24. Februar 1998 • Erste Bewertung des Transitvertrags • Wilfried Puwein

Ende 1997 überprüfte die EU-Kommission planmäßig die Funktion des Transitvertrags mit Österreich. Sie beurteilte das Ökopunktesystem als angemessenes und wirksames Mittel zur Reduzierung der Umweltbelastungen durch den Lkw-Transit. Die Lkw-Frequenzen auf der sensiblen Brenner-Route nahmen dennoch weiter zu, die Schadstoffemissionswerte der eingesetzten Lkw waren recht unterschiedlich.

Wilfried Puwein untersucht im Heft 2/1998 der WIFO-Monatsberichte, wie sich der Transitvertrag zwischen Österreich und der EU bewährt: Der Vertrag limitiert die Zahl der Fahrten von Lkw aus EU-Ländern durch Österreich auf dem Niveau von 1991 und strebt eine Senkung ihres NOx-Ausstoßes an. Im Zeitraum 1993/1996 wurde das jährliche Fahrtenkontingent nie voll ausgeschöpft. Der NOx-Ausstoß nahm sogar etwas rascher ab, als es das Ökopunktesystem vorgab. Das Transportaufkommen im Straßengütertransit über die Brenner- und Tauern-Route stieg aber von 1992 bis 1996 um über 20%, die Schwerverkehrsfrequenz auf der Brenner-Autobahn war 1997 um 28% höher als 1992.

Die Zunahme der Transitfahrten im ökologisch sensiblen Alpenraum war möglich, weil der Vertrag wohl die Zahl der Fahrten durch das gesamte Bundesgebiet begrenzt, die Verlagerung von Fahrten innerhalb von Österreich – z. B. von der Ost-West- auf die Nord-Süd-Transitroute – aber zuläßt. Außerdem verfügen die europäischen Frächter über eine große Zahl von Dauerbewilligungen für den internationalen Güterverkehr (CEMT-Ausweise). Transitfahrten durch Österreich sind mit diesen Ausweisen nicht ökopunktepflichtig.

Das Ökopunktesystem bewirkt auch nicht immer, daß nur die nach dem Stand der Technik "saubersten" Lkw im Österreich-Transit eingesetzt würden. Lkw aus Griechenland benötigten 1996 fast doppelt so viele Ökopunkte pro Fahrt wie Lkw aus Luxemburg (Übersicht 1) und emittierten entsprechend mehr NOx. Frächter, die über ausreichend Ökopunkte verfügen, können mit veralteten und emissionsstarken Lkw die Alpenrouten befahren und so die Umwelt "über Gebühr" belasten. Beim Einsatz der auf dem Markt angebotenen "saubersten" Lkw könnten die NOx-Emissionen bereits jetzt auf 40% der Belastung von 1991 gesenkt werden, wie es der Transitvertrag erst für das Jahr 2003 vorsieht.

Vor dem Jänner 2001 wird die EU die österreichische Transitregelung erneut überprüfen; der Rat könnte mit qualifizierter Mehrheit das Ende oder Änderungen der Regelungen beschließen. Mit dem Jahr 2003 läuft das Transitabkommen aus, neue Lösungen für das Transitproblem müssen sich mit dem Acquis Communautaire vereinbaren lassen.

Übersicht 1: Ökopunkteverbrauch nach Ländern

1996

 

Fahrten

Anteile in %

Ökopunkte

Punkte pro Fahrt

         

Italien

570.775

38,50

5,145.608

9,02

Deutschland

505.781

34,12

4,767.712

9,43

         

Österreich

155.462

10,49

1,398.163

8,99

         

Niederlande

105.731

7,13

1,075.147

10,17

Griechenland

46.839

3,16

708.886

15,13

Dänemark

40.661

2,74

358.690

8,82

Belgien

23.624

1,59

238.470

10,09

Schweden

7.054

0,48

69.364

9,83

Großbritannien

6.504

0,44

78.935

12,14

Finnland

4.494

0,30

37.211

8,28

Frankreich

4.440

0,30

47.544

10,71

Luxemburg

3.840

0,26

31.016

8,08

Spanien

1.210

0,08

14.544

12,02

Portugal

442

0,03

5.484

12,41

Irland

299

0,02

3.641

12,18

Unbekannt

5.339

0,36

55.844

10,46

         

Insgesamt

1,482.495

100,00

14,036.259

9,47

Q: ÖSTAT, Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr.

Die EU strebt grundsätzlich die Sicherung der Lebensqualität der lokalen Bewohner und den Schutz der Umwelt an. Sie fordert aber auch die reibungslose Abwicklung des internationalen Handelsverkehrs und einheitliche Wettbewerbsregelungen. Eine Begrenzung des Straßengüterverkehrs ist nur in sensiblen Gebieten möglich (das sind besonders die Alpentäler, wo die Lärm- und Schadstoffemissionen des Verkehrs den gesamten Lebensraum und den wichtigen Erwerbszweig Tourismus beeinträchtigen). Die Maßnahmen sollen aber nicht nur den Transitverkehr, sondern den gesamten Straßengüterverkehr einschließen (also auch Inland-, bilateralen EU- und Drittlandverkehr). Eine Kontingentierung der Fahrten läßt sich mit dem Acquis nicht vereinbaren.

Abgaben und Mauten erwiesen sich in der Vergangenheit als sehr wirksames Instrument zur Eindämmung des Wachstums des Straßengüterverkehrs. So nahm der alpenquerende Straßentransit in Frankreich infolge der hohen Mauten seit 1992 nicht mehr zu, obschon der internationale Lkw-Verkehr liberalisiert wurde (Übersicht 2). In der Schweiz gewann der Straßentransit trotz des Gewichtslimits von 28 t große Marktanteile von der Bahn. In Österreich dämpften die stark verteuerte Brennermaut und das Ökopunktesystem das Wachstum des Straßentransits. Auf der Basis von 150 Fahrten pro Jahr erreichten 1997 die Ausgaben für Mauten und Abgaben pro Fahrt durch Frankreich rund 3.500 S, über den Brenner 1.600 S und durch die Schweiz 230 S.

Übersicht 2: Alpenquerender1) Transitgüterverkehr

 

Frankreich

Schweiz

Österreich

 

Straße

Schiene

Straße

Schiene

Straße

Schiene

 

Transportaufkommen in Mill. t

             

1986

6,3

1,3

1,1

10,1

16,8

5,2

1992

10,3

2,2

2,2

13,9

16,7

8,0

1996

10,3

4,3

3,5

13,0

20,3

9,2

             
 

Durchschnittliche jährliche Veränderung in %

             

1986/1992

+ 8,5

+ 9,2

+ 12,2

+ 5,5

- 0,1

+ 7,4

1992/1996

± 0,0

+ 18,2

+ 12,3

- 1,7

+ 5,0

+ 4,7

1986/1996

+ 5,0

+ 12,7

+ 12,3

+ 2,6

+ 1,9

+ 5,9

Q: Dienst für Gesamtverkehrsfragen, Bern. – 1)  Alpenbogen von Mt. Cenis/Fréjus bis Tarvis.

Die EU fordert für die Benützungsgebühren Kostenwahrheit. Die Lkw-Maut für die Brenner-Autobahn bezeichnet die EU-Kommission als zu hoch, sie will eine Klage beim Europäischen Gerichtshof einreichen. Die Feststellung der "wahren" Kosten der Straßenbenützung und der Umweltauswirkungen ist problematisch. Straßenbenützungsabgaben sollten letztlich ein Signal für die Knappheit an Verkehrsfläche und Umweltqualität setzen.

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem WIFO-Monatsbericht 2/1998!