieg der Sparquote die Ausgaben der privaten Haushalte; 1999 ist er geringer, und der dämpfende Einfluß fällt weitgehend weg.

Die Arbeitslosenquote wird im nächsten Jahr erstmals seit 1994 leicht zurückgehen (von 4,5% auf 4,4%). Heuer reicht der kräftige Beschäftigungszuwachs noch nicht aus, um die Arbeitslosigkeit zu senken, weil das Arbeitskräfteangebot außerordentlich stark zunimmt.

Solange ein in den Jahren schwacher Konjunktur aufgestautes Arbeitskräfteangebot auf den Markt drängt, erweist sich die Verringerung der Arbeitslosigkeit als besonders schwierig. Das mittelfristige Beschäftigungsziel des Nationalen Aktionsplans wurde dagegen bereits im ersten Jahr der fünfjährigen Planungsperiode zu einem Drittel erfüllt.

Die Inflationsprognose des WIFO wurde vor allem wegen der stark sinkenden Rohwarenpreise nach unten revidiert. Die Teuerungsrate wird 1999 ebenso wie heuer auf ihrem bisherigen Tiefstand von 1% liegen. Sie bietet eine solide Basis für den Eintritt in die Wirtschafts- und Währungsunion am 1. Jänner 1999.

Das Defizit der öffentlichen Haushalte beträgt 1998 und 1999 2,2% des BIP. Der Bundesvoranschlag 1999 ist mit der nach unten revidierten WIFO-Konjunkturprognose vereinbar, insbesondere weil die gute Konjunktur 1998 die Einnahmen aus einigen Steuern erst verzögert erhöht. Die Budgetpolitik wird auch in den kommenden Jahren einen sparsamen Kurs verfolgen müssen, um dem im Stabilitätspakt festgelegten Ziel eines nahezu ausgeglichenen Budgets näherzukommen.

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem WIFO-Monatsbericht 10/1998!