1. Dezember 1997 • Wachstumsbeschleunigung in Europa von Krise in Asien kaum gebremst • Markus Marterbauer

Die Weltwirtschaft ist von sehr unterschiedlichen Einflüssen geprägt: Expansiv wirken das anhaltend kräftige Nachfragewachstum in den USA und die steigende Dynamik in Europa. Hingegen weitet sich die Finanzkrise in Südostasien zunehmend auf die gesamte Region aus und macht den Konjunkturaufschwung in Japan zunichte.

Aufgrund günstiger wirtschaftspolitischer Rahmenbedingungen setzt sich in den USA der seit 1991 anhaltende Konjunkturaufschwung fort, das reale Wirtschaftswachstum erreichte 1997 knapp 4%. Es zeigt umfangreiche Beschäftigungseffekte – die Arbeitslosenquote sank unter 5% – und entlastet die öffentlichen Haushalte (sie werden 1997 mit –¼% des BIP fast ausgeglichen abschließen). Das Potential des Wirtschafts- und Produktivitätswachstums hat sich – vor allem durch hohe Investitionen und zunehmendes Arbeitskräfteangebot – merklich erhöht. Steigende Zinsen, die kräftige real-effektive Aufwertung des Dollars (+22% seit März 1995) und mögliche Effekte der Krise in Asien werden aber 1998 und 1999 eine Abschwächung des Wirtschaftswachstums auf 2½% bzw. 2% nach sich ziehen.

In Europa expandieren Nachfrage und Produktion 1997 real um 2½%. In der Mehrzahl der skandinavischen Länder, in Großbritannien und Irland, in Spanien, Portugal und den Niederlanden war die Exportsteigerung bereits von kräftiger Inlandsnachfrage begleitet. Zusammen mit diskretionären arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen ermöglichte das Wirtschaftswachstum einen Rückgang der Arbeitslosigkeit – allerdings von meist sehr hohem Niveau. In Deutschland, Frankreich und einigen kleineren Ländern blieb die Nachfrageausweitung hingegen bislang fast vollständig auf den Export beschränkt. Der private Konsum wird von der restriktiven Fiskalpolitik und der hohen Arbeitslosigkeit gedämpft, die Investitionen leiden unter Nachfragemangel und unsicheren Rahmenbedingungen seitens der Wirtschaftspolitik. 1998 sollte auch in diesen Ländern der Aufschwung auf die Inlandsnachfrage übergreifen, das Wachstum beschleunigt sich im Durchschnitt der EU-Länder auf real 3%. Auch 1999 kann mit einer ähnlich hohen Rate gerechnet werden; das sollte eine langsame Rückführung der hohen Arbeitslosigkeit ermöglichen und auch entlastend auf die öffentlichen Haushalte wirken. Damit scheint ein relativ problemloser Übergang in die Währungsunion möglich.

In Asien müssen die Prognosen aufgrund der anhaltenden Finanzkrise in Thailand, Indonesien, Malaysia und den Philippinen – von der auch Südkorea und in geringerem Ausmaß Hongkong, Singapur und Taiwan erfaßt wurden – drastisch nach unten revidiert werden. Wichtige Ursachen der Krise waren die sinkende Wettbewerbsfähigkeit vieler südostasiatischer Staaten und "spekulative Blasen", die sich auf den Vermögensmärkten gebildet hatten. Die Effekte auf die Realwirtschaft sind noch nicht vollständig abzusehen. Vermögensverluste und restriktive Wirtschaftspolitik werden Konsum und Investitionen stark dämpfen und das Bankensystem erheblich belasten. Die japanische Wirtschaft wird aufgrund der engen Handels- und Finanzverflechtung mit den betroffenen Staaten (sie beziehen etwa ein Fünftel der japanischen Exporte) deutlich beeinträchtigt. Der Konjunkturaufschwung, der sich Anfang 1997 etwas klarer abzeichnete, kommt wieder zum Stillstand. Die fragile Finanzsituation vieler Finanzdienstleister tritt deutlich zutage. Die seit Anfang der neunziger Jahre anhaltende Stagnation der japanischen Wirtschaft setzt sich bis Ende des Jahrzehnts fort, ohne daß die Wirtschaftspolitik noch großen Spielraum zur Gegensteuerung hätte. Hingegen werden die Auswirkungen der südostasiatischen Krise – soweit sie sich heute abzeichnen – auf die Wirtschaftsentwicklung in den USA und Europa begrenzt sein.

