15. September 1998 • Große Preisunterschiede zwischen Einzelhandelsgeschäften • Wolfgang Pollan

Österreichs EU-Beitritt im Jahr 1995 lenkte die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf das in einigen Sparten relativ hohe Preisniveau; zum Vergleich wurde meist Westdeutschland herangezogen. Die nach dem Beitritt erwartete Anpassung an das Niveau in Westdeutschland erfaßte zunächst die Lebensmittelpreise; erst später folgten die Preise von Industriewaren.

Daten über das Preisniveau liefert eine großangelegte Erhebung der Preise in Wien und Berlin, die von der Wiener Arbeiterkammer in den Jahren 1994, 1995, 1996 und – für Elektronikgeräte – 1997 durchgeführt wurde. Danach hat sich das Preisniveau von Lebensmitteln und einer ausgewählten Gruppe von Industriewaren (Drogeriewaren und Gebrauchskosmetik, Kameras, Elektrogeräte, Heimwerkermaschinen, Markenspielwaren und Elektronikgeräte) in Wien weitgehend an jenes in Berlin angeglichen. In vielen Fällen sind die Preise (bereinigt um die Mehrwertsteuer) in Wien sogar niedriger als in Berlin. Der Verlauf der Preise von einigen Elektrogeräten und einigen Lebensmitteln weist allerdings darauf hin, daß sie von 1994 bis 1995 zwar teilweise an das deutsche Niveau angepaßt wurden, ein Teil dieser Verbilligung im folgenden Jahr aber zurückgenommen wurde. Das in der Öffentlichkeit – sowohl durch den Handel selbst als auch durch die Medien – geweckte Interesse an Preisvergleichen dürfte also einen gewissen Beitrag zur Senkung der Preise geleistet haben, diese Wirkung war aber offenbar zeitlich begrenzt.

Nicht alle Geschäfte dürften auf den Wettbewerbsdruck, der von der EU-Integration ausging, gleich reagiert haben. Während einige Geschäfte die Preise stark herabsetzten und somit das durchschnittliche Preisniveau drückten, dürften andere die Preise nicht oder nur wenig gesenkt haben. Ein Teil der verbleibenden (positiven) Preisunterschiede zwischen Wien und Berlin dürfte also auf weit überdurchschnittliche Preise in einigen Geschäften zurückgehen.

Im allgemeinen sind die Preisunterschiede für dieselbe Waren in Wien erheblich höher als in Berlin (eine Ausnahme bildet das Sortiment der Lebensmittel). Die Wiener Konsumenten haben somit die Möglichkeit, auf Geschäfte auszuweichen, in denen diese Waren gleich viel oder sogar weniger kosten als in Berlin. Allerdings müssen sie selbst bei gleichen Durchschnittspreise wie in Berlin angesichts der breiteren Preispalette mehr Zeit dafür aufwenden, zu einem günstigen Preis einzukaufen. Im Bereich der Drogeriewaren reagieren die Konsumenten auf Verbilligungen offenbar, indem sie ihre Einkäufe von teuren zu billigeren Geschäften verlagern.

Der Befund, daß in vielen Warengruppen die Preisunterschiede zwischen den Geschäften (im Vergleich mit Berlin) recht groß sind, legt die Frage nahe, ob die Preise in einzelnen Geschäften (oder Filialen von Ketten) systematisch niedriger oder höher sind als in anderen Geschäften. In der Untersuchung wurden drei Geschäftstypen unterschieden: Diskonter, Verbrauchermärkte und sonstige Geschäfte. Die Preise von Drogeriewaren (einschließlich Tierfutter) sind dabei in den sonstigen Geschäften im Durchschnitt am höchsten. Allerdings sind in allen Kategorien die Preisunterschiede stark ausgeprägt. So sind etwa die erfaßten Drogeriewaren im Durchschnitt des teuersten Diskonters um fast 15% teurer als beim billigsten Diskonter. Die Durchschnittspreise eines Warenkorbs sind in Diskontläden zum Teil höher als in Verbrauchermärkten. Ein Verbraucher, der seinen Bedarf an Drogeriewaren nicht beim nächstgelegenen Geschäft, sondern bei einem in der Regel etwas weiter entfernten Diskonter oder Verbrauchermarkt deckt, wird deshalb nicht in allen Fällen günstiger einkaufen.

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem WIFO-Monatsbericht 9/1998!