21. November 1997 • Senkung des Handelsbilanzdefizits erforderlich • Jan Stankovsky

Das Defizit der österreichischen Handelsbilanz hat sich zuletzt verringert. Dennoch ist der Warenhandel zu einem Problem der Wirtschaftspolitik geworden: Sinkende Überschüsse im Tourismus und EU-Zahlungen können nur durch zusätzliche Exporte finanziert werden.

Die Analyse der aktuellen Entwicklung des österreichischen Warenhandels liefert widersprüchliche Ergebnisse: Die "traditionellen" Indikatoren geben keinen Grund zur Beunruhigung – vielmehr sind verschiedene positive Tendenzen zu erkennen: Das Defizit der österreichischen Handelsbilanz verschlechterte sich Anfang der neunziger Jahre (von 69 Mrd. S 1987/88 auf 110 Mrd. S 1991/92); seither zeigt die offizielle Statistik (ÖSTAT) eine sinkende Tendenz an. 1996 nahm das Passivum zwar um 12,6 Mrd. S zu, doch brachte das 1. Halbjahr 1997 eine Verbesserung um 11,2 Mrd. S. Diese günstige Entwicklung muß aber in Frage gestellt werden:

  • Zum einen sind erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der Daten – und deshalb auch an den aufgezeigten Tendenzen – angebracht. Angesichts der Unsicherheit über die tatsächliche Höhe des Handelsbilanzdefizits erleichtert daher die Erweiterung des Saldos des Warenhandels um den Posten "Nicht aufteilbare Leistungen" die Orientierung. Diese Kennzahl hat sich verschlechtert.
  • Viel mehr fällt aber ins Gewicht, daß infolge geänderter Rahmenbedingungen die Vergleichsmaßstäbe der Vergangenheit nicht mehr gültig sind. Die Situation im Tourismus signalisiert einen Wandel im Muster der komparativen Vorteile: Österreich als ein Hochlohnland kann die Verluste im Tourismus nur durch Gewinne im Export in "High-skill-Sektoren" kompensieren. Österreich muß aber auch durch erhöhte Deviseneinnahmen den Beitrag an die EU (netto rund 15 Mrd. S jährlich) "verdienen" – er wurde nicht zuletzt in Kauf genommen, um den Zugang zum EU-Markt zu erleichtern.

Ermutigend sind die Ergebnisse im Außenhandel mit Maschinen und Fahrzeugen. Diese Warengruppe schließt den Großteil der Hochtechnologieprodukte ein. Sie brachte für Österreich bis Anfang der neunziger Jahre steigende Passiva. Das Defizit erreichte 1991 seinen Höhepunkt und hat seither deutlich sinkende Tendenz. Nach 1995 verstärkte sich diese Entwicklung merklich. Eine nähere Aufschlüsselung zeigt die großen positiven Handelsbilanzeffekte der Fahrzeugindustrie, deren Ausbau seit langem zu den wichtigen Anliegen der österreichischen Wirtschaftspolitik zählt. War der Saldo des Außenhandels mit Straßenfahrzeugen – ohne Importe von Pkw – noch Anfang der neunziger Jahre leicht negativ und danach etwa ausgeglichen gewesen, so ergab sich 1995 ein Überschuß von 9 Mrd. S, 1996 bereits von 17,5 Mrd. S. Ebenso positiv zu bewerten ist die Entwicklung des Außenhandels mit elektrischen und mechanischen Maschinen. Die günstige Beurteilung der Entwicklung des Außenhandels mit Maschinen und Fahrzeugen wird allerdings durch Unsicherheiten in bezug auf die Außenhandelsstatistik relativiert.

Aus dem Agraraußenhandel resultieren für Österreich erhebliche – und längerfristig steigende – Defizite. Der EU-Beitritt bedeutet in diesem Bereich eine einschneidende Änderung, da er die bisherigen Importbeschränkungen gegenüber der EU beseitigte; gleichzeitig erhielt Österreich Zugang zu dem stark abgeschotteten EU-Agrarmarkt. 1996 war das Defizit des gesamten Agraraußenhandels (–15,6 Mrd. S) geringfügig größer (um 0,5 Mrd. S) als 1994. Gleichzeitig wurden die Handelsströme zur EU deutlich umgeschichtet. Das Defizit im Agrarhandel mit der EU vergrößerte sich von 10,4 Mrd. S auf 14,6 Mrd. S; vor allem das Passivum gegenüber Deutschland und den Niederlanden nahm zu. Im Agrarhandel mit Italien konnte hingegen das Defizit in einen Überschuß gedreht werden.

Der österreichische Marktanteil erreichte 1997 etwa das Niveau des Jahres 1992. Österreichs Exporteure verloren 1992 und 1993 – u. a. als Folge der real-effektiven Aufwertung des Schillings – Marktanteile im internationalen Handel. 1994 verbesserten sich die Wechselkursbedingungen etwas, mit einem realen Exportzuwachs von 8,7% hielt Österreich mit der kräftigen Expansion des internationalen Handels fast Schritt. 1995 gewann der Schilling real-effektiv um 2,6% an Wert. Nach den meisten Indikatoren schnitt die österreichische Exportwirtschaft dennoch relativ gut ab, die reale Exportzunahme von 8,3% übertraf das Wachstum der Märkte. 1996 verlor Österreich – bei günstigen Wechselkursbedingungen – real Marktanteile im Ausmaß von 1%. 1997 dürfte es nach den bisher vorliegenden Ergebnissen und Prognosen möglich sein, die Marktanteile etwa zu halten.

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem WIFO-Monatsbericht 11/1997!