Übersicht 1: Wirtschaftswachstum

 

Bruttoinlandsprodukt

 

1996

1997

1998

1999

1996

1997

1998

1999

 

Laut WIFO

Laut EU

 

Veränderung gegen das Vorjahr in %

                 

USA

+2,8

+3,8

+2,5

+2,0

+2,8

+3,6

+2,6

+2,5

Japan

+3,5

+0,5

+1,0

+1,5

+3,5

+1,3

+2,3

+2,9

Deutschland

+1,4

+2,3

+2,8

+3,0

+1,4

+2,5

+3,2

+3,3

Frankreich

+1,5

+2,3

+3,0

+3,0

+1,5

+2,3

+3,1

+3,1

Italien

+0,7

+1,0

+2,0

+2,5

+0,7

+1,4

+2,5

+2,8

Großbritannien

+2,3

+3,5

+2,0

+2,0

+2,3

+3,3

+2,1

+2,3

Kanada

+1,5

+3,5

+3,5

+3,0

       
                 

Große Industrieländer

+2,4

+2,5

+2,3

+2,3

       
                 

Spanien

+2,2

+3,3

+3,5

+3,5

+2,3

+3,3

+3,5

+3,6

Australien

+3,4

+3,0

+2,5

+3,0

       

Niederlande

+3,3

+3,3

+3,5

+3,5

+3,3

+3,1

+3,6

+3,3

Türkei

+7,2

+6,5

+5,5

+5,0

       

Belgien

+1,5

+2,3

+2,8

+3,0

+1,5

+2,4

+3,0

+3,1

Schweiz

–0,7

+0,5

+2,0

+2,5

       

Schweden

+1,1

+2,0

+2,5

+3,0

+1,1

+2,1

+2,9

+3,3

Österreich

+1,3

+1,6

+2,5

.

+1,6

+1,9

+2,8

+3,3

Dänemark

+2,7

+3,0

+2,8

+3,0

+2,7

+3,5

+3,3

+3,2

Portugal

+3,0

+3,5

+3,5

+3,5

+3,3

+3,5

+3,7

+3,7

Griechenland

+2,6

+3,5

+3,5

+3,5

+2,6

+3,3

+3,5

+3,9

Norwegen

+5,3

+4,0

+4,0

+3,5

       

Finnland

+3,3

+4,5

+4,0

+3,0

+3,3

+4,6

+4,0

+3,6

Neuseeland

+2,1

+1,5

+2,5

+2,5

       

Irland

+7,9

+7,3

+7,0

+6,5

+8,6

+8,6

+8,1

+7,6

Luxemburg

+3,0

+3,5

+3,8

+4,0

+3,0

+3,4

+3,8

+4,0

Island

+5,2

+5,0

+4,0

+3,5

       

Korea

+7,1

+6,0

.

.

       

Mexiko

+5,1

+6,8

+5,3

+5,0

       

Polen

+6,1

+6,0

+6,0

+5,5

       

Ungarn

+1,0

+3,0

+4,0

+4,0

       

Tschechien

+4,1

+1,5

+2,0

+2,0

       
                 

Kleine Industrieländer

+3,4

+3,8

+3,5

+3,5

       
                 

OECD insgesamt

+2,6

+2,8

+2,5

+2,3

       

OECD-Europa

+1,9

+2,5

+2,8

+3,0

       

EU

+1,7

+2,5

+2,8

+2,8

+1,8

+2,6

+3,0

+3,1

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem WIFO-Monatsbericht 12/1997